Publikationen

Die Mär vom „deutschen Drückeberger“: Ein Einwurf wider die „Bellizisten“ in Publizistik, Politik und Wissenschaft

Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik hat bei der Mehrheit der Mitglieder der sicherheitspolitischen Community und bei vielen Leitartiklern der Hauptstadtpresse derzeit keinen guten Ruf. In der Diagnose sind sie sich einig: Deutschland „verzwerge“ sich ohne Not selbst, wäre gerne eine „Art große Schweiz“ und weigere sich, außen- und sicherheitspolitische Führung zu übernehmen. Die Bundesregierung gebe zwar „kluge“ Kommentare vom Seitenrand ab, drücke sich ansonsten aber vor ihrer „weltpolitischen Verantwortung“. Lediglich der Grad an Heftigkeit der Vorwürfe und die Adressaten unterscheiden sich. Da ist, speziell an die Adresse von Linkspartei und SPD gerichtet, die Rede von „Drückebergerei“ und vom sicherheitspolitischen „Trittbrettfahrer“, der sich von den Partnern im Bündnis die Kastanien aus dem Feuer holen lässt und hinterher alles besser weiß. Darüber hinaus werden neutralistische oder – aus dieser Perspektive noch schlimmer – pazifistische Sonderwege und mangelnde Führungsbereitschaft und Bündnistreue diagnostiziert. (...)
Veröffentlicht: 
In: Barbara Lippert/Günter Maihold (Hrsg.), Krisenlandschaften und die Ordnung der Welt, SWP-Studie, Berlin, September 2020, S. 47-50.

Nukleare Teilhabe – ein überholtes Konzept

Eine offene Debatte über die Rolle der Nuklearwaffen, die Nuklearstrategie der NATO und der in Deutschland und Europa stationierten amerikanischen Atomwaffen ist längst überfällig. Und dies nicht nur, weil in Berlin bis 2025 die Entscheidung über ein Nachfolgeflugzeug des potentiellen Trägersystems Tornados ansteht. Wir agieren und diskutieren immer noch in den veralteten und überkommenen Abschreckungskategorien des Kalten Krieges. Dabei sind wir mit einer neuen nuklearen Ordnung konfrontiert, die weit komplexer, unübersichtlicher und vor allem gefährlicher ist, als das relativ stabile „Gleichgewicht des Schrecken“, welches im Übrigen bei weitem nicht so sicher war, wie es im Nachhinein vielen scheinen mag. Man stelle sich nur kurz einmal vor, während der Kuba-Krise 1962 wären Donald Trump und Wladimir Putin die verantwortlichen Akteure auf beiden Seiten gewesen! Wir sehen uns heute zunehmend mit neuen nuklearen Akteuren (Nordkorea, Indien, Pakistan, Israel) und der Gefahr der Proliferation (Iran, Türkei) konfrontiert. Hinzu kommen die technologische Modernisierung ( Mini Nukes , Cyberwar , Drohnen, Überschallwaffen etc.) und eine Vermischung von konventionellen und nuklearen Abschreckungssystemen. Eine immer unübersichtlichere Gemengelage, die äußerst gefährlich ist. (...)
Veröffentlicht: 
In: WeltTrends, September 2020, S. 68-70.

Wir brauchen eine offene und ehrliche Debatte

Für meine Forderung nach einer offenen und ehrlichen Debatte über die Zukunft der nuklearen Teilhabe, habe ich viel Zuspruch erhalten - erwartungsgemäß aber auch Kritik. Dabei ist die Forderung nicht neu: Schon 2009 wurde formuliert, dass im Zusammenhang mit abrüstungspolitischen Initiativen und der Ausarbeitung eines strategischen NATO-Konzepts, „ wir uns im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten dafür einsetzen (werden), dass die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden. “ Damals gab es keine öffentliche Aufregung über die Vereinbarung, die im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP niedergelegt wurde. Und erst recht gab es keine Debatte, ob mit dieser Festlegung die Bündnistreue der schwarz-gelben Koalition noch gegeben sei. (...)
Veröffentlicht: 
In: Die Bundeswehr, Juni 2020, S.11

