Plenarrede zur Vereinbarten Debatte“ G-7-Gipfel in Kanada – Deutschlands Einsatz für eine robuste und regelbasierte Weltordnung“

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Darbietung des amerikanischen Präsidenten Trump beim G-7-Gipfel mag unverfroren sein, aber sie steht augenfällig auch für den Zustand westlicher Regierungsformate. Nach dem, was man eben hier gehört hat, mag das einige freuen. Aber ich muss Ihnen sagen: Es ist weder im nationalen noch im europäischen Interesse, wenn wir uns darüber freuen, dass eine Weltordnung, von der Deutschland, aber auch Europa proftiert hat, mit einem Präsidenten Trump zu Ende geht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist es angemessen, dass wir heute darüber reden und insbesondere hinterfragen, was die Motive von Trump sind.

Mein Eindruck ist: Es sind innenpolitische Motive, es geht um die Mobilisierung und den Beifall seiner Anhängerschaft und die Zerstörung der internationalen Ordnung. Ob er erfolgreich sein wird in den nächsten Jahren, hängt nach meinem Dafürhalten von zwei Entwicklungen ab: Eine Entwicklung betrifft die USA selbst. Ich bin durchaus an dem interessiert, was in den USA passiert: Die jungen Menschen versuchen, gegen die Waffengesetze vorzugehen; es gibt eine #MeToo-Bewegung, und es gibt Richterinnen und Richter sowie Medien, die versuchen, den innenpolitischen Zerreißprozess, der mit diesem Präsidenten verbunden ist, aufzuhalten. Die Frage ist: Werden die Demokraten die richtigen Schlussfolgerungen ziehen?

Aber es ist nicht nur eine innenpolitische Frage, sondern insbesondere eine Frage an die Partner – und wir wollen weiterhin Partner sein –: ob sie mit Haltung, mit Argumenten und mit Handlungen versuchen, ihn auf dem Weg, der mit dieser Präsidentschaft verbunden ist, so gut wie möglich aufzuhalten.Dazu gehört erstens die Auseinandersetzung um das Thema Handel. Ich glaube, auf der einen Seite Gegenmaßnahmen innerhalb der Europäischen Union zu beschließen und auf den Weg zu bringen, aber auf der anderen Seite für Gespräche weiterhin bereit zu sein, ist der richtige Weg.

Der zweite Punkt ist, Provokationen entgegenzutreten. Ich finde, das, was sich der amerikanische Botschafter in Deutschland in der vergangenen Woche hier geleistet hat, ist zu Recht eine Bemerkung aus dem Bundestag, aber genauso aus der Bundesregierung wert. Wir haben die Bundeskanzlerin in der Befragung gefragt, ob nicht möglicherweise eine eigene Bemerkung beim G-7-Gipfel dazu notwendig ist. Aber – an die Bundesregierung und den Gesundheitsminister gerichtet – ein privat deklariertes politisches Techtelmechtel reicht aus meiner Sicht überhaupt nicht aus, dieser Provokation entgegenzutreten, sondern befördert sie eher.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der dritte Punkt ist, mit Partnern Differenzen zu lösen. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung in der Ukraine, aber auch in Russland Vorschläge zu Nord Stream gemacht hat. Aber ich finde genauso richtig: Man darf nicht dem Diktat des Handlungsreisenden Trump in Sachen Flüssiggas und insbesondere Rüstungsindustrie nachkommen. Das gehört genauso zu einer selbstbewussten deutschen, aber auch europäischen Außenpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Aber wenn wir über G 7 sprechen, dann geht es um mehr. Es geht darum, dass wir uns darüber klarwerden, dass die internationale Ordnung nicht nur durch Trump, durch Putin, durch Erdogan und durch viele andere herausgefordert wird; das sind im Grunde genommen nur Einzelpersonen. Vielmehr geht es letztlich darum, dass sich die Struktur auf der internationalen Ebene ändert. Ich glaube, es war kein Zufall, dass sich fast parallel zum G-7-Treffen die Schanghai-Kooperation getroffen hat, die Volksrepublik China sozusagen an ihrer Spitze, die im Grunde genommen versucht, die internationale Ordnung in Asien zu konzentrieren und dort ihren Einfuss wirken zu lassen. Asien trägt heute 50 Prozent zum derzeitigen Weltwirtschaftswachstum bei. In zwei Ländern Asiens lebt ein Drittel der Weltbevölkerung. Dass Asien in Zukunft das Zentrum der internationalen Ordnung sein wird, ist vor dem Hintergrund des G-7-Treffens von Bedeutung.

