Publikationen

Atomare Schatten

Als sich Barack Obama bei seiner Berliner Rede am 24. Juni d.J. mit großer Geste für eine Welt ohne Nuklearwaffen aussprach, brachte ihm dies den mit Abstand größten Applaus ein. "Dies ist der Moment, an dem wir das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen erneuern müssen", erklärte der demokratische Präsidentschaftskandidat. Und in der Tat ist atomare Abrüstung heute dringlicher denn je. Fast 20 Jahre nach Ende des Kalten Krieges werden, allen voran von den Vereinigten Staaten, Planungen weitergeführt, wonach der Atomkrieg im Rahmen der Strategie der flexiblen Reaktion (flexible response) nicht als apokalyptisch, sondern als begrenz- und gewinnbar gedacht wird. Gegenwärtig lagern weltweit noch an die 30 000 nukleare Sprengköpfe. Die mehrfache Vernichtungskapazität der Menschheit hat sich seit 1989 also nur unwesentlich verringert. Dafür ist die Verteilung der Massenvernichtungswaffen weit brisanter geworden. Dies belegt keineswegs nur die anhaltende Krise um das iranische Rüstungsprogramm. Denn nahezu unbemerkt von der Weltöffentlichkeit befinden sich die führenden Militärmächte längst wieder in einem neuen atomaren Rüstungswettlauf, der dringend gestoppt werden muss. In den Planungsstäben der Großmächte erlebt die Atombombe eine strategische Renaissance. Der "atomare Schatten", die konkrete Gefahr eines Atomkrieges, entwickelt sich immer mehr zu einer "politisch operativen Größe gängiger Weltpolitik". Mit der fortwährenden Modernisierung ihrer Arsenale stellen nicht nur die USA, sondern auch Russland, China, Frankreich und Großbritannien die Abrüstungsverpflichtung aus Artikel VI des Atomwaffensperrvertrages in Frage und rücken von dem durch die Überprüfungskonferenz 2000 im Konsens verabschiedeten 13 Punkte-Aktionsplan für nukleare Abrüstung ab. (...)
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Blätter für deutsche und internationale Politik 9/2008, S. 31-43.

Will Berlin's Lovefest with Obama be Shortlived?

Barack Obama's charisma and youth have won the Democratic presidential candidate many fans in Berlin. Republican candidate John McCain, on the other hand, is seen as a choleric hardliner. But neither of them would cozy up to the German government. It's a dream, nothing but a dream. And yet it has taken hold in many places around the German capital, in the offices of cabinet ministers and members of parliament, in strategy sessions at party headquarters, around conference tables at the editorial offices of newspapers and magazines, and even in a few of the countless offices of Berlin's federal government bureaucracy. The dream goes something like this: What if just a small fragment of the American presidential election primary were to spill over into Germany? The enthusiasm, for example, and the vitality, energy and drama that the world's oldest democracy has presented to the global public for months? And what if German politicians would exude just a smidgen of the youthfulness and spirit of optimism that Barack Obama, the presumptive Democratic presidential candidate, seems to have in abundance? (...)
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Spiegel, 09.06.2008

The League of Democracies: A "League of Justice" or an "Unholy Alliance"?

Independent of whether the next U.S. president will be John McCain or Barack Obama, Europe should prepare itself for a re-orientation of U.S. foreign policy; a foreign policy which will increasingly call upon the participation of its closest democratic allies. In a recent article, Republican presidential nominee John McCain proposed founding a "League of Democracies". According to McCain, this organization would not be designed to replace but instead to support the United Nations by becoming engaged when the UN fails to achieve results. Thereby, McCain reengages a debate that has defined U.S. foreign policy since the time of Woodrow Wilson and the U.S. entry into World War I in 1917: "making the world safer for democracies". This type of sentiment has pervaded U.S. foreign policy throughout the country's history. After World War II, this strategy was supplemented with the concept of containment of the Soviet Union and its satellite states. This strategy often had negative effects on democratization efforts since the U.S. was not very picky in terms of who it chose to engage in alliances with during the time of the Cold War. According to the principle "the enemy of my enemy is my friend", dictatorships and even the Taliban in Afghanistan received U.S. support as long as they were anti-communist in ideology. (...)
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Occasional Paper, FES Washington D.C., August 2008

