Publikationen

Peter Struck: Sein Pfeifenrauch ist verflogen, die Erinnerung bleibt

Das Amt des Verteidigungsminister war ihm auf den Leib geschneidert. Davor und danach führte er die SPD-Bundestagsfraktion als Vorsitzender. Peter Struck hat nicht nur im Bendlerblock Maßstäbe gesetzt, würdigt ihn Rolf Mützenich zum 80. Geburtstag. Es hätte ihn gefreut. Als in diesen Januartagen über die Besetzung des Verteidigungsressorts diskutiert wurde, fiel immer wieder der Name Peter Struck – als Referenzgröße, als Positivbeispiel, wie das Ministerium zu führen sei. Struck, der heute 80 Jahre alt würde, 2012 aber viel zu früh im Alter von 69 Jahren starb, war ein anerkannt guter Verteidigungsminister. Von den Soldatinnen und Soldaten sehr gemocht, von den Verteidigungsexperten des Bundestags geachtet und von den Menschen im Land geschätzt. Peter Struck war dieses Amt auf den Leib geschnitten. Dennoch waren die Jahre von 2002 bis 2005 als IBuK (Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt) nur eine kurze Periode in der langen Politikerkarriere des 1943 in Göttingen geborenen Juristen.(...)
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Vorwärts.de, 24.01.2023

Freundschaft im Dienste Europas

Auch 60 Jahre nach der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags ist die Beziehung zwischen Paris und Berlin wichtig für die EU. Vor 60 Jahren unterzeichneten der französische Staatspräsident Charles de Gaulle und der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer am 22. Januar 1963 den „Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit“ im Salon Murat des Élysée-Palastes in Paris. Der Élysée-Vertrag besiegelte das Ende der jahrhundertealten deutsch-französischen „Erbfeindschaft“ und legte das Fundament für die außergewöhnliche und einzigartige Freundschaft zwischen beiden Ländern im Dienste Europas. Das erste „deutsch-französische Tandem“ bildeten Präsident Valéry Giscard d’Estaing und Bundeskanzler Helmut Schmidt, die mit der Schaffung des Europäischen Währungssystems, der Einführung des Europäischen Rates und der Direktwahl des Europäischen Parlaments bereits in den 1970er Jahren weitreichende integrationspolitische Weichen stellten.(...)
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Frankfurter Rundschau, 18.01.2023

Die Rückkehr der „Geopolitik“

Europa und die Welt sind im Umbruch. Der alte chinesische Fluch „Mögest du in interessanten Zeiten leben“ ist wahr geworden. Wir erleben derzeit, wie eine neue globale Machtstruktur entsteht, in der die alten Gewissheiten über den Haufen geworfen werden. Wir befinden uns in einer Art „Interregnum" im Sinne des italienischen Kommunisten und Philosophen Antonio Gramsci, der damit eine Zeit beschrieb, in der die alten Regeln nicht mehr gelten, neue aber noch nicht gefunden sind. Die liberal-multilaterale Weltordnung, welche die letzten siebzig Jahre währte, zeigt deutliche Risse – ja sogar deren Ende rückt in den Bereich des Denkbaren. Statt eine neue globale Ordnung zu schaffen, in der Staaten gemeinsam die großen Probleme zu lösen versuchen, marschieren viele wichtigen Mächte zurück in die Welt des 19. Jahrhunderts. In dieser Welt der Nationalstaaten betreiben alte und neue Mächte offener denn je pure Interessenpolitik, getrieben von der Suche nach dem kurzfristigen ökonomischen oder machtpolitischen Vorteil. Nicht selten geht es ganz schlicht darum, sich und seine korrupte Clique an der Macht zu halten. Internationale Werte und die uneingeschränkte Gültigkeit von internationalen Abkommen werden zunehmend in Frage gestellt. Statt wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Verflechtung drohen Handelskriege und neue Aufrüstungsrunden.(...)
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In: Hendrik W. Ohnesorge (Hg.), Macht und Machtverschiebung. Schlüsselphänomene internationaler Politik – Festschrift für Xuewu Gu zum 65. Geburtstag. De Gruyter Oldenbourg 2022, S. 405-422.