Die neue Normalität - auch für unsere Demokratie

In der Coronakrise war zunächst schnelles Handeln der Regierung wichtig. Jetzt wird das Parlament deren Entscheidungen überprüfen, debattieren und falls nötig korrigieren - denn hier schlägt das Herz unserer Demokratie. Unser Land befindet sich seit Wochen im Ausnahmezustand, auch wenn wir in den vergangenen Tagen unserem gewohnten Leben wieder ein Stück nähergekommen sind. Die Sehnsucht nach Normalität ist überall greifbar. Doch: Was ist normal, heute und morgen? Das zu beantworten, ist vor allem die Aufgabe des Parlaments. In den nächsten Wochen werden entscheidende Weichen für unsere Zukunft gestellt: Bundeshaushalt, nachhaltige Wachstumsimpulse in Deutschland, sozialer und wirtschaftlicher Neustart in Europa - am Deutschen Bundestag führt hier kein Weg vorbei. (...)
Veröffentlicht: 
Spiegel.de, 28.05.2020

Germany and nuclear sharing

In an interview, I expressed my opposition to extending technical nuclear sharing and replacing the US tactical nuclear weapons stationed in Büchel with new atomic warheads. As expected, I was criticised for this, but also received a lot of support. What I would like is an open and honest debate about the rationale for nuclear sharing, not least because it is time to decide on a new delivery system – and in light of the fact that the US is toying with the idea of using low-yield nuclear weapons at an early stage in a war. Such a debate should be a matter of course in a democracy; and in the interest of our allies and partners in NATO in particular. The German Social Democratic Party (SPD) remains committed to a strong transatlantic alliance and is also still in favour of political participation in the Nuclear Planning Group – along with 25 other non-nuclear NATO countries, some of which have ruled out the stationing of nuclear weapons on their territory during peace time. We are aware of the fact that the German armed forces ( Bundeswehr ) are in need of a replacement for the ageing Tornado combat aircraft. We are not calling for the immediate denuclearisation of NATO. Instead, we are, above all, calling for new initiatives and discussions on disarmament and arms control, such as those that German Foreign Minister Heiko Maas has already set in motion with great commitment in the context of the United Nations and with the Stockholm Initiative. (...)
Veröffentlicht: 
IPG-Journal.eu, 15.05.2020

Deutschland und die nukleare Teilhabe

In einem Interview habe ich mich dafür ausgesprochen, die technische nukleare Teilhabe nicht weiter zu verlängern und die in Büchel lagernden taktischen US-Nuklearwaffen nicht durch neue atomare Sprengköpfe zu ersetzen. Es gab erwartungsgemäß Kritik, aber auch viel Zuspruch. Mir geht es um eine offene und ehrliche Debatte über die Sinnhaftigkeit der nuklearen Teilhabe – zumal die Entscheidung über ein neues Trägersystem ansteht und angesichts der Gedankenspiele der USA, in einem Krieg frühzeitig Atomwaffen mit geringer Sprengkraft einzusetzen. Dies sollte in einer Demokratie eine pure Selbstverständlichkeit sein – gerade auch im Interesse unserer Verbündeten und Partner in der NATO. Die SPD bekennt sich weiterhin zur Verankerung im transatlantischen Bündnis und sie ist auch weiterhin für die politische Teilhabe im Rahmen der Nuklearen Planungsgruppe – zusammen mit 25 weiteren nicht-nuklearen NATO-Ländern, die teilweise die Stationierung von Atomwaffen in Friedenszeiten auf ihrem Territorium ausgeschlossen haben. Uns ist bewusst, dass die Bundeswehr ein Nachfolgekampfflugzeug für die altersschwachen Tornados braucht. Wir fordern nicht die sofortige Denuklearisierung der NATO. Wir fordern vielmehr vor allem neue Initiativen und Gespräche zur Abrüstung und Rüstungskontrolle, wie sie von Außenminister Heiko Maas mit großem Engagement im Rahmen der Vereinten Nationen und mit der „Stockholm-Initiative“ bereits auf den Weg gebracht wurden. (...)
Veröffentlicht: 
IPG-Journal.de, 07.05.2020

Neuer Schwung statt Selbstblockade

Wenn Deutschland am 1. Juli 2020 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, sind die Erwartungen hoch. Nach dem Austritt Großbritanniens kommt Deutschland als größtem und wirtschaftlich stärkstem EU-Mitglied eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt und die Fortentwicklung der Europäischen Union zu. Wir wollen die EU-Ratspräsidentschaft in enger Zusammenarbeit mit der neuen EU-Kommission und dem Europäischen Parlament dazu nutzen, um endlich die schon oft angekündigte Finanztransaktionssteuer und eine gerechte internationale Mindestbesteuerung einzuführen, die sicherstellt, dass auch große Konzerne ihren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Wir streben einen europäischen Mindestlohn und eine Arbeitslosenrückversicherung an, um wirtschaftliche Krisen solidarisch abzusichern. Damit die Steuerzahler nie wieder für Bankverluste haftbar gemacht werden können und die Banken besser kontrolliert werden, hat Olaf Scholz einen Vorstoß unternommen, um die europäische Bankenunion zu vollenden. (...)
Veröffentlicht: 
Vorwärts-Spezial, 1/2020, S. 7

