Plenarrede zur Aussetzung des KSE-Vertrages durch Russland

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gestern war kein guter Tag für die Rüstungskontrolle. Wir bedauern dies und hoffen, dass das Jahr 2008 größere Fortschritte bringt. Die Suspendierung des KSE-Vertrages durch Russland hat die Krise der Rüstungskontrolle nur noch verstärkt. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Kündigung des ABM-Vertrages vonseiten der USA und an die Erosion des Atomwaffensperrvertrages. Dadurch haben sich Fehlentwicklungen in diesem Bereich leider verstetigt. Die Rüstungskontrolle als Instrument für Stabilität und Kooperation gerät in Gefahr: in Europa und insbesondere in den Regionen, die Abrüstung und Rüstungskontrolle brauchen. Weil die betreffenden Länder eigentlich von Europa lernen könnten, ist dies gestern kein gutes Signal gewesen.

Hier ist schon daran erinnert worden, dass es mit dem KSE-Vertrag möglich wurde, 60 000 konventionelle Großwaffensysteme zu beseitigen. In diesem Vertrag wurde eigentlich eine Utopie der 70er-Jahre, insbesondere verbreitet von Egon Bahr, aufgenommen, nämlich die Herstellung der Angriffsunfähigkeit in Europa, sodass man zu einer Offensive nicht mehr in der Lage ist. Deswegen war und ist dieser Vertrag so wichtig. Man muss sagen, dass die Suspendierung des Vertrages durch Russland falsch war; es war ein falsches Signal zur falschen Zeit.

Man muss dies an dieser Stelle so deutlich sagen, weil dadurch die Bemühungen der Bundesregierung erschwert werden. Es war nämlich die Bundesregierung, die in Bad Saarow die ersten Gespräche innerhalb des NATO-Rahmens mit anderen Partnern geführt hat. Leider muss ich sagen, dass auch mein Besuch vor 14 Tagen in Moskau, bei dem ich ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses, Kossatschow, geführt habe, nicht das Ergebnis gebracht hat, das ich mir gewünscht habe, nämlich dass die Suspendierung noch einmal überdacht wird. Das Problem hat - ich glaube, es ist von den Vorrednerinnen und Vorrednern richtig beschrieben worden - zwei Seiten einer Medaille. Es steht für mich außer Frage, dass russische Interessen missachtet oder zumindest gering geschätzt worden sind. Wir müssen uns dieser Einschätzung vorurteilsfrei stellen. Der entscheidende Punkt an dieser Stelle ist, dass Russland mit der Suspendierung den KSE-Vertrag instrumentalisiert hat, was sich irgendwann gegen das Land selbst richten wird. Dieses Problem müssen wir den russischen Akteuren deutlich machen. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass der russische Präsident - möglicherweise der neue russische Präsident - ohne die Duma die Möglichkeit hat, diesen Vertrag wieder in Kraft zu setzen. Dies wäre ein wichtiges Signal. Wir müssen die dann möglicherweise neue politische Führung in Moskau davon überzeugen, von diesem Instrument Gebrauch zu machen.

Wir Sozialdemokraten sind bereit zu einer Ratifizierung des AKSE; dies haben wir immer deutlich gesagt. Ich möchte daran erinnern, dass wir bereits 2005 das damals unter einer anderen Führung stehende Auswärtige Amt gebeten haben, den Prozess einer vorläufigen Ratifizierung einzuleiten. Mit Verweis auf Probleme bei den notwendigen Verfahrensschritten ist dieses Anliegen zurückgewiesen worden. Dennoch bitten wir die Bundesregierung, erneut zu prüfen, ob mit den entsprechenden Kommunikationsmöglichkeiten, die der Staatsminister angedeutet hat, dieses Verfahren durchzuführen ist. Im britischen Unterhaus ist dieses Verfahren gewählt worden, ebenso in anderen Parlamenten. Ich glaube, wir täten gut daran, wenn wir entsprechende Schritte zumindest prüfen würden. Außerdem ist es notwendig, dass wir eine Debatte darüber beginnen, ob ein weiterer Vertrag über die konventionelle Abrüstung in Europa möglich ist. Dieses Ziel wird man wahrscheinlich nicht vor der endgültigen Ratifizierung des AKSE umsetzen können. Auf jeden Fall sollten Vorgespräche laufen. Ich glaube schon, dass das, was in Bad Saarow und in Paris diskutiert wurde und zukünftig an anderer Stelle diskutiert wird, Anhaltspunkte dafür liefern wird, wie wir möglicherweise zu einem KSE-3-Vertrag kommen können.

Der gestrige Tag war ein schlechter Tag für die Rüstungskontrolle. Ich möchte aber auch daran erinnern, dass heute der 40. Jahrestag der Vorlage des Harmel-Berichts ist. Der Harmel-Bericht bedeutete einen wichtigen Fortschritt sowohl für die NATO als auch für Europa. In diesem Bericht wurde auf der einen Seite für Stabilität plädiert, auf der anderen Seite aber auch für Rüstungskontrolle. Ich bin der Bundesregierung sehr dankbar dafür, dass Frank-Walter Steinmeier zusammen mit dem norwegischen Außenminister eine Initiative gestartet hat, die auf
Abrüstung innerhalb der NATO abzielt. Das ist unser Auftrag für 2008.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 13.12.2007
Thema: 
Russland verstärkt die Krise der Rüstungskontrolle