Washingtons neue Iran-Politik
Die diplomatischen Bemühungen um die Beendigung der iranischen Atomkrise könnten zur Wasserscheide für die internationale Politik werden. Sollte der jüngste Verhandlungsvorschlag scheitern, drohen dramatische Konsequenzen: Der Atomwaffensperrvertrag, der unterm Strich die Verbreitung neuer Nuklearwaffenstaaten erschwert hat, würde in absehbarer Zeit wertlos. Weitere Länder im Nahen und Mittleren Osten wie Ägypten oder Saudi-Arabien dürften dann ebenfalls nach Atomwaffen streben. Die Folgen wären ein Rüstungswettlauf und zahlreiche Instabilitäten in den regionalen Beziehungen. Sollte es hingegen gelingen, den Iran an den Verhandlungstisch zurückzubringen und am Ende ein akzeptables Ergebnis zu erreichen, könnten weitere Krisen in der Region und darüber hinaus geregelt werden. Das ist die Alternative.
Das tief greifende Ereignis der vergangenen Wochen ist allerdings die Rückkehr der US-Außenpolitik zu Diplomatie, friedlicher Koexistenz und Geduld. Die indirekte Anerkennung des politischen Systems des Iran und damit die Abkehr von der "Achse des Bösen" symbolisieren einen grundlegenden Wandel. Bisher hatten die USA abseits gestanden. Dabei ist die Weltmacht durch ihre militärische Präsenz, aber vor allem durch gemeinsame historische Erfahrungen und Verletzungen die Bezugsgröße für die iranische Politik. Seit einigen Jahren plädieren europäische Politiker nachdrücklich für eine aktive diplomatische Rolle der USA, zuletzt Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Der Politikwechsel in Washington hat mit den verheerenden Erfahrungen im Nachkriegs-Irak zu tun, mit dem massiven Ansehensverlust im Ausland, aber auch mit der Legitimationskrise im Inneren. Meinungsmacher und Politiker in den USA sprechen sich seit Wochen öffentlich für eine Beteiligung an den Iran-Gesprächen aus. Zudem scheint die Bush-Administration zu der Erkenntnis gelangt zu sein, dass eine erneute "Koalition der Willigen" im Fall Iran nicht bereit stehen wird. Einige europäische Regierungen, die sich noch am Krieg gegen den Irak beteiligt haben, sind mittlerweile nicht mehr im Amt. Und auch der britische Premier könnte eine weitere Kriegsbeteiligung im eigenen Land schwerlich durchsetzen. Nicht zuletzt werden auch die Haltung Russlands und Chinas ihre Wirkung gehabt haben. Ohne ein überzeugendes, umfassendes und glaubhaftes Angebot an den Iran wäre ein Veto eines oder beider Länder gegenüber einer bindenden Resolution des Sicherheitsrates unausweichlich. Die so oft beschworene Handlungsfreiheit wäre als Trugbild entlarvt worden.
Somit unterstützt die Weltmacht im Fall Iran aus unterschiedlichen Erwägungen ein multilaterales, nachvollziehbares und regelgeleitetes Verhalten. Sollte dieses Vorgehen erfolgreich sein, wäre dies eine wichtige Voraussetzung, um gemeinsam mit Europa auch andere internationale Krisen friedlich zu bewältigen.