NATO-Operation Active Endeavour im Mittelmeer

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Um es vorab klarzustellen: Unter bestimmten Umständen kann es richtig sein, im Sinne von Aufklärung, Überwachung und Kontrolle im Mittelmer militärisch präsent zu sein. Das war vor dem 11. September 2001 so gewesen, und das wird auch in Zukunft so sein.

Nur, Herr Spatz, genau das ist das Problem: Sie führen diesem Mandat, dieser Aufgabe das Motiv eines Antiterrorkampfes zu, der im Grunde genommen überhaupt nicht das hergibt, was Sie letztendlich mit diesem Mandat - ich erwähne beispielsweise die Einheiten, die Sie zur Verfügung stellen - bezwecken. Damit schaffen Sie hier ein neues Mandat, Herr Außenminister. Aus meiner Sicht hätten Sie versuchen sollen, vorher mit der Opposition darüber zu reden, wie dieses ausgestaltet und begründet werden könnte. Ich erinnere an die Diskussion, die der Deutsche Bundestag hier vor einigen Jahrengeführt hat. Herr Spatz hat dagegen versucht, konkrete Aussagen zur Begründung zu umschiffen. Somit muss ich Ihnen sagen, Herr Bundesaußenminister: Das war kein gutes Gesellenstück der Bundesregierung. Denn Sie haben ein neues Mandat geschaffen, und Sie haben die Opposition wissentlich von der Möglichkeit, an dieser Mndatierung mitzuwirken, ausgeschlossen.

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

Der Widerspruch wird ja schon daran deutlich, dass Sie für dieses Mandat - und darauf haben Sie im Grunde genommen gerade auch hingewiesen - offensichtlich gar nicht die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Sie von der FDP haben jedoch, als wir vor einigen Jahren das Parlamentsbeteiligungsgesetz diskutiert haben, stets Mandatsklarheit und Mandatswahrheit gefordert. Beides ist bei diesem Mandat aber nicht gegeben. Sie eröffnen damit eine Diskussion über das Mandat. Das ist der große Fehler, den die Bundesregierung heute hier zu verantworten hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, es ist doch ganz offensichtlich, dass die rechtliche Ableitung fragwürdig ist; es wird ja das wieder aufgenommen, was Sie bei OEF - aus meiner Sicht zu Recht - kritisiert haben. Der Kollege Hoyer hat im Jahre 2007, als wir hier im Deutschen Bundestag darüber diskutiert haben, zum Beispiel gesagt: Wir müssen aufpassen, dass wir in den Mandaten nicht immer das Selbstverteidigungsrecht anführen. Denn damit machen wir es wertlos.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

Genau dieses Argument haben Sie aber in die Debatte eingeführt, und das ist auch einer der Gründe, warum wir diesem Mandat nicht zustimmen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, das ist sehr realistisch, und ich finde, die Koalitionskoalitionen tragen die Verantwortung dafür, dass dieses Problem im Rahmen der Debatte, insbesondere auch gestern im Ausschuss, nicht gelöst worden ist. Daher muss ich Ihnen sagen: Das ist keine politische Logik. Denn auf der einen Seite sagen Sie, dass dieses Selbstverteidigungsrecht, dieser Bündnisfall nicht mehr für OEF gilt. Auf der anderen Seite bringen Sie es aber für das neue Mandat OAE in die Debatte wieder ein. Das halte ich wirklich für leichtfertig. Das ist keine gute Arbeit, die die Bundesregierung hier gezeigt hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Als Sie in der Regierung waren, haben Sie zugestimmt!)