Abrüstung und Rüstungskontrolle als vitale deutsche Interessen

Unabhängig davon, ob ein Staat heute angesichts des sich ständig ändernden internationalen Umfelds auswärtige Interessen überhaupt jenseits von Allgemeinplätzen dauerhaft bestimmen kann, mangelt es keineswegs an Papieren und Strategien, die Deutschlands außenpolitische Interessen zu definieren versuchen: Das Weißbuch von 2006, die europäische Sicherheitsstrategie und die europäische Strategie gegen die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen von 2003 sind dabei die wichtigsten Grundlagendokumente, in denen die deutschen und europäischen Interessen ausführlich behandelt werden. Was sind nun deutsche Interessen? Als rohstoffarmer Handelsstaat ist Deutschland auf eine internationale Ordnung, Verträge und internationale Organisationen angewiesen, die die globalen Rahmenbedingungen berechenbar machen und die Einhaltung der Regeln garantieren. Auch wenn die "Berliner Republik" mit veränderten und gewachsenen Erwartungen ihrer Partner konfrontiert wurde, hat sich an den Grundkonstanten deutscher Außen- und Sicherheitspolitik in einem dicht gesponnenen Netz institutioneller Bindungen auf den ersten Blick wenig geändert. Das Hauptmerkmal ist nach wie vor ein ausgeprägter Multilateralismus und die Abneigung gegenüber Sonderwegen und Alleingängen. Immer gemeinsam mit Partnern, niemals alleine, lautet nach wie vor die Devise deutscher Außenpolitik. Man kann von einer "Never alone-Doktrin" sprechen. Aus diesem Grunde ist deutsche Außenpolitik in hohem Maße auch Institutionen-Politik. (...)
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In: spw 4/2008, Heft 165, S. 23-26.

Die unheimliche Liga

Unabhängig davon, ob der nächste amerikanische Präsident McCain oder Obama heißen wird, sollte sich Europa auf eine Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik einstellen, die vor allem die engsten demokratischen Verbündeten stärker in die Pflicht nehmen wird. So hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Senator McCain kürzlich in einem Artikel die Idee der Gründung einer "Liga der Demokratien" ins Spiel gebracht. Diese solle die Vereinten Nationen "nicht verdrängen, sondern ergänzen" und immer dann tätig werden, wenn "diese versagen". Damit greift McCain stellvertretend eine Debatte auf, die sich seit Präsident Woodrow Wilson den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 damit begründete "die Welt für die Demokratie sicherer zu machen" wie ein roter Faden durch die amerikanische Außenpolitik zieht. (...)
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Handelsblatt, 19.06.2008

Deutsche Rüstungskontrollpolitik

Rüstungskontrolle und Abrüstung - viele assoziieren diese Begriffe immer noch mit einer längst vergangenen Zeit, mit Gipfeltreffen der Supermächte in Wien und Reykjavik und der KSZE-Schlussakte von Helsinki. Es sind aber immer noch und wieder ganz aktuelle Themen. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sind auch Kernpunkte sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik. Während der Entspannungs- und Ostpolitik waren sie Instrumente der Krisenbewältigung und Plattform für einen institutionalisierten Dialog zwischen unterschiedlichen politischen Systemen und Weltanschauungen. Aus deutscher Perspektive spielten Abrüstung und Rüstungskontrolle nach dem Zweiten Weltkrieg immer eine herausgehobene Rolle, schon um die Gefahren der Ost-West-Konfrontation abzumildern. Auf dem Gebiet der beiden deutschen Staaten befand sich die weltweit stärkste Konzentration sowohl an konventionellen als auch nuklearen Waffen. Nach einem Jahrzehnt der Abrüstung, das 1987 mit dem INF-Vertrag begann und 1997 mit der Chemiewaffenkonvention endete, steigen die Militärausgaben seit 1998 wieder deutlich an. Laut SIPRI-Jahrbuch 2007 wurden im Jahr 2006 ca. 900 Milliarden Euro weltweit für militärische Zwecke ausgegeben. Das waren 3,5 Prozent mehr als 2005. In den letzten zehn Jahren sind die Rüstungsausgaben damit weltweit um 37 Prozent gestiegen. Die USA liegen dabei mit großem Abstand an der Spitze: Auf sie entfallen mit 396,2 Milliarden Euro, 42 Prozent der globalen Rüstungsausgaben. Auch beim internationalen Waffenhandel ist seit 2002 ein Anstieg um 50 Prozent zu verzeichnen. (...)
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In: Hans J. Gießmann/Götz Neuneck (Hrsg.), Streitkräfte zähmen, Sicherheit schaffen, Frieden gewinnen. Festschrift für Reinhard Mutz, Baden-Baden 2008, S. 116-127.