Das Ende des nuklearen Tabus

Seit der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine hat Präsident Putin mehrmals mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gedroht. Er werde russisches Territorium, einschließlich der am 5. Oktober völkerrechtswidrig einverleibten ukrainischen Gebiete, „mit allen Mitteln“ verteidigen. Das sei „kein Bluff“ fügte er hinzu. Ich rate dazu, diese Drohungen sehr ernst zu nehmen und sich nicht auf die Beschwichtigungen angeblicher Expertinnen und Experten zu verlassen, die die Verhaltensweisen Putins in bester „Putin-Versteher“-Manier glauben vorhersagen zu können. Jede atomare Abschreckungspolitik enthält die Option, Atomwaffen einzusetzen. Niemand will sich das vorstellen – und dennoch kalkulieren die militärischen Doktrinen mit dem Einsatz dieser Waffen. Mithilfe immer kleinerer, zielgenauerer und sofort einsetzbarer Nuklearwaffen planen Militär-Strategen der Atommächte die Kriege der Zukunft. Nicht erst seit dem Ukraine-Krieg sind wir mit einer neuen nuklearen Ordnung konfrontiert, die noch unübersichtlicher und vor allem noch gefährlicher ist, als das sogenannte „Gleichgewicht des Schreckens“ des Kalten Krieges.(...)
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IPG-Journal.de,12.10.2022

Willy Brandt weist den Weg

Am 8. Oktober 2022 jährt sich der Todestag Willy Brandts zum 30. Mal. In Zeiten einer großen Zahl von Kriegen, globaler Verwerfungen und abnehmender Bindungskraft internationaler Regeln und Normen scheint mir das ein guter Anlass zu sein, an die vom ersten sozialdemokratischen Außenminister und späteren Bundeskanzler maßgeblich geprägte deutsche Diplomatie zu erinnern. Die Idee vom „Wandel durch Annäherung“, welche Willy Brandt und Egon Bahr im Zuge der „Neuen Ostpolitik“ entwickelten, steht weltweit für eine Außenpolitik, die Werte und Prinzipien wie Vertrauensbildung, Abrüstung und kooperative Sicherheit mit Realismus verbindet, auf Interessenausgleich und die Verständigung auf Kompromisse setzt und damit selbst in den schwierigsten Momenten Dialogmöglichkeiten und diplomatische Lösungen eröffnete.(...)
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Frankfurter Rundschau, 06.09.2022

Mützenich: Russland hat unsere außenpolitischen Gewissheiten zerstört

Für Rolf Mützenich, den Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, ist klar: Auf absehbare Zeit wird es Sicherheit in Europa nur vor und nicht länger mit Russland geben können. Der russische Angriffskrieg habe die europäische Friedensordnung zerstört. Der 24. Februar 2022 war ein Zeitenbruch in der Geschichte unseres Kontinents. Mit dem völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf die Ukraine ist der Krieg nach Europa zurückkehrt. Seither hat sich vieles geändert: Bundeskanzler Olaf Scholz hat in seiner historischen Zeitenwende-Rede am 27. Februar einen beispiellosen Kurswechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik eingeläutet. Die Bundesregierung liefert im Einklang mit der UN-Charta in großem Umfang Waffen zur Selbstverteidigung an die Ukraine und hat gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten nunmehr sechs Sanktionspakete gegen Russland verabschiedet. Vor wenigen Wochen hat die SPD-Fraktion schließlich gemeinsam mit einer großen Mehrheit im Bundestag das Sondervermögen „Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit Deutschlands auf den Weg gebracht – und damit den ersten Teil der „Zeitenwende“ mit Leben gefüllt.(...)
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Vorwärts.de, 30.06.2022

Zwischen Wandel und Kontinuität

Die Zeitenwende in Folge des Ukraine-Krieges verändert nicht nur Deutschland. Doch auch die neue Weltordnung braucht Kooperation und Friedenssicherung Das Jahr 2022 wird als tiefe Zäsur, vielleicht sogar als Zeitenbruch in die europäische Geschichte eingehen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine am 24. Februar markiert den Beginn eines grundlegenden Paradigmenwechsels der europäischen Sicherheits- und Friedensordnung – mutmaßlich sogar der Welt- und Wirtschaftsordnung. Nur dreißig Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und der Unterzeichnung der Charta von Paris steht Europa vor den Trümmern von Michail Gorbatschows „gemeinsamem Haus“ und der damit verbundenen Idee kooperativer und kollektiver Sicherheit in Europa. Putins Invasion stellt viele bisherige Gewissheiten und Grundannahmen infrage.(...)
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IPG-Journal.de, 14.04.2022