Weitere strukturelle Faktoren, die deutlich werden, sind auf der einen Seite die nachholende Entwicklung in einigen Ländern Asiens, teilweise auch in einigen Ländern Lateinamerikas und auf der anderen Seite der Staatszerfall. Das korrespondiert zusätzlich mit dem, was wir auf dem G-7-Gipfel erlebt haben, dass nämlich zu wenig über Klima, über die Frage von Rohstoffverteilung, die Frage von Flucht und der Eingrenzung von Kriegen gesprochen wird. Gleichzeitig sehen wir leider auch, dass es eine Rückkehr von Geopolitik gibt.

Deswegen glaube ich: „Die Welt aus den Fugen“ ist die richtige Beschreibung, aber am Ende reicht diese Beschreibung nicht aus. Die Welt ordnet sich neu. Meine Damen und Herren, wir haben gar keine andere Wahl, als uns auf Europa zu konzentrieren; denn wenn wir in dieser neuen internationalen Ordnung vorkommen wollen, können wir es nur mit Partnerinnen und Partnern an unserer Seite tun – mit den Menschen ebenso wie mit den Regierungen der Länder.

Den Wohlstand mehren, auch den Wohlstand in Deutschland, heißt, Strukturgefälle in Europa abzubauen. Ich bin dankbar, dass der deutsche Außenminister gestern in einer wirklich beachtenswerten Rede diese unterschiedlichen Facetten des europäischen Weges beschrieben hat.

Aber Europa reicht nicht aus. Deutschland hat sich um einen nichtständigen Sitz im Weltsicherheitsrat beworben und ist dort mit einer überwältigenden Mehrheit gewählt worden. Das zeigt: Wir brauchen auf der einen Seite die Gestaltung Europas und müssen auf der anderen Seite die internationale Ordnung auf der Grundlage der Charta der Vereinten Nationen, die uns nach dem Zweiten Weltkrieg zumindest hier, in diesem Teil Europas, in dem wir leben, einigermaßen Frieden gesichert hat, schaffen. Das hat viel mit einer internationalen Ordnung zu tun, die auf Regeln, auf Werten und Verlässlichkeit begründet worden ist. Dafür, fnde ich, lohnt es sich, mit Europa ebenso wie mit den Vereinten Nationen zusammenzustehen.

(Beifall bei der SPD)

Der Koalitionsvertrag gibt Antworten in der Außen-, Sicherheits-, Entwicklungs- und Menschenrechtspolitik. Mir persönlich ist noch mal ganz wichtig, daran zu erinnern: Wir haben uns darüber verständigt, dass Abrüstung ein wichtiges Thema der Mitgliedschaft Deutschlands als nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat ist. Aber – ich sage das sehr deutlich, auch in Richtung der Bundesregierung – auch bei den Rüstungsexporten haben wir klare Vereinbarungen getroffen, gerade bei den Kleinwaffen. Ich erwarte, dass wir als Parlament gemeinsam das, was wir verabredet haben, mit dieser Regierung verwirklichen, auch mit dem Wirtschaftsminister.

 (Beifall bei der SPD – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir auch!)

Der dritte Punkt. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir gegenüber Russland versuchen, nicht nur im Gespräch zu bleiben, sondern auch die Chancen, die sich um Russland herum entwickelt haben – nämlich die regionalen Formate –, schätzen zu lernen, sowohl die Eurasische Wirtschaftsunion als auch die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit. Hier bieten sich Chancen, nicht nur bilateral zusammenzuarbeiten, sondern insbesondere der regionalen Zusammenarbeit zum Durchbruch zu verhelfen – auch im Hinblick auf Asien.

Deswegen sage ich: Heute und in den nächsten Wochen und Monaten beweist sich, ob die Demokratie die überlegenere Form ist, um diese internationale Ordnung mitzugestalten und neu zu bauen.

Vielen Dank

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 14.06.2018
Thema: 
Plenarrede