China und Lateinamerika - Brückenschlag zwischen ungleichen Handelspartnern

China gilt als die kommende "Weltmacht". Wegen seines rasanten Wirtschaftswachstums ist der drittgrößte Flächenstaat der Erde für die Länder Lateinamerikas "beinahe ein "Angstgegner" - und dabei zugleich ein Handelspartner, der für den Kontinent immer wichtiger wird". China ist heute die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und hat sich in der Rangliste der globalen Handelsmächte von Platz 26 (1980) auf Platz drei (seit 2004) hinter den USA und Deutschland hochgearbeitet. Der chinesische Außenhandel scheint zudem der weltweiten Rezession zu trotzen: "Trotz globaler Konjunkturabkühlung und Finanzkrise sind Chinas Exporte von Januar bis September 2008 um 22,3 Prozent auf US-Dollar 1.074 Milliarden US-Dollar, die Importe um 29 Prozent auf 893,1 Milliarden US-Dollar gestiegen. Dadurch hat China einen Handelsüberschuss von 181 Milliarden US-Dollar erzielen können, der im Vergleich zum Vorjahreszeitraum jedoch tendenziell rückläufig (-2,6 Prozent) ist." In den Ländern Lateinamerikas, deren Ökonomien auf dem Export von Rohstoffen und Agrargütern basieren, wird Chinas neue Rolle auf dem Weltmarkt überwiegend positiv betrachtet, denn die große Nachfrage Chinas nach Primärgütern sorgt für höhere Rohstoffpreise. Dies gilt für die Agrarländer des Mercosur und die rohstoffreichen Länder der Andengemeinschaft sowie für Chile. Gerade aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise setzen viele Rohstoffexporteure Lateinamerikas auf China, da das Reich der Mitte im Gegensatz zu den USA, Japan und Europa nicht auf eine Rezession zusteuert. "Die Wirtschaftsinteressen Südamerikas, dessen Exporte etwa zur Hälfte aus Rohstoffen bestehen, und Chinas, dessen brummende Wirtschaft die beständige Sicherung des Zugriffes auf Rohstoff- und Energiequellen verlangt, sind gut miteinander vereinbar. Die Strategie der chinesischen Regierung ist es, durch Investitionen in den Herkunftsländern die direkte Kontrolle über die benötigten Ressourcen zu erlangen." (...)
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In: Lothar Mark und Erich G. Fritz (Hg.), China und Lateinamerika im Aufbruch - Eine kritische Analyse. 2009, S. 205-216.

Liga der Demokratien: "Gerechtigkeitsliga" oder "unheilige Allianz"?

Unabhängig davon, ob der nächste amerikanische Präsident McCain oder Obama heißen wird, sollte sich Europa auf eine Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik einstellen, die vor allem die engsten demokratischen Verbündeten stärker in die Pflicht nehmen wird. So hat der republikanische Präsidentschaftskandidat Senator McCain kürzlich in einem Artikel die Idee der Gründung einer "Liga der Demokratien" ins Spiel gebracht. Diese solle die Vereinten Nationen "nicht verdrängen, sondern ergänzen" und immer dann tätig werden, wenn "diese versagen". Damit greift McCain stellvertretend eine Debatte auf, die sich seit Präsident Woodrow Wilson den Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 damit begründete "die Welt für die Demokratie sicherer zu machen" wie ein roter Faden durch die amerikanische Außenpolitik zieht. Diese Strategie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch das Konzept der Eindämmung (Containment) des sowjetischen Kommunismus und seiner Satelliten ergänzt - oft auch zu Lasten der Demokratisierung. Denn bei der Wahl ihrer Bündnispartner waren die USA während des Kalten Krieges nicht besonders wählerisch. Getreu dem Prinzip "der Feind meines Feindes ist mein Freund" wurden auch Diktaturen und selbst die afghanischen Taliban unterstützt, sofern sie nur 2antikommunistisch" waren. (...)
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Berlin, Juni 2008

Die Sicherheitsstrategie der Union - überflüssig und gefährlich!

