Militärmacht und Friedensstifter
"Militärmacht Deutschland?" heißt die von Otfried Nassauer angestoßene Diskussion in WeltTrends. Der schlagwortartige Titel ist wohl in erster Linie als - ganz offensichtlich erfolgreiche - Provokation zu einer angeregten Debatte zu verstehen, die an frühere Dispute über die Rolle Deutschlands nach Ende des Ost-West-Konflikts anknüpft. Bei den großen Partnern in NATO und EU würde die Bezeichnung Deutschlands als "Militärmacht" wohl mittlerweile ein amüsiertes Kopfschütteln hervorrufen - allen voran bei der amerikanischen Supermacht. Ein Land, das mit 1,5 Prozent Anteil des Verteidigungshaushaltes am Bruttosozialprodukt zumindest proportional lediglich so viel ausgibt wie Luxemburg, wird man nur schwerlich als ambitionierte Militärmacht bezeichnen können. Auf der anderen Seite ist Deutschland zweifelsohne in absoluten Zahlen immer noch eine starke konventionelle Macht. Es steht an sechster Stelle bei den Militärausgaben und ist hinter den USA und Russland der drittgrößte Waffenexporteur. Was ist nun das "neue Deutschland"? "Militärmacht" (Otfried Nassauer), "Zivilmacht" (Hanns W. Maull), "Scheinriese" (Ingo Peters), "Handelsstaat" (Gunther Hellmann) "Machtvergessen" (Hans-Peter Schwarz) oder "Machtversessen" (Norman Paech)? Ist das vereinte Deutschland Groß-, Mittel- oder gar Weltmacht? Auch in den aktuellen Beiträgen der WeltTrends-Debatte schwanken die Beschreibungen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zwischen "neowilhelminisch" (Jürgen Rose) und gefangen "im Banne friedenspolitischer Beschwörungsformeln"(Alexander Siedschlag). Die Wahrheit liegt wie so oft eben auch im Auge des Betrachters. (...)
Veröffentlicht:
In: WeltTrends Nr. 58, Januar/Februar 2008, S. 106-112