Gestern haben wir im Ausschuss - das war, glaube ich, auch für Sie sehr überraschend, Herr Bundesaußenminister - eine sehr lange Debatte über dieses Mandat geführt. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie diese Debatte mit uns geführt haben. Es hat mich aber gewundert, dass Sie plötzlich die Resolution 1943 des Sicherheitsrats wieder so massiv in die Debatte eingeführt haben. Sie findet sich in Ihrem Antrag sozusagen nur als Randnotiz auf Seite 3 ganz unten, und plötzlich wird sie zur Legitimationsgrundlage. Sie verschweigen aber, dass die Resolution des Sicherheitsrates ausdrücklich das ISAFMandat in Afghanistan unterstützt; OEF hat auch einen afghanischen Teil. Dass Sie diese Unklarheit auch heute noch in der Debatte zulassen, ist, finde ich, ein großer Missgriff, was diesem Mandat überhaupt nicht gerecht wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Kommen wir zu den Aktivitäten. Das haben Sie uns gestern sehr eindrücklich vor Augen geführt: Seit 2004 ist zwischen dem Mandat für OEF damals und diesem Mandat, das Sie sozusagen als neues Mandat erfunden haben, keine Aktivität mehr erfolgt. Sie haben keine Einsätze mehr durchgeführt. Das, was Sie gemacht haben, waren eher Transitfahrten. Wenn Sie in die Straße von Gibraltar eingefahren sind, dann haben Sie das Mandat sozusagen umgewidmet.

Aus der Unterrichtung des Parlaments geht hervor, dass die 16 Aktionen in letzter Zeit eben nicht mit deutscher Beteiligung erfolgt sind. Insofern können Sie Ihre Begründung nicht im Deutschen Bundestag vertreten. Ich finde, Sie haben wissentlich sowohl das Völkerrecht gedehnt als auch das Parlament nicht mit der notwendigen Mandatswahrheit und -klarheit informiert, wie es notwendig gewesen wäre.

Kollege Spatz, Sie haben gesagt, es sei kein Problem, dass ein Personaleinsatz von 700 Soldatinnen und Soldaten gefordert wird; denn es seien schon früher insgesamt 500 eingesetzt worden. Ich finde, so kann man keine Politik machen. Sie können nicht einfach sagen: OEF passt nicht mehr. Damals hat die Personalstärke bei beiden Mandaten zusammen 700 betragen, und plötzlich werden für die Operation Active Endeavour alleine 700 Soldatinnen und Soldaten für notwendig gehalten. Ich finde es sehr willkürlich, wie Sie dieses Vorgehen in Ihrem Mandat beschreiben.

Ich glaube, Sie haben einfach nur abgeschrieben. Sie haben sich keine Mühe gemacht, länger über das Mandat nachzudenken, und Sie haben die anderen Bundestagsfraktionen, die Sie eigentlich gerne dabei haben wollen, nicht ausreichend mit einbezogen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Für die FDP-Fraktion sehen Sie jetzt einen möglichen Ausweg darin, demnächst wieder den NATO-Hut aufzusetzen. Warum haben Sie das nicht sofort gemacht? Dann müssten Sie aber hier sagen, dass Sie es nicht geschafft haben bzw. dass Sie diese Debatte geführt haben, aber dass Ihnen niemand gefolgt ist. Zur Wahrheit und Klarheit gehört auch, zuzugeben, dass Sie nicht nur kein gutes Gesellenstück abgeliefert haben, sondern dass Sie sich möglicherweise auch in den NATO-Gremien politisch nicht durchgesetzt haben. Ich finde, darüber müssten Sie dem Deutschen Bundestag genauso Rechenschaft ablegen, wie es auch im Hinblick auf das Völkerrecht notwendig ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der Vielzahl von Unklarheiten und Widersprüchen in dem Mandat und angesichts der mangelnden völkerrechtlichen Grundlagen müssen wir als SPD-Fraktion dieses Mandat ablehnen. Wir tun das aus Überzeugung und haben das gestern im Auswärtigen Ausschuss ausführlich begründet.

Herr Bundesaußenminister, ich kann Sie mit Blick auf zukünftige Mandate nur nachdrücklich darum bitten, die Opposition früher in diese Mandate einzubinden und mit uns darüber zu reden, damit Sie den Konsens, den Sie angeblich mit dem gesamten Deutschen Bundestag erzielen wollen, möglicherweise auch für weitere Mandate erreichen.

Ganz herzlichen Dank.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 02.12.2010
Thema: 
Rede zur Verlängerung des Mandats