Eine neue "glorreiche Revolution"

In wenigen Wochen wird der Bundestag über die Verlängerung des Einsatzes deutscher Streitkräfte in Afghanistan entscheiden. Wenn auch die Beteiligung der Bundeswehr in diesem Fall umstritten ist, so ist der Vorgang als solcher schon Routine. Mehr als 50 Mal hat der Bundestag inzwischen Auslandseinsätze der Bundeswehr beschlossen oder verlängert. Die Öffentlichkeit nimmt nur noch selten Notiz davon. Dabei ist die Mitwirkung der Volksvertretung bei militärischen Einsätzen nicht selbstverständlich. In der europäischen Verfassungstradition waren Entscheidungen über Krieg und Frieden in der Regel dem Staatsoberhaupt oder der Regierung allein vorbehalten. Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg blieben die außen- und sicherheitspolitischen Fragen exekutives Privileg.

Wendepunkt Irak-Krieg

Dies beginnt sich jedoch zu ändern. Neben dem Bundestag entscheiden mittlerweile die Parlamente in Irland, Dänemark, Schweden, Estland, Lettland, Litauen, Italien, Spanien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Tschechien, der Slowakei, der Türkei und Zypern bei der Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen mit. Dabei sind einige Mitwirkungsrechte jüngeren Datums. Durften die italienische oder spanische Regierung ihre Truppen noch ohne Parlamentsbeschluss in den umstrittenen Irak-Einsatz schicken, werden sie dies in Zukunft nicht mehr können. Der Streit über den Krieg im Irak hat dazu geführt, dass die Volksvertretungen in Zukunft beteiligt werden müssen oder sollen. Auch der neue britische Premier Gordon Brown will künftig den Abgeordneten die Entscheidung über Krieg und Frieden überlassen. Damit würde die Volksvertretung in London - überspitzt gesagt - wieder über eine "Parlamentsarmee" verfügen, nachdem Mitte des 17. Jahrhunderts die Truppen unter dem Oberbefehl Oliver Cromwells siegreich aus den Wirren des britischen Bürgerkrieges hervorgegangen waren. Die politische Kultur in Großbritannien wird sich ändern. Der Premierminister wird öffentlich das Für und Wider eines Militäreinsatzes erklären müssen. Er muss Auskunft geben, wie viele Soldaten er einsetzen will und wie hoch die Kosten sein werden. Er muss einen möglichen Einsatz regelmäßig überprüfen lassen. Vor allem aber: Er muss darlegen, ob die völkerrechtliche und moralische Legitimation für einen Einsatz besteht; und selbst dann liegt die letzte Entscheidung bei den Volksvertretern. Es wäre eine neue "glorreiche Revolution" auf der Insel.

Nachdem bereits viele europäische Länder einen Parlamentsvorbehalt eingeführt haben, wäre es nur konsequent, demnächst auch die Europaabgeordneten in die Entscheidungen einzubeziehen.

Gutes Beispiel geben

Denn obwohl die gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik Gestalt annimmt und einige internationale Friedenseinsätze allein von europäischen Truppenstellern durchgeführt werden, sind die Mitwirkungsrechte der Parlamentarier in Brüssel und Straßburg unvollkommen. Europa sollte bei der Demokratisierung der Sicherheitspolitik mit gutem Beispiel vorangehen. Angesichts der katastrophalen Erfahrungen des vorigen Jahrhunderts ist die parlamentarische Kontrolle bei der Entsendung des Militärs die richtige Entscheidung.

Autor: 
Gastbeitrag von Rolf Mützenich
Thema: 
Parlamente entscheiden über Militäreinsätze
Veröffentlicht: 
Kölner Stadt-Anzeiger, 16.08.2007