Wir können Mehrheit

Es war der 15. November 1959, Stadthalle Bad Godesberg: Drei Tage lang hatte der SPD-Parteitag leidenschaftlich über ein neues Grundsatzprogramm diskutiert. Sollten sich die Sozialdemokraten wirklich, wie die Parteireformer forderten, vom Marxismus abwenden, auf die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien verzichten, eine freie Partnerschaft mit den Kirchen anstreben? Zwei alternative Entwürfe und knapp 200 Änderungsanträge lagen auf dem Tisch. Trotz dieser Zerreißprobe stimmten am Ende nur 16 Delegierte gegen das neue Programm. In dem bekannte sich die SPD zur Marktwirtschaft und zur Landesverteidigung, sie betonte ihre Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität und verabschiedete sich von marxistischen Theoriegebäuden, von "letzten Wahrheiten" und sozialistischen Endzielen. Den Kapitalismus akzeptierte sie, um ihn sozial gestalten zu können. "Die Sozialdemokratische Partei ist aus einer Partei der Arbeiterklasse zu einer Partei des Volkes geworden", heißt es im Godesberger Programm. (...)
Veröffentlicht: 
Der Tagesspiegel, 14.11.2019

Rettet den Multilateralismus!

„Die Globalisierung von Gefahren und Herausforderungen – Krieg, Chaos, Selbstzerstörung – erfordert eine Art 'Weltinnenpolitik'.“ Aus der Einleitung zum Nord-Süd-Bericht, 1980 Weltinnenpolitik Der deutsche Philosoph und Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker fasste bereits 1963 die Antwort auf die den Erdball umspannenden Vernetzungen unter dem Begriff der „Weltinnenpolitik“ zusammen. Heute gehört sie als „ Global Governance “ zum Standardvokabular der internationalen Diplomatie. Tatsache ist: Aufgrund der wirtschaftlichen, technologischen und auch politischen Interdependenzen kann kein Staat heute mehr alleine auf die globalen Herausforderungen reagieren. Wir sind auf regionale und globale Zusammenarbeit schlicht angewiesen. Für viele Bereiche ist die Zeit der nationalen Außenpolitik fast Vergangenheit. Das „ Global Village “ verlangt neue Methoden der Politik. Ob wir es wahr haben wollen oder nicht: In den letzten Jahren hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Die Weltinnenpolitik ist insoweit eine Realität, als wir heute mehr denn je Außenpolitik nicht auf rein nationaler Basis betreiben können, sondern von den Gegebenheiten einer interdependenten Welt ausgehen müssen. (...)
Veröffentlicht: 
In: Peter Brandt/Reiner Braun/Michael Müller (Hrsg.), Frieden! Jetzt! Überall!, Frankfurt a.M. 2019, S. 96-102.

USA-Iran-Konflikt: SPD fordert Diplomatie statt Säbelrasseln

Mit jeder neuen Provokation zwischen den USA und dem Iran wächst die Kriegsgefahr. Die jüngste Eskalation ist ein Paradebeispiel für die Fähigkeit von Präsident Trump, Probleme zu schaffen, die er dann zu lösen vorgibt. Die EU muss sich dieser konfrontativen und risikoreichen US-Politik entgegenstellen. Fassungslos und weitgehend ohnmächtig beobachtet ein Teil der internationalen Staatenwelt, wie sich im Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Iran die Fronten immer weiter verhärten. Dazu trägt auch die erratische Politik des amerikanischen Präsidenten bei, der abwechselnd seinen Willen zu direkten Verhandlungen mit der iranischen Führung bekundet, um dem Land kurz danach in einem Tweet, den der iranische Außenminister Sarif als „genozidale Stichelei“ bezeichnete, mit der totalen Vernichtung zu drohen. Und mit jeder weiteren Provokation zwischen Iran und USA wächst die Gefahr, dass es am Ende zu einem (unbeabsichtigten) Waffengang kommt, mit weitreichenden Folgen über die gesamte Krisenregion hinaus. (...)
Veröffentlicht: 
Vorwaerts.de, 29.05.2019

Seiten