Egon Bahrs Vermächtnis

" Die Entwicklung, in der sich die Welt heute befindet, ist Wahnsinn. Der Sinn dessen, was geschieht, folgt der Logik, durch neue Waffensysteme Macht, Einfluss und Sicherheit zu schaffen. Aber es ist eben ein Wahn, auf diese Weise Stabilität und Frieden erreichen zu können. Sinn und Wahn ergänzen sich zu Wahnsinn. " (Egon Bahr) [1] Egon Bahr war zweifelsohne eine der Persönlichkeiten, die mich mit am meisten beeindruckt haben. Als abrüstungs- und außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion wurde ich zeitweise einmal im Monat zum Gespräch mit dem großen alten SPD-Strategen gebeten. Bei diesen Gesprächen, die in der Regel in seinem Büro im Willy-Brandt-Haus stattfanden, erklärte Egon mir immer, was seiner Meinung nach falsch laufe und wie man es richtig machen müsse. Auch wenn ich nicht immer seiner Meinung war, möchte ich diese Gespräche nicht missen. Ich habe dabei viel gelernt. Dabei amüsierte und irritierte mich manchmal auch Egons Eigenheit, nahezu alle Ausführungen in drei Unterpunkte zu gliedern: Erstens! Zweitens! Drittens! Auch wenn er bisweilen das „Drittens“ vergaß, bewies er auch mit den ersten beiden Punkten seine nach wie vor beeindruckenden Analysefähigkeiten. Egon fehlt mir!
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In: Peter Brandt, Hans-Joachim Gießmann, Götz Neuneck (Hg.), "...aber eine Chance haben wir": Zum 100. Geburtstag von Egan Bahr, Dietz 2022, S. 298-309.

Für eine konsequente Aufarbeitung des Scheiterns in Afghanistan

Die Lage in Afghanistan bleibt weiterhin dramatisch und obwohl die Evakuierungen von deutschen Staatsangehörigen und afghanischen Ortskräften auf Hochtouren laufen, gibt es noch lange keinen Grund zur Entwarnung. Beschönigungen helfen nicht: Die internationale Gemeinschaft, die Bundesregierung und unsere Geheimdienste aber auch andere haben die Lage verkannt und falsch eingeschätzt. Spätesten seit dem Abkommen von Doha (bei dem Donald Trump im Februar 2020 offizielle Verhandlungen mit den Taliban unter Ausschluss der afghanischen Regierung führte und zugleich auch noch das konditionslose Abzugsdatum auf Ende April 2021 festlegte) war klar, dass der Afghanistan-Einsatz gescheitert ist und die USA auf dem „Friedhof der Imperien“ das Schicksal ihrer britischen und sowjetischen Vorgänger erleiden werden.. US-Präsident Biden musste das vergiftete Erbe von Trumps Abkommen mit den Taliban übernehmen und diese mussten nur noch abwarten. Aus innenpolitischen Gründen hat Biden sich entschieden, an dem Abzug festzuhalten. Fatal war, dass das Zeitfenster für den Abzug viel zu klein war und damit die Entwicklung nicht mehr steuerbar. Mehr noch: Deutschland und die übrigen NATO-Partner haben wieder einmal erfahren müssen, dass der amerikanische Partner am Ende – NATO-Konsultierungen hin oder her – doch seine eigenen (Abzugs-)Entscheidungen trifft und die Verbündeten damit vor vollendete Tatsachen stellt. (...)
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Hauptstadtbrief, 21.08.2021

Für eine starke Justiz

Der Pakt für den Rechtsstaat hat der Justiz und dem Rechtswesen im Allgemeinen starken Aufwind gegeben. Diesen Schwung wollen wir nutzen, um die notwendige Modernisierung in allen Bereichen voran zu treiben. Hierfür bedarf es einer umfassenderen Betrachtung des Status quo. Ein demokratischer Rechtsstaat, dem die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen entgegenbringen, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine von Menschen hart erarbeitete und verteidigte Errungenschaft. Gerade in Zeiten, in denen der Fokus besonders auf den staatlichen Institutionen liegt, zeigt sich, wie robust und effektiv diese sind – und wo Verbesserungsbedarf besteht. 2019 haben wir mit dem Pakt für den Rechtsstaat wichtige Maßnahmen beschlossen und damit Verbesserungen vorangetrieben. Innerhalb von vier Jahren wurden in den Ländern über 2.000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen. Gleiches gilt für die Stellen in der Bundesjustiz. Die große Personallücke, die sich über Jahre in der Justiz aufgetan hat, konnte damit verkleinert werden.(...)
Veröffentlicht: 
Deutsche Richterzeitung, Heft 7-8/2021, S. 269.

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