Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In der Tat: Dies sind kritische und entscheidende Tage, seitdem die US-Regierung behauptet, zweifelsfreie Erkenntnisse im Hinblick auf den Einsatz von Chemiewaffen zu haben. Meine Fraktion ist der Meinung, dass die US-Regierung den Vereinten Nationen ihre Kenntnisse und ihre Beweise schnellstens zur Verfügung stellen muss. Das gehört in die Vereinten Nationen. Letztlich müssen dann die Mitgliedsländer und auch die Mitglieder des Sicherheitsrates angemessen handeln.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Außenminister, auch wenn Sie zum jetzigen Zeitpunkt keine Erkenntnisse haben, bitte ich Sie, weiterhin nach Erkenntnissen zu suchen. Wie wir aus der Presse erfahren haben, gibt es die eine oder andere Reise in die Region. Wir bitten Sie, sich mit den Partnern vor Ort auszutauschen.
Es besteht kein Zweifel, dass in erster Linie das Regime Assad die Verantwortung für die Eskalation und auch für die Brutalisierung dieses Konfliktes trägt; denn als vor zwei Jahren friedliche Demonstranten in verschiedenen Städten in Syrien auf die Straße gegangen sind, hat das Regime Assad innerhalb von Tagen mit brutaler Gewalt auf die Proteste reagiert.
Wir von der SPD-Fraktion sagen eindeutig: Es gibt keine militärische Lösung in diesem Konflikt. Hier im Bundestag besteht ein breiter Konsens, dass Waffenliefe-rungen nicht der richtige Weg sind; denn in der Region herrscht kein Mangel an Waffen, sondern ein Mangel an Vertrauen und Diplomatie.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Deswegen haben mich die aktuellen Äußerungen Ihres Koalitionspartners überrascht, Herr Außenminister. Ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie darauf eingehen. Nicht irgendwer, sondern der Kollege Schockenhoff hat heute für die CDU/CSU-Fraktion erklärt, dass seine Fraktion für eine Flugverbotszone in der Region eintreten wird. Ich habe hier eine entsprechende Meldung von 13.30 Uhr vorliegen. Ich finde, dass die Bundesregierung mit derartigen Erklärungen sorgfältig umgehen muss. Meiner Meinung nach müssen die Hinweise auch dem Internationalen Strafgerichtshof - auch wenn er zum jetzigen Zeitpunkt nicht unmittelbar ermitteln kann - für spätere Ermittlungen zur Verfügung gestellt werden. Das sind wir den Menschen in Syrien und der Region insgesamt schuldig. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Beschluss des Deutschen Bundestages, den wir gemeinsam gefasst haben, auch mit den Stimmen der SPD-Bundestagsfraktion. Dort heißt es unter Punkt 4 - ich zitiere -:
Der Einsatz dient nicht der Einrichtung oder Überwachung einer Flugverbotszone über syrischem Territorium.
Ich finde, dieser Konsens muss erhalten bleiben. Deswegen muss es in dieser Debatte einen entsprechenden Hinweis darauf geben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU ? Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Der kommt!)
In der Tat ist es richtig, alle Anstrengungen auf die Genf-2-Konferenz zu konzentrieren, weil, wie gesagt, ein Mangel an Diplomatie herrscht. Auch wenn es, wie ich glaube, nur sehr wenig Hoffnung gibt, muss man in den nächsten Tagen weiterhin alles unternehmen, damit zumindest das Minimalziel, dass die Konferenz stattfindet, erreicht wird. Es wäre ein Hoffnungsschimmer, wenn dort eine Waffenruhe vereinbart werden könnte, zumindest für Stunden. Wir müssen den Menschen in Syrien zumindest die Möglichkeit geben, aus den umkämpfen Zonen herauszukommen. Auf dieser Grundlage könnte vielleicht ein weiterführendes Mandat der Vereinten Nationen erreicht werden.
