Plenarrede anlässlich der zweiten und dritten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung des illegalen Zustroms von Drittstaatsangehörigen nach Deutschland (Zustrombegrenzungsgesetz)

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

In der Tat, ich habe um das Wort gebeten, und ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen, dass entgegen den parlamentarischen Regeln und auch dem Selbstverständnis dieses Parlaments die Unterbrechung so lange gedauert hat. Aber ich möchte Ihnen auch sagen: Wir, die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, haben dies nicht zu verantworten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Situation ist herbeigeführt worden durch eine Leichtfertigkeit, deren Zeugen wir am Mittwoch hier im Haus gewesen sind. Frau Präsidentin, ich möchte Ihnen auch sagen: Eigentlich wollte ich heute der fachpolitischen Debatte den Vorrang geben.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Nein! Das wollten Sie nicht!)

Aber allein angesichts der angespannten Stimmung hier im Haus und im Land möchte ich zwei grundsätzliche Bemerkungen machen. Sie, Herr Kollege Merz, fordern Gespräche. Dazu sind wir bereit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! – Wilfried Oellers [CDU/CSU]: Das ist an Heuchelei nicht zu überbieten! – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

 – Ja, dazu sind wir bereit. – Diejenigen, die da jetzt ein wenig ihre Besorgnis mitgeteilt haben, sind ja jetzt in einer Situation, in die nicht ich sie gebracht habe, sondern Ihr Fraktionsvorsitzender, weil wir jetzt vier Stunden lang beraten haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Es gab sehr viele gute Gespräche, ernsthafte Gespräche, und ich sage Ihnen: Dazu sind wir bereit. Gespräche unter Demokraten brauchen allerdings neben Vertrauen die Bereitschaft, gleiche Augenhöhe herzustellen.

 (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Diese Voraussetzung wollten Sie leider nicht herstellen. Ich hoffe, dass Herr Merz Ihnen auch das gesagt hat. Sie wollten nämlich diese Gespräche zu Ihren Bedingungen – und das gilt eventuell eben auch für das Ergebnis – führen. Und das geht in einer Demokratie nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Immerzu, Herr Kollege Merz, wollen Sie mit dem Kopf durch die Wand. Aber ich sage es klar: Das Prinzip „Friss und stirb“ muss für immer vorüber sein, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

 Ich sage hier für meine Fraktion – die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist ein souveräner Teil, deswegen will ich der Kollegin Dröge nicht vorgreifen; aber ich glaube, sie wird es ähnlich formulieren –: Wir hätten dem Vorschlag, den der Kollege Dürr gemacht hat, zugestimmt. Ich weiß gar nicht, ob er ihn noch aufrechterhält; er hat ja eben – vielleicht tut er das noch – draußen und nicht im Deutschen Bundestag ein Statement gehalten. Wir hätten der Zurücküberweisung zugestimmt, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

So viel zu der Gesprächsbereitschaft von SPD und Bündnis 90/Die Grünen! Ich sage, „Friss und stirb ist vorbei“, aber eben nicht zu Ihren Bedingungen. Ihr Gesetzentwurf liegt heute hier zur Abstimmung vor. Wenn Sie ihn heute zur Abstimmung stellen wollen, dann ist das Ihre Sache. Wir wären damit einverstanden gewesen, ihn zurückzuüberweisen, aber dann – das haben wir und das habe ich Ihnen gesagt, Herr Kollege Merz – zusammen mit all den notwendigen und wichtigen Sicherheitsgesetzen – auch zur Flüchtlingspolitik und zur Asylpolitik –, die mittlerweile durch eine große Einigkeit auch in Europa hergestellt worden sind.

Ich nenne zum Beispiel GEAS – es ist gut, dass das jetzt hier im Parlament ist –, die Sicherheitsgesetze, die die Union im Bundesrat aufgehalten hat, und das Bundespolizeigesetz. Ich finde, es ist ein gutes Angebot, dies zusammen so zu behandeln.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist doch das, was die Menschen erwarten: nicht Ihre Bedingungen alleine, sondern eine große Möglichkeit, die dieser Bundestag eröffnet, meine Damen und Herren. Herr Kollege Dürr, ich weiß nicht, ob Sie Ihren Antrag aufrechterhalten; Sie werden es ja wahrscheinlich gleich noch sagen. Aber auch Sie wissen – auch das, Herr Merz, habe ich Ihnen gesagt –: Es ist immer gut, wenn man sich auf die erste Demokratie unseres Landes bezieht. Manche Lehre hält sie bereit. – Und ich gebe Ihnen recht, Herr Kollege Merz: Weimar ist auch an der mangelnden Geschlossenheit der Demokraten gescheitert. Aber Weimar ist auch deshalb gescheitert, weil das Obrigkeitsdenken nie ganz verschwunden war. Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Unterordnung widerspricht einer Demokratie, die sich aus pluralistischen Teilen zusammensetzt.

