"Eurokrise: Risiken und Lösungsansätze?"
- Welche Implikationen hat die Krise für die Zukunft der Europäischen Union?
- Wie ist die internationale Dimension der europäischen Schuldenkrise zu bewerten?
- Welche Rolle kann China bei der Überwindung der Krise spielen?
Implikationen der Krise für die Zukunft der EU
Europa erlebt eine tiefgreifende Zäsur - wenn nicht gar eine Zeitenwende. Die europäische Finanzkrise ist zu einer Überlebensfrage der europäischen Integration geworden, die zu tiefgreifenden Veränderungen in der politischen Struktur und im inneren Kräfteverhältnis der EU führt. Von ihrer Bewältigung oder Nichtbewältigung wird auch die künftige Rolle und Handlungsfähigkeit der Europäischen Union als internationaler Akteur auf globaler Ebene abhängen. Ohne Zweifel ist die gegenwärtige Krise der europäischen Integration eine der schwersten in ihrer über 60-jährigen Geschichte.
Das Management der europäischen Finanzkrise hat zu zwei großen Machtverschiebungen geführt: Das EU-Krisenmanagement liegt nun nahezu vollständig in den Händen des Europäischen Rates, dem exklusiven Club der Staats- und Regierungschefs. Diese verfolgen naturgemäß neben der europäischen auch eine primäre nationale Agenda und sei es aus dem schlichten Grund, dass sie zu Hause ihre Wahlen gewinnen möchten. Die zweite Machtverschiebung betrifft die Rolle der nationalen Parlamente, die ständig mit den großen und hochkomplexen europäischen Themen und den damit verbundenen Entscheidungen konfrontiert werden, dabei aber auch ständig ihre nationalen und parteipolitischen Interessen und Bedürfnisse im Blick behalten müssen, denn auch die Parlamentarier wollen wiedergewählt werden. Es ist zu begrüßen, dass Deutschland und Frankreich einen Neubeginn in ihrer jüngst schwierig gewordenen Beziehung versuchen wollen. Beide Länder wollen mit gemeinsamen Positionen in die anstehenden Verhandlungen über den Umbau der Euro-Zone zu einer noch engeren wirtschaftlichen Union gehen.
Die größte Gefahr in der gegenwärtigen Krise sehe ich in der um sich greifenden Renationalisierung und Entsolidarisierung. Dazu gibt es ein passendes Wiener Sprichwort: "Alle denken an sich, nur ich denke an mich." Dieser Satz ist charakteristisch für die heutige Zeit. Meiner Ansicht nach interessieren sich die Menschen nicht für Nationalgefühle oder für primitive Religiosität, sondern für Werte, die die Gesellschaften zusammenhalten. Und Europa ist solch ein Wert. Was unser Kontinent jetzt braucht, ist eine klarere Sprache, nicht nur bei den Politikern untereinander, sonder auch zwischen Ländern und Gesellschaften. Dies wäre die Aufgabe der europäischen Eliten. Vor und nach den Systemwechseln war diese Debatte lebhafter, doch jetzt scheint der 'Untergang des Abendlandes' auch die europäische Intelligenz befallen zu haben.
Die europäische Integration ist die Antwort auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts und auf das 21. Jahrhundert. Europa ist mehr als eine Wirtschafts- und Währungsunion. Der Wert Europas als Werte-, Friedens- und Schicksalsgemeinschaft ist vielen Bürgern so selbstverständlich geworden, dass darüber in Vergessenheit geraten ist, dass der europäische Einigungsprozess nicht unumkehrbar ist. Dies hat uns die europäische Finanz- und Wirtschaftskrise in den letzten beiden Jahren dramatisch vor Augen geführt.
Die größte Gefahr für den europäischen Integrationsprozess besteht in der bereits beginnenden Renationalisierung - nicht nur in der Wirtschafts- und Währungspolitik, sondern auch in der Außen- und Sicherheitspolitik. Hier hat die Bundesrepublik mit ihrer Enthaltung bei der Libyen-Resolution, als sie ohne Not ihre Außenpolitik innenpolitischen Kosten-Nutzen-Kalkülen unterwarf, viel Vertrauen verspielt. Eine Konsequenz der Finanzkrise muss es sein, die Kräfte der EU auch nach Außen zu bündeln. Dies bedeutet den Auf- und Ausbau der Europäischen diplomatischen Dienstes, eine kohärentere gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und die Schaffung von Synergie-Effekten der europäischen Rüstungsindustrien. Die europäische Finanzkrise kann dazu führen, dass die Europäer über pooling und sharing endlich Ernst machen mit dem Aufbau einer demokratisch kontrollierten europäischen Armee.
