Plenarrede aus Anlass der Aktuellen Stunde zu den Angriffen des israelischen Militärs auf Schiffe des Hilfskonvois für Gaza
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Leider müssen wir erneut - dies war häufig im Hinblick auf den Nahen Osten so - über einen traurigen, schmerzhaften und weitreichenden Vorfall reden. Nachdem endlich indirekte Gespräche zwischen Israel und Palästina unter Vermittlung der USA in Gang gekommen waren, hat der Einsatz von Gewalt wieder vieles infrage gestellt.
Ich sage von dieser Stelle aus eindeutig in Richtung Iran: Wenn es, wie es der Iranische Rote Halbmond angekündigt hat, zu einem solchen Schiffskonvoi - unter Umständen mit Begleitung von Revolutionsgarden - kommen wird, trägt dies zu einer nachhaltigen Eskalation im Nahen und Mittleren Osten bei. Wir sagen klar: Dies lehnen wir ab. Wir bitten, die Konsequenzen zu bedenken.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr van Aken, auch wir beklagen die Toten. Ich hätte mir aber gewünscht, Sie hätten auch an die Verletzten auf beiden Seiten erinnert. Auch dies gehört zur Realität bei diesem schrecklichen Vorfall.
Ich weiß, vieles ist noch ungewiss. Aber schon heute lässt sich sagen: Weder ist durch diesen Einsatz die Sicherheit Israels gestärkt noch ist die humanitäre Situation im Gazastreifen verbessert worden. Beides ist nicht erreicht worden. Ich bedauere, dass die Menschen im Gazastreifen, die so dringend Hilfe brauchen, wieder zum Spielball aller Seiten in diesem Konflikt geworden sind. Ich hätte mir gewünscht, dass man, bevor man eine solche Aktion unterstützt, die Konsequenzen bedacht hätte. Sie waren vorhersehbar.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, der Einsatz des israelischen Militärs war unverhältnismäßig und ist nicht zu rechtfertigen. Dies haben wir von Anfang an gesagt. Ich möchte in diesem Zusammenhang zwei Punkte ansprechen. Die israelische Regierung kann davon ausgehen, dass die Solidarität insbesondere von Deutschland gegenüber Israel unteilbar ist. Aber sie muss über die Konsequenzen ihres Handelns nachdenken und sollte insbesondere den Partnern den Spielraum für ihre Politik nicht verengen. - Das ist die eine Seite.
Zum Zweiten müssen wir der israelischen Regierung klarmachen, dass nicht jede Herausforderung von außen mit Militär beantwortet werden kann und darf. Genau das Gegenteil ist der Fall. Die israelische Regierung muss die Politik befördern. Ich habe es schon einmal an anderer Stelle gesagt: Die Bundeskanzlerin hat die Worte in Richtung Israel mit guten Absichten gewählt. Aber ich glaube, dass sie in der israelischen Regierung missverstanden worden sind. Dies war kein Freifahrschein für eine unkluge Politik. Ich hätte mir gewünscht, man hätte stärker darauf hingewiesen, dass ein solches Handeln wie jetzt vor der Küste des Gazastreifens nicht von uns durch solche Worte mit gedeckt ist.
Wir vonseiten der SPD-Bundestagsfraktion verlangen eine unabhängige, transparente und internationale Untersuchung über den gesamten Verlauf der Aktion. Dies betrifft sowohl die Vorbereitung der Aktion, die Einschiffung, die Fahrt, aber auch die Erstürmung durch israelisches Militär. Dies gehört zusammen; ich finde, das alles muss man sagen. Ich würde mir wünschen, dass das von allen Seiten so gesehen wird. Die Abriegelung des Gazastreifens muss aufgehoben werden. Wir müssen Israel klar sagen, dass die Abriegelung das Gegenteil dessen bewirkt hat, was intendiert war. Man hat weder die Hamas geschwächt, noch hat man offensichtlich den Waffenhandel in diesem Gebiet unterbunden, noch hat man den Soldaten Schalit freibekommen. All das sind Dinge, die wir gegenüber Israel deutlich machen müssen.
Zum Schluss will ich sagen: Wir vonseiten des Deutschen Bundestages, aber auch vonseiten der Bundesregierung müssen alles dafür tun, dass UN-Hilfslieferungen in den Gazastreifen zugelassen werden, ob über den Land- oder den Seeweg. Ich glaube, dass die Europäische Union einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann. Der Vorschlag, dass das Nahostquartett in diesem Zusammenhang wieder eine Rolle spielen kann, kann möglicherweise einen Weg auch für die israelische Regierung bedeuten.
Meine Damen und Herren, ich mache mir Sorgen über die Rolle der Türkei, nicht so sehr deswegen, weil das eine oder andere, was jetzt in der öffentlichen Debatte in der Türkei passiert, möglicherweise eine Rolle spielt. Wir müssen aufpassen, dass wir von hier aus nicht die falschen Signale an die türkische Regierung geben. Die Regierung Erdoğan hat eine Menge Positives für das Verhältnis zu Israel getan. Dazu zählen die Einladung des israelischen Präsidenten in das türkische Parlament, aber auch die Vermittlungsbemühungen zu Syrien. Das sollten wir weiter unterstützen; denn wir brauchen die Türkei in der Bearbeitung des Nahostkonfliktes.
Vielen Dank.