Fortsetzung des ATALANTA-Einsatzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
In der Tat, Atalanta ist in erster Linie eine zivile und humanitäre Maßnahme. Ich glaube, wir sollten in diesem Hause gemeinsam überlegen - das ist an alle Fraktionen gerichtet -, wie das Leid der Menschen in Somalia gemindert und die aktuelle Hilfe dort gesichert werden kann. Vier Millionen Menschen sind davon betroffen. Die Vereinten Nationen haben um Unterstützung gebeten. Ich finde schon, dass es zur Respekterweisung dazugehört, dass alle Fraktionen eine Antwort darauf geben, damit insbesondere in Bezug auf die aktuellen Herausforderungen, denen sich dieses Land gegenübersieht, diese Hilfe auch gewährleistet werden kann.
Für meine Fraktion komme ich zu der Schlussfolgerung, dass natürlich auch ein Schutz insbesondere für die Hilfstransporte erfolgen muss, die vonseiten der Vereinten Nationen angefordert werden und die vielen Menschen helfen. Deswegen unterstützen wir das, was der Bundesaußenminister hinsichtlich dieses Mandates als Gesamtmission angesprochen hat. Ich würde gerne, Herr Minister, noch auf weitere Punkte eingehen. Wir werden in der Zukunft über einige Punkte sicherlich in ein wenig stärkerem Maße diskutieren müssen. Ich verstehe schon, dass man das vonseiten der Bundesregierung hier nicht so offen sagen kann - Parlamentarier sollten das aber tun -: Das Problem Somalias besteht auch darin, dass einzelne Nachbarstaaten in der Vergangenheit - das gilt aber offensichtlich auch für die aktuelle Situation - Einfluss genommen haben bzw. weiter nehmen. Sie nehmen letztlich auch mit Gewalt Einfluss. Dabei kommt es auch zu schwierigen Situationen.
Wir müssen, finde ich, insbesondere die Nachbarstaaten dazu aufrufen, nicht mit Gewalt von außen in dieses Land einzugreifen, sondern am Aufbau Somalias aktiv mitzuwirken. Das gehört zu der Diskussion, die wir hier führen, genauso dazu wie das Debattieren über den sozialen und politischen Aufbau in Somalia. In der Tat ist es richtig - das wird hier immer wieder angesprochen -, dass Armut und Piraterie zusammengehören.
In dem Zusammenhang ist auch die Situation zu nennen, vor die Somalia in den letzten Jahren und Jahrzehnten gestellt wurde. Gleichzeitig will ich darauf aufmerksam machen, mit welchem Respekt wir den Menschen begegnen sollten, die sich in Somalia ganz bewusst gegen Piraterie entscheiden und sagen: Das wird unserem Land, unserer Kultur und Tradition nicht gerecht. Deswegen warne ich vor vereinfachenden Schlussfolgerungen. Insbesondere nehme ich das auf, was Jack Lang, der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, festgestellt hat. Er sagte, das Problem der Piraterie bestehe insbesondere darin - Herr Außenminister, Sie haben das angesprochen -, dass sie von der organisierten Kriminalität bzw. von den internationalen Netzwerken unterstützt wird, indem diese das Geld waschen, das die Piraterie erbringt. Es gehört zu einer ehrlichen Diskussion in der Europäischen Union dazu, festzustellen, dass wir die Piraterie insbesondere durch internationale Maßnahmen bekämpfen müssen, um organisierte Kriminalität weiterhin zurückzudrängen.
Man muss hinzufügen: Sie findet auch in westlichen Handelsstädten statt. Wir sollten uns immer wieder vergegenwärtigen: Piraterie ist nicht das Problem Somalias oder am Horn von Afrika, sie ist auch in anderen Regionen ein Problem. Sie ist auch ein historisches Phänomen, was mit dem einen oder anderen Land, das heute als Partner bezeichnet wird, durchaus in einem Zusammenhang gestanden hat.
Ich würde gerne in dieser Runde aus einer gültigen Verfassung zitieren, die der eine oder andere vielleicht kennt. Da heißt es: Die Volksvertretung hat das Recht - Kaperbriefe auszustellen und Vorschriften über das Prisen- und Beuterecht zu Wasser und zu Lande zu erlassen.