Man sollte bei aller Notwendigkeit der europäischen Integration jedoch auch nicht vergessen, dass Europa kein homogener Akteur ist. Zwar besteht nach außen das gemeinsame Interesse der europäischen Nationalstaaten nach einer europäischen Stimme in der globalisierten Welt, nach innen konkurrieren jedoch dieselben Nationalstaaten miteinander um wirtschaftliche und poltische Macht und Einfluss - auch wenn diese Konkurrenz kein Nullsummenspiel ist. Es besteht dennoch kein Anlass, bei jeder Krise gleich den Untergang des Abendlandes an die Wand zu malen. Krisen dienten immer auch als Motor der europäischen Integration. Bei der Außen- und Sicherheits-, der Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik darf und muss man von Europas Politikern mehr Mut zu Visionen, mehr Bereitschaft zur harten Arbeit der Konsenssuche und weniger Nationalegoismus erwarten. Sie sollten nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren, sondern die Krise auch als Chance verstehen. Schließlich ist die Europäische Union das Produkt einer Katastrophe, entstanden aus der traumatischen Erfahrung zweier Weltkriege. Die Europäische Union ist eben nicht die Ursache des Übels, wie uns einige Kritiker glauben machen wollen, sondern vielmehr die Antwort auf die Fragen unserer Zeit und die Herausforderungen, die auf Europa in einer globalisierten Welt zukommen werden. Die Schlüsselfrage dabei lautet: Wie viel Souveränität wollen die Nationalstaaten zugunsten eines starken, geeinten Europa preisgeben? Die Alternative wäre nicht eine Rückkehr zu nationaler Souveränität und Währungen, sondern eine globale Wirtschaft, die von anderen Staaten (USA, China, Indien, Brasilien etc.) dominiert, und auf die Europa dann keinen Einfluss mehr haben wird. Es geht nicht um die falschen Alternativen "Supermacht Europa" oder Renationalisierung, sondern darum die Europäische Union als Modell einer friedlicheren Weltordnung zu stärken.
Die internationale Dimension der europäischen Schuldenkrise
Es gibt aber auch einen Wettbewerb um Wertvorstellungen, Lebens- und Arbeitsweisen. Deshalb ist es auch so wichtig, wenn nicht sogar die größte Errungenschaft der letzten beiden Jahrzehnte, dass sich Europa zu einer Union von 500 Millionen Menschen zusammengefunden hat. Es liegt auf der Hand, dass 500 Millionen Menschen in einer Welt mit sieben Milliarden Menschen mehr bewegen können als 80 Millionen in Deutschland. Gemeinsam haben wir Europäer zumindest eine größere Chance, die Globalisierung unseren Werten und unseren Vorstellungen von Demokratie, Gerechtigkeit und menschlicher Würde entsprechend mit zu gestalten. Wir in Europa sind gut beraten, uns nicht in europäischem Mittelmaß einzurichten, sondern unseren Blick zu weiten und uns mit den dynamischsten Volkswirtschaften weltweit zu messen. Die gegenwärtige Verschuldungskrise im Euro-Raum bietet bei allen Risiken auch die Chance, in Europa den Weg in die Schuldenunion zu verlassen und die Weichen hin zu einer dauerhaften Stabilitätsunion zu stellen.
Die europäische Integration ist die Antwort auf die Katastrophen des 20. Jahrhunderts und auf das 21. Jahrhundert. Europa ist mehr als eine Wirtschafts- und Währungsunion. Der Wert Europas als Werte-, Friedens- und Schicksalsgemeinschaft ist vielen Bürgern so selbstverständlich geworden, dass darüber in Vergessenheit geraten ist, dass der europäische Einigungsprozess nicht unumkehrbar ist. Dies hat uns die europäische Finanz- und Wirtschaftskrise in den letzten beiden Jahren dramatisch vor Augen geführt.
Man sollte bei aller Notwendigkeit der europäischen Integration jedoch auch nicht vergessen, dass Europa kein homogener Akteur ist. Zwar besteht nach außen das gemeinsame Interesse der europäischen Nationalstaaten nach einer europäischen Stimme in der globalisierten Welt, nach innen konkurrieren jedoch dieselben Nationalstaaten miteinander um wirtschaftliche und poltische Macht und Einfluss - auch wenn diese Konkurrenz kein Nullsummenspiel ist. Es besteht dennoch kein Anlass, bei jeder Krise gleich den Untergang des Abendlandes an die Wand zu malen. Krisen dienten immer auch als Motor der europäischen Integration. Bei der Außen- und Sicherheits-, der Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik darf und muss man von Europas Politikern mehr Mut zu Visionen, mehr Bereitschaft zur harten Arbeit der Konsenssuche und weniger Nationalegoismus erwarten. Sie sollten nicht wie das Kaninchen auf die Schlange starren, sondern die Krise auch als Chance verstehen. Schließlich ist die Europäische Union das Produkt einer Katastrophe, entstanden aus der traumatischen Erfahrung zweier Weltkriege. Die Europäische Union ist eben nicht die Ursache des Übels, wie uns einige Kritiker glauben machen wollen, sondern vielmehr die Antwort auf die Fragen unserer Zeit und die Herausforderungen, die auf Europa in einer globalisierten Welt zukommen werden. Die Schlüsselfrage dabei lautet: Wie viel Souveränität wollen die Nationalstaaten zugunsten eines starken, geeinten Europa preisgeben? Die Alternative wäre nicht eine Rückkehr zu nationaler Souveränität und Währungen, sondern eine globale Wirtschaft, die von anderen Staaten (USA, China, Indien, Brasilien etc.) dominiert, und auf die Europa dann keinen Einfluss mehr haben wird. Es geht nicht um die falschen Alternativen "Supermacht Europa" oder Renationalisierung, sondern darum die Europäische Union als Modell einer friedlicheren Weltordnung zu stärken.