Das Bundesverfassungsgericht hat gestern dem Antrag der FDP-Fraktion in der AWACS-Frage entsprochen. Damit wird die Legislative und der deutsche Parlamentsvorbehalt ausdrücklich gestärkt - im Gegensatz zum Tornadourteil vor einem knappen Jahr, in dem der Exekutive noch eine Art Blankoscheck für fast jedwede Nato-Strategie übertragen wurde. Damit wurde aber auch einem erheblichen Teil der ebenfalls gestern präsentierten Sicherheitsstrategie von CDU/CSU quasi höchstrichterlich eine Abfuhr erteilt. Denn mit ihrem Strategiepapier verlässt die Union nicht nur den verfassungsrechtlichen sondern auch den sicherheitspolitischen Grundkonsens. Dabei enthält die Strategie durchaus auch positive Elemente: So hebt sie unter anderem die Rolle von Abrüstung und Rüstungskontrolle als "strategischem Instrument" deutscher und europäischer Sicherheitspolitik hervor, leitet aber keine konkreten Vorschläge ab, wie der festgefahrene Rüstungskontrollprozess wieder in Gang gebracht werden könnte. Insgesamt betrachtet ist die sicherheitspolitische Lageanalyse der Union weder neu - so findet sich nichts, was im Weißbuch 2006 oder in der europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 nicht schon besser und konsistenter formuliert worden wäre -, noch sinnvoll oder gar Ziel führend. Sie ist vielmehr gefährlich. So schlagen die Strategen der Union u.a. die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates nach dem Vorbild der USA vor, streben an, die Bundeswehr auch für Inlandseinsätze zu verwenden und fordern, den Parlamentsvorbehalt teilweise auszusetzen, um künftig deutsche Soldaten schneller in den Auslandseinsatz schicken zu können. (...)
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Berlin, 08.05.2008

Was macht eine moderne Weltmacht aus?

Wie definiert sich der Begriff Weltmacht und worin unterscheidet sich eine moderne Weltmacht von einer traditionellen? Zum einen bezeichnet man als Weltmacht eine etablierte Macht, die die bestehende Ordnung aufrecht erhält, wie es Großbritannien zur Zeit des Britischen Imperiums und die USA und die Sowjetunion zur Zeit des Ost- West-Konflikts taten. Seit 1990 sind die USA die einzige Weltordnungsmacht, doch dieser Zustand - der auch als unipolarer Moment bezeichnet wurde - ist ein vorüber und zu Ende gehender. Es besteht weitgehende Übereinstimmung, dass die Weltmächte der Zukunft USA, China, Russland, Indien und die EU sein werden. Fest steht ebenfalls, dass die unipolare Weltordnung zu Ende geht. Es könnte sogar sein, dass die internationale Ordnung der Zukunft gar keine Weltmächte, im traditionellen Sinne mehr kennt, weil die Regelungs- und Regierungsfähigkeit des Nationalstaates in entgrenzten Räumen zunehmend schwindet. So behauptet bspw. Richard N. Haass in seinem neusten Essay für Foreign Policy gar, dass wir in einem Jahrhundert der Nichtpolarität lebten. Dies bedeute, dass die Nationalstaaten ihr Machtmonopol verloren haben und zunehmend Konkurrenz von oben (regionale und globale zwischenstaatliche Organisationen), von unten (z.B. Milizen) und von der Seite (NGOs und multinationale Unternehmen) bekommen. Von klassischer Multipolarität könne daher keine Rede mehr sein, da es fortan diverse Machtzentren, zahlreiche Akteure und eine eher breite statt konzentrierte Machtverteilung gäbe. (...)
Veröffentlicht: 
Peking, 15.05.2008

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