Das ist keine Verfassung eines Landes im Südpazifik, das ist auch nicht die Verfassung der Malediven, sondern es ist die amerikanische Verfassung. Wir sollten uns vergegenwärtigen, dass dies durchaus noch aktuelles Recht
ist.
(Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister:Na ja!)
Ich glaube nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen davon Gebrauch machen, aber will ich auf das historische Phänomen aufmerksam machen, weil das zu einer politischen Diskussion dazugehört. Regierungen und Parlamente haben die Piraterie zurückgedrängt. Gerade in einzelnen Staaten Asiens ist es gelungen, die Probleme, die dort seit Jahrzehnten existieren, einzudämmen, und zwar durch bessere Regierungsführung, aber auch durch Sicherungsmaßnahmen, die sie zum Schluss selbst ergriffen haben. Damals wurden sie international unterstützt. Das beste Momentum, das diese Länder darin unterstützt, die Piraterie zu bekämpfen, ist die regionale Zusammenarbeit. Deswegen müssen wir nach meinem Dafürhalten noch viel stärker das regionale Zusammenwirken am Horn von Afrika stärken. Dazu müssen wir die Regierungen ermutigen.
Ich möchte auf eine innenpolitische Diskussion eingehen - auch das gehört zu diesem Thema -: Auch die deutschen Reeder tragen Verantwortung. Die haben sie in der Tat auch wahrgenommen. Es kann aber nicht sein, dass deutsche Reeder deutsche Schiffe ausflaggen und damit ihrer sozialen Verantwortung in Deutschland nicht mehr gerecht werden, aber gleichzeitig vom deutschen Staat Sicherheitsmaßnahmen verlangen. Das müssen wir in einer solchen Debatte offen benennen; denn auch die Reeder tragen Verantwortung.
Ein weiterer Aspekt, den ich in Ihrer Rede gänzlich ermisst habe, war die Diskussion, die die Bundesregierung m August dieses Jahres hier geführt hat. Es geht darum, private Sicherheitsdienste, unter Umständen schwer bewaffnet, auf Schiffen zuzulassen. Dazu haben Sie heute nichts gesagt. Ich hätte zumindest gerne gewusst, ob diese Angelegenheit im Kabinett vom Tisch ist, ob das staatliche Gewaltmonopol möglicherweise durch derartiges Vorgehen weiter ausgehöhlt werden soll, ob es weiterhin von der Initiative der Bundesregierung getragen ist oder ob es eine neue Entwicklung gibt?
Das sollte in zweiter und dritter Lesung zu diesem Mandat noch einmal angesprochen werden. Wir vonseiten der SPD-Fraktion sehen beim Vorhaben der Bundesregierung große Probleme. Die Pläne sehen vor, dass private Sicherheitsfirmen zertifiziert und überwacht werden sollen. Ich frage mich, ob das auch für andere private Sicherheitsdienste, die es im internationalen Umfeld gibt, gelten soll. Wir werden darüber eine Debatte führen. Ich kündige hier schon an, dass wir in der nächsten Woche im Deutschen Bundestag intensiver über die privaten Sicherheitsfirmen debattieren werden.
Wir, die SPD-Fraktion, haben dazu einen Antrag vorgelegt.
Zur letzten Frage, die Sie am Rande angesprochen haben. Rechtliche Fragen spielen in der Tat eine große Rolle. Im Zusammenhang mit diesem Mandat wurde auch darüber diskutiert, ob ein spezieller Strafgerichtshof für Piraterie eingerichtet oder zumindest eine weitere Kammer beim Internationalen Seegerichtshof in Hamburg angesiedelt werden sollte;
(Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP])
denn wir haben diesbezüglich rechtliche Schwierigkeiten. Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem besonderen Fall dargelegt, dass die rechtlichen Umgangsformen in Kenia - darum ging es in diesem Fall - nicht unseren Standards entsprechen. Deswegen fordere ich die Bundesregierung insbesondere vor dem Hintergrund derzeitigen Mitgliedschaft Deutschlands im Sicherheitsrat auf, weitere Initiativen zu ergreifen, um hierzu im internationalen Recht Änderungen herbeizuführen. Insbesondere fordere ich sie aber auf, zu diesem Thema im Parlament Stellung zu beziehen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.