Das Problem ist, dass die Bundesregierung derzeit keinen maßgeblichen Anteil am Zustandekommen dieser Konferenz hat. Ich finde, dass die Bundesregierung mehr tun könnte. Insbesondere könnte sie auf den einen oder anderen internationalen Akteur stärker einwirken, der diese Konferenz nicht unterstützt. Ich glaube, wir haben durchaus Gelegenheit, noch intensiver mit der russischen Regierung darüber zu reden, und zwar auch und gerade in dieser Situation. Zwar haben Sie Länder wie Saudi-Arabien und Katar als Gestaltungsmächte in der internationalen Politik identifiziert, aber ich frage mich, ob Ihre Analyse richtig ist. Denn es ist fraglich, ob diese Länder wirklich bereit sind, an der Herstellung einer friedlichen Ordnung mitzuwirken, und ob sie tatsächlich verantwortliche Gestaltungsmächte sind. Das wäre nach meinem Dafürhalten eine wichtige Frage gewesen.
Sie haben mehr humanitäre und medizinische Hilfe angekündigt. Zumindest wollen Sie das prüfen. Ich finde, wir sollten sie bereitstellen. Leider haben wir viel zu lange gebraucht, um gerade einmal 5 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein - immerhin -, aber insgesamt hat dieser Prozess viel zu lange gedauert.
Ich will noch Folgendes sagen: Wir dürfen angesichts der massiven Auseinandersetzungen und trotz des Bürgerkriegs in Syrien nicht vergessen, dass die Umbrüche in der arabischen Welt unseren Respekt und unsere Anerkennung verdienen; denn dort tun sich Menschen zusammen, um ihren Ländern den richtigen Weg zu weisen. Ich finde, das muss auch vom Deutschen Bundestag aus gesagt werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Zu UNIFIL. Wir von der sozialdemokratischen Partei haben UNIFIL von Anfang an unterstützt, nicht nur, weil wir das Mandat des Sicherheitsrates, das immer wieder verlängert worden ist, für richtig erachtet haben. Wir waren und sind der Meinung, dass der Waffenschmuggel verhindert werden muss und es dafür ein UN-Mandat geben muss. Wir sehen ja, welche Verwerfungen es zurzeit auf den Golanhöhen gibt.
Ich glaube, mit diesem UNIFIL-Mandat war auch ein politischer Zweck verbunden. Wir glaubten, dass wir damit den ohnehin fragmentierten Staat Libanon in Bezug auf seine staatliche Souveränität unterstützen könnten. Die israelische Marine hat die Quarantäne von libanesischen Häfen sehr schnell aufgehoben. Wir haben beim Grenzmanagement geholfen, und wir haben, wie ich glaube, auch die Konfliktparteien im Innern des Libanon zusammengeführt. Deswegen war das UNIFIL-Mandat mehr als die Verhinderung von Waffenschmuggel. Dieses Mandat diente insbesondere der Sicherung der staatlichen Souveränität des Libanon.
Ich finde, Deutschland und Europa haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das fragile Gleichgewicht im Libanon nicht weiter geschwächt wird. Die Hisbollah trägt in der Tat eine riesengroße Verantwortung für die Eskalation des Bürgerkrieges in Syrien und damit indirekt natürlich auch der Iran als Förderer der Hisbollah. Gleichwohl ist es wichtig, die Worte abzuwägen, um die innenpolitische Situation im Libanon nicht weiter zu verschärfen. Deswegen ist meine Bitte, auch an die Bundesregierung und an die Europäische Union, alle Bemerkungen in die Richtung zu unterlassen, noch stärker innerhalb des EU-Rahmens vorzugehen, solange keine handfesten Beweise - auch gegen die Hisbollah - vorliegen.
Wir werden verantwortungsvoll in den Ausschüssen über dieses Mandat debattieren. Ich kann für die SPD-Fraktion sagen, dass wir dieses Mandat verlängern werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich mich an den mir folgenden Redner, den Parlamentarischen Staatssekretär Kossendey, wenden: Ich habe gehört, dass das Ihre letzte Rede im Deutschen Bundestag ist. Ich möchte mich ganz herzlich für die gute, vertrauensvolle und immer souveräne Zusammenarbeit bedanken. Das sage ich ganz persönlich, aber auch im Namen meiner Fraktion. Ganz herzlichen Dank!