            (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Deformierte – ich sage es noch mal: deformierte – Demokratien – und die sehen wir in Europa und leider auch außerhalb Europas – mögen so arbeiten, wir nicht, Herr Kollege Merz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Deswegen wäre es am besten gewesen, Sie hätten Ihren untauglichen und rechtlich bedenklichen Gesetzentwurf heute vom Tisch genommen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was ist denn daran rechtlich bedenklich? So ein Quatsch! Gerade von der SPD! Rechtlich bedenklich? – Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das ist ja lachhaft! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wo sind denn Ihre Inhalte? Weitere Zurufe von der CDU/ CSU und der FDP)

Nach dem, was wir hier am Mittwoch erlebt haben, wäre das ein guter Weg gewesen. Dann hätten wir alle Zeit gehabt, nach einem guten Ausweg zu suchen; aber das wollten Sie nicht.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Das ist schlimm; denn der heutige Vorgang, den Sie immer noch leichtfertig, wissentlich und willentlich provozieren, ist dramatischer als der Tabubruch von Mittwoch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Erstmals, meine Damen und Herren, besteht die Gefahr, dass mit Stimmen der AfD

(Beatrix von Storch [AfD]: … Probleme gelöst werden!)

Recht und Gesetz – und was ist das? das ist das Fundament unserer Demokratie –

(Volker Münz [AfD]: … eingehalten werden!)

im Bundestag geändert werden und Deutschland aus der Mitte Europas heraustritt. Das ist die Situation, in die Sie uns in der Konsequenz heute hier gebracht haben, und davon wollten wir Sie abhalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Sepp Müller [CDU/CSU])

Das nehmen Sie erneut billigend in Kauf, obwohl mehr und mehr Menschen Sie davor gewarnt haben: gutmeinende, ehemalige und erfahrene Politikerinnen und Politiker, die Kirchen, die Gewerkschaften, Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten Ihrer Union, Künstler und viele Menschen, die sich zu Recht Sorgen machen, in welche Richtung unsere Demokratie abdriftet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Susanne Menge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist die eigentliche Frage, die sich heute auch das Parlament zu stellen hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Nein! Wir bieten eine Antwort!)

Ich kann nur sagen: Herr Kollege Merz, kehren Sie um! Das wäre das Beste für unser Land.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Linken)

Und gleichwohl: Ja, die Lebensader der Demokratie wurde vor zwei Tagen beschädigt, aber noch nicht durchschnitten.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie beschädigen sie gerade! – Zuruf von der CDU/ CSU: Was für ein Schauspiel!)

Wir haben Sie gewarnt; ich habe Sie gewarnt.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Absolut!)

Und es wäre gut, wenn Sie von diesem Pult aus sich dafür entschuldigen würden, was am Mittwoch in diesem Haus passiert ist.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linken – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir hatten uns gegenseitig versprochen, alles zu unterlassen, was uns abhängig macht von den Brunnenvergiftern,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Ach!) von denen, die eine neue Epoche einläuten wollen. (Dr. Bernd Baumann [AfD]: In der ganzen westlichen Welt!)

Was für eine Anmaßung, Herr Baumann, war das am Mittwoch,

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das war eine Vorhersage!)

nach der Geschichte unseres Landes hier eine neue Epoche einzuläuten, weil Sie die Hand der CDU/CSU-Fraktion ergriffen haben! Das war schändlich,

(Lachen des Abg. Dr. Bernd Baumann [AfD] – Zuruf des Abg. Dr. Gottfried Curio [AfD])

und ich hoffe, dass unser Land dem entgegensteht – die Anständigen in unserem Land, wie zum Beispiel die, die heute demonstrieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das entscheiden die Wähler!)

Meine Damen und Herren, es ist nicht zu spät. Der Sündenfall wird Sie für immer begleiten; aber das Tor zur Hölle – ja, ich sage es: das Tor zur Hölle – können wir noch gemeinsam schließen.

(Zurufe von der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Sie müssen die Brandmauer wieder hochziehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Sepp Müller [CDU/CSU]: Kinder werden abgestochen! Überlegen Sie sich das mal! Das kann doch wohl nicht wahr sein! Wo ist die Sozialdemokratie gelandet?)

Zumindest darf heute unser Land nicht kippen. Kehren Sie zurück in die Mitte der Demokratie!

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Die Abgeordneten der SPD erheben sich – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie sich an den Kindern versündigt! An Kindern versündigt! – Zuruf der Abg. Andrea Lindholz [CDU/CSU])

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 31.01.2025
Thema: 
Plenarrede