Unser Ehrgeiz muss darin bestehen, die Außenbeziehungen der EU so zu gestalten, dass sie wesentlich wirkungsvoller werden als bisher. Das betrifft insbesondere die Beziehungen zu unseren strategischen Partnern. Hier brauchen wir eine bessere institutionelle Aufstellung, effizientere Verfahren und eine bessere Arbeitsteilung zwischen europäischer und nationaler Ebene. Wir sollten uns deshalb vornehmen, verstärkt zu Mehrheitsentscheidungen im Bereich der GASP zu kommen. Auch in der Verteidigungspolitik sollte sich die EU ehrgeizigere Ziele setzen, die über ?Bündelung und gemeinsame Nutzung von Kapazitäten? hinausgehen. Langfristig sollten wir eine Europäische Verteidigungspolitik mit gemeinsamen Anstrengungen hinsichtlich der Rüstungsindustrie anstreben; für einige Mitgliedstaaten könnte dies auch eine europäische Armee umfassen. Wir sollten auch gemeinsame Sitze in internationalen Organisationen anstreben.
Welche Rolle kann China bei der Überwindung der Krise spielen?
"Spanien ist ein armes Land mit einer reichen Bevölkerung. China ist ein reiches Land mit einer armen Bevölkerung."
Die EU ist der größte Handelspartner Chinas und Peking ist an einer stabilen europäischen Einheitswährung gelegen. Ob Europa finanziell stabil bleibt, wirtschaftlich wachsen kann und Integration vorantreiben kann, betrifft nicht nur die Zukunft und das Schicksal Europas, sondern ist auch von ganz erheblicher Bedeutung für China und den Rest der Welt.
Seit Monaten wird spekuliert: Werden die Chinesen Europa retten? Zumindest ein bisschen? Und wenn ja, welchen politischen Preis werden die Europäer dafür zu zahlen haben? Im Prinzip würden sie sich ja fantastisch ergänzen: Die Europäer brauchen derzeit viel Geld, und die Chinesen haben es. Die Devisenreserven des Landes betragen mehr als drei Billionen US-Dollar. Das sind dreitausend Milliarden US-Dollar!
China will die EU unterstützen ? schon allein, weil sie der wichtigste Handelspartner ist und unter einem Einbruch der europäischen Nachfrage die chinesische Exportindustrie leiden würde. Das Land hat auch kein Interesse daran, dass der Euro kollabiert. Ein rein vom Dollar dominiertes Finanzsystem wäre der Albtraum Pekings. China will Europa nicht scheitern sehen - zumal ihm auf Dauer an der Ablösung des jetzigen, vor allem an Amerika orientierten hegemonialen Weltsystems durch eine multipolare Ordnung gelegen ist, in der Europa neben Amerika und China eine wichtige Rolle spielt. Auch deshalb möchte China seine Währungsreserven diversifizieren.
Die deutsche Kanzlerin hatte während ihres Chinabesuches in ihrer Rede in der chinesischen Akademie der Gesellschaftswissenschaften angemerkt, dass China bei der Bewältigung der Krise mithelfen könne. Merkel möchte die chinesische Führung überzeugen, dass trotz Eurokrise in Deutschland und Europa investiertes Geld sicher ist. Dafür will sie die europäischen Bemühungen zur Lösung der Schuldenprobleme erläutern und um Geduld bei der Umsetzung werben. In der Bundesregierung geht man davon aus, dass China ein starkes Interesse an einem stabilen Euro und einer stabilen Währungszone hat. Berlin hofft auf weitere Wirtschaftsinvestitionen oder Hilfe für den Euro-Rettungsfonds. China hat den Krisenstaaten bei der Euro-Rettung Unterstützung zugesagt. Als Gegenleistung hat der chinesische Premierminister Wen Jiabao mehr Tempo gefordert. Verständlich, denn China leidet unter wegbrechenden Exporten und fürchtet den Zerfall der Eurozone.
Auch wenn China sicherlich seinen Beitrag zur Überwindung der Krise leisten kann, wird sie in erster Linie von den EU-Ländern selbst gelöst werden müssen.