Chance für Neuanfang
Die radikal-islamische Hamas, die die Existenz des Staates Israel ablehnt, hat die freien, fairen und demokratischen Wahlen in den Palästinensischen Autonomiegebieten am 25. Januar gewonnen. Aufgrund des Wahlrechts hat die Bewegung 74 der 132 Parlamentssitze errungen, obwohl sie lediglich 43 Prozent der abgegebenen Stimmen erhielt. Präsident Abbas hat jetzt Ismail Haniyeh mit der Regierungsbildung beauftragt. Haniyeh gilt als vergleichsweise pragmatischer Hamas-Politiker. Er hat zusammen mit Präsident Abbas den Waffenstillstand verhandelt und verabredet. Jetzt bleiben ihm fünf Wochen Zeit, um ein Kabinett zu bilden. Der Wahlsieg der Hamas ist ein tiefer Einschnitt für Palästina, Israel und den Mittleren und Nahen Osten. Er birgt Risiken, aber auch Chancen. Heute kann noch niemand absehen, was die Zukunft bringen wird. Es kann sein, dass eine dritte Intifada ausbricht, Israel militärisch massiv reagiert und ein Bürgerkrieg in Palästina aufflammt. Allerdings ist auch nicht ausgeschlossen, dass eine Beteiligung oder Alleinregierung der Hamas deeskalierend wirkt. Radikale Thesen lassen sich in der Opposition und damit der politischen Verantwortungslosigkeit mit viel Verve publikumswirksam vertreten. Doch wenn aus Radikalen Bürgermeister, aus Terroristen Abgeordnete und Minister werden, wandelt sich Radikalität oft zu Pragmatismus ? allein schon um des eigenen Machterhaltes wegen. (...)
Veröffentlicht:
Braunschweiger Zeitung, 27.02.2006