"Jetzt politisch initiativ werden"
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Syrien zerfällt, Tod und Verzweiflung sind gegenwärtig - wir erleben tagtäglich schreckliche Bilder aus diesem Land, aus der Region. Aber das ist kein Schicksal des Landes. Es ist von Menschenhand gemacht, und deswegen kann es der Mensch, wenn er es will, auch verändern. Ich finde, wir sollten alles tun, um den Weg zu bereiten, das Schicksal dieser Menschen zu verbessern. Wir haben heute Morgen bereits über das Thema Flüchtlinge gesprochen. Ich will noch einmal daran erinnern, dass die Bundesregierung, aber auch andere Regierungen in Europa und darüber hinaus im vergangenen Herbst in Deutschland zusammengekommen sind, um die Situation der Nachbarländer in den Fokus zu nehmen, Geld in die Hand zu nehmen und letztlich Hilfe gegenüber dem Libanon, Jordanien und dem Irak anzubieten.
Zum Zweiten. Auch wenn mir vieles bei der Politik der gegenwärtigen türkischen Regierung und des türkischen Präsidenten nicht gefällt, ist zu sagen: Dieses Land beheimatet 2 Millionen Flüchtlinge und hat bisher 8 Milliarden Euro für deren Unterbringung, für deren Gesundheit und andere Dinge aufgewandt.
Zum Dritten. Es ist gut, dass wir im Deutschen Bundestag die Mittel für die humanitäre Hilfe erhöht haben, dass die Europäische Union für das World Food Programme, das Welternährungsprogramm, mehr Mittel bereitgestellt hat, genauso der UNHCR. Dank an die Bundesregierung und an den Deutschen Bundestag, der in der Vergangenheit den Institutionen immer wieder Mittel zur Verfügung gestellt hat.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen gibt es jetzt die Möglichkeit, politisch initiativ zu werden.
Ich möchte von den Überschriften der letzten Tage auf ein anderes Thema kommen. Ich will gar nicht so sehr über Russland sprechen, sondern über das, was die Bundesregierung gemeinsam mit anderen Regierungen geschafft hat, nämlich die Vereinbarung des Atomabkommens mit dem Iran. Es ging nicht allein darum, eine mögliche Atomkrise zu beherrschen, sondern darum, dieses Land wieder in die internationale Gemeinschaft zurückzuholen. Der Historiker Jürgen Osterhammel, den die Bundeskanzlerin zu ihrem Geburtstag eingeladen hat, sagte zu Recht: Vielleicht war 1979, als sich der Iran auf den Weg gemacht hat, wieder eine besondere Bedeutung in der Region zu bekommen, ein epochales Datum. Deswegen ist es jetzt den Versuch wert, den Iran daran zu messen und zu fragen, ob er weiterhin Verantwortung tragen und auf diejenigen Einfluss nehmen will, die für das Blutvergießen in Syrien verantwortlich sind. Wir müssen den Iran fragen, ob er bereit ist, in der internationalen Gemeinschaft mitzuwirken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gibt weitere hoffnungsvolle Anzeichen. So war es ein gutes Zeichen, dass es zur Vernichtung der Chemiewaffen in Syrien eine Resolution des Sicherheitsrates gegeben hat. Ich glaube im Nachhinein - vielleicht sehen die Vertreter und Vertreterinnen der Linkspartei das auch so -, der gesamte Deutsche Bundestag hätte gut daran getan, der Vernichtung der Chemiewaffen zuzustimmen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die neue Resolution des Sicherheitsrates über weitere Erkundungen in Syrien bietet Gelegenheit, hier anzuknüpfen. Wir ermutigen die Bundesregierung, insbesondere den Bundesaußenminister, in New York alles zu unternehmen, um mit den Vereinten Nationen weiter an dieser Frage zu arbeiten; denn die Situation ist gefährlich. Sie ist gefährlich, weil noch immer die militärische Logik im Vordergrund steht ? in Russland, aber auch bei den anderen Beteiligten. Ich erinnere gerne daran, dass es ein Irrtum ist, zu sagen: Nur wenn wir den IS bekämpfen, werden wir die Flüchtlingsströme stoppen. Wahrscheinlich geht es insbesondere darum, Assad daran zu hindern, weiter Fassbomben zu werfen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Gerade deswegen sollten wir an den Iran und andere Länder appellieren.
Selbst wenn es aber zu einer Verabredung auf internationaler Bühne in den nächsten Monaten, vielleicht auch erst in den nächsten Jahren kommen wird, heißt das nicht, dass sich die Verantwortlichen vor der internationalen Strafjustiz verstecken dürfen. Das darf nicht die Verabredung sein. Dies sage ich zumindest für meine Fraktion sehr deutlich. Es gilt das Statut von Rom; letztlich gilt auch das deutsche Völkerstrafgesetzbuch. Daran ist zu erinnern.
Wir stehen in der Tat vor einem Dilemma. Das sehen wir jeden Tag; die Bundeskanzlerin hat es heute Morgen noch einmal gesagt. Aber wir müssen aus diesem Dilemma die richtigen Konsequenzen ziehen, nämlich der Diplomatie noch stärker zum Durchbruch verhelfen, damit es Waffenruhen, Waffenstillstand und vielleicht irgendwann auch wieder Frieden in Syrien geben kann.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.