Plenarrede zum FDP-Antrag "In der EU-Mittelmeerpolitik mehr auf Demokratisierung und Good Governance drängen".
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit über einem Jahrzehnt verfolgt die EU im Rahmen des Barcelona-Prozesses eine multilaterale Nachbarschaftspolitik mit den Mittelmeeranrainern.
Doch der euro-mediterrane Dialog scheint festzustecken. Wesentliche Erfolge der Euro-Mediterranen Partnerschaft sind bis heute ausgeblieben. Abgesehen von Marokko, sind in den südlichen Nachbarländern der EU bisher kaum Fortschritte bei der Demokratisierung und den Menschenrechten erzielt worden
Innerhalb der EU ist man sich zu oft nicht einig, wie mit der Menschenrechtssituation in solchen Ländern umgegangen werden soll, die autoritär regiert werden. Die Glaubwürdigkeit der EU-Mittelmeerpolitik leidet auch darunter, dass oftmals Menschenrechte gegen Zugeständnisse in der Sicherheitspolitik regelrecht eingetauscht werden.
Die Bundesregierung sollte sich daher in Brüssel dafür einsetzen, dass die finanzielle Förderung künftig noch stärker als bisher an deutliche Fortschritte bei der Demokratisierung gebunden wird.
Deshalb ist es auch richtig, dass die EU in Zukunft ihre finanzielle Unterstützung für die südlichen Mittelmeer-Anrainer verstärkt Nichtregierungs-Organisationen zukommen lassen will. Bislang ist nämlich der Aufbau der Zivilgesellschaft in diesen Ländern vernachlässigt worden. Der Anteil der EU-Fördergelder, der den Akteuren der Zivilgesellschaft zugute kommt, muss also deutlich erhöht werden.
Vor allem die Förderung der Bildung muss in den betroffenen Ländern stärker berücksichtigt werden. Der Ausbau von Wissenskapazität ist eine sichere Investition in die Zukunft der Menschen ? vor allem vor dem Hintergrund, dass mehr als ein Drittel der Bevölkerung in den mediterranen Partnerstaaten unter 15 Jahren alt ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Nahost-Konflikt belastet weiterhin die Beziehungen zwischen den Partnern: Bereits nach dem Beginn der zweiten Intifada im September 2000 traten die Grenzen des Dialogs deutlich zu Tage. So boykottierten die syrische und die libanesische Delegation die Ministerkonferenzen von Marseille (2000) und Valencia (2002) und protestierten damit gegen die israelische Besetzung der Palästinensergebiete.
Der Nahost-Konflikt hat sich damit immer wieder als das große Hindernis für den Barcelona-Prozess erwiesen. Hier muss - vor allem auf bilateraler Ebene - klargemacht werden, dass der Konflikt keine Entschuldigung für reformunwillige oder gar -unfähige Regime sein darf.
Natürlich muss sich auch die EU insgesamt weiterhin verstärkt um eine Fortführung des Nahost-Friedensprozesses bemühen. Aber liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP. Wenn Sie in Ihrem Antrag eine Lösung des Nahost-Konflikts als Voraussetzung für Fortschritte im EU-Mittelmeerdialog anmahnen, wieso haben Sie dann gegen den Libanon-Einsatz der Bundeswehr gestimmt, der im Rahmen von UNIFIL einen wichtigen Beitrag hierfür leistet?
Für neue Impulse in der EU-Mittelmeerpolitik ist allerdings auch eine grundsätzliche Reform-Bereitschaft der südlichen EU-Nachbarländer notwendig. Ohne ein verstärktes Engagement der EU werden diese Ziele kaum erreicht werden können.
Doch nicht nur für die EU-Anrainerstaaten des Mittelmeeres sind gute Beziehungen zu den nordafrikanischen Staaten wichtig. Der Mittelmeer-Raum und die Erweiterung sind für die Europäische Union von gemeinsamem Interesse. Der politische Dialog mit diesen Ländern muss auch auf religiöser und kultureller Ebene vertieft werden. Letztlich muss den Menschen in Nordafrika eine wirtschaftliche und soziale Perspektive geboten werden. Und: Die EU-Mittelmeerpolitik wird nur erfolgreich sein, wenn der Nahostkonflikt gelöst wird.
Die Förderung und Achtung der Demokratie, der Menschenrechte, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundfreiheiten sind eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung des Mittelmeerraums.
Ich möchte hier den Forderungskatalog des Europäischen Parlaments ausdrücklich unterstützen, der die Unterzeichner der Europa-Mittelmeer-Assoziierungsabkommen u.a. dazu auffordert, die Menschenrechts- und Demokratieklausel durch ein Aktionsprogramm zur Stärkung und Förderung der Achtung der Menschenrechte aufzuwerten.
Auf einen Punkt möchte ich abschließend besonders hinweisen. Es ist m.E. von besonderer Bedeutung die Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Mittelmeerländern auch im Bereich der Sicherheit fortzusetzen und zu vertiefen. Die Aufnahme von Klauseln über die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen (MVW) in die jüngsten Abkommen und Aktionspläne weist in die richtige Richtung. Langfristig bleibt das Ziel, den Mittelmeerraum zu einem Massenvernichtungswaffenfreien Raum zu erklären.
Dabei darf die künftige Zusammenarbeit sich nicht nur an sicherheitspolitischen oder anderen damit verbundenen Bedürfnissen der Europäischen Union orientieren. Vielmehr muss der Zusammenhang zwischen den drei Bereichen der Zusammenarbeit - Frieden, Handel und Zivilgesellschaft stärker in den Vordergrund gerückt werden.
Angesichts der Schwächen des Barcelona-Prozesses in der Vergangenheit sind der politische Wille und eine pragmatische Betrachtungsweise jetzt mehr denn je Grundvoraussetzungen für das Gelingen der Partnerschaft. Ich stimme deshalb den Kollegen von der FDP insofern zu, dass die Beziehungen zwischen den Mittelmeerländern dringend neue Impulse benötigen und fordere insbesondere alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, sich konzentriert darum zu bemühen, dem Barcelona-Prozess neuen Schwung zu verleihen.
Die Achtung der Menschenrechte, die Stärkung der Demokratie, die bessere Beteiligung der Bürger wie der Zivilgesellschaft an politischen Entscheidungen, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie die Meinungs- und Informationsfreiheit. Auch der Kampf gegen den Terrorismus sowie die Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen sind wichtige Punkte der Nachbarschaftspolitik. Nicht zuletzt gründet sie auf den Prinzipien der Marktwirtschaft und der nachhaltigen Entwicklung.