Ereignisse um die Gaza-Flottille aufklären - Lage der Menschen in Gaza verbessern - Nahost- Friedensprozess unterstützen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich hätte mir schon gewünscht, dass man ein bisschen von den vorbereiteten Redemanuskripten abgewichen wäre und zu der aktuellen Situation,
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
dass nämlich auch die Fraktion der Linken einem gemeinsamen Antrag zustimmen will - ich begrüße das -, zumindest das eine oder andere gesagt worden wäre.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kollege Gehrcke, ich weiß um Ihre Arbeit innerhalb Ihrer Partei. Sie bemühen sich, für die Interessen Israels im Allgemeinen und auch für die Sicherheitsinteressen zu werben. Sie haben das gerade in Ihrer Rede noch einmal getan. Ich halte es für einen wesentlichen Fortschritt im Vergleich zu anderen Legislaturperioden zuvor, wenn man bei einer so schwerwiegenden Frage hier im Deutschen Bundestag zu einem gemeinsamen Konsens kommt.
(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist gut, dass es gelungen ist, die vier Fraktionen zusammenzuhalten. Das war nicht so einfach. Kollege Mißfelder, wir haben den einen oder anderen Anruf in dieser Hinsicht erhalten. Ein Teil des Problems ist - das wird dadurch ersichtlich -, dass die unterschiedlichen Gruppen so stark in ihrer Vorstellung verhaftet sind, dass sie glauben, diesen Konflikt nur aus ihrer Sichtweise heraus lösen zu können, was dazu führt, dass Empathie fehlt. Umso mehr bin ich froh, dass zwischen diesen vier Fraktionen ein Konsens erreicht worden ist. Es ist richtig, dass die Situation in den letzten Wochen zu Bewegung geführt hat. Herr Kollege Gehrcke, ich glaube aber, das ist nicht allein wegen der Gaza-Flottille erfolgt, sondern wegen dieses schrecklichen Anlasses und auch wegen des unverhältnismäßigen Einsatzes von Gewalt in diesem Konflikt, durch den die Gewaltspirale im Nahen Osten verstärkt wird.
Die israelische Regierung versucht - auch das müssen wir anerkennen -, in der fragilen Situation, in der sich ihre Koalition befindet, Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist richtig, dass jetzt eine Negativliste für den Gazastreifen beschlossen worden ist, von der ich hoffe, dass sie Anwendung finden wird, damit die humanitäre Situation im Gazastreifen verbessert wird. Wir sollten hier auch vermerken, dass die ägyptische Regierung versucht hat, in der schwierigen Situation eine konstruktive Rolle zu übernehmen.
Ich glaube, wir müssen Israel deutlich machen, dass durch die Abriegelung des Gazastreifens genau das Gegenteil von dem erreicht wird, was Israel eigentlich erreichen will.
(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ging damals um die Befreiung des entführten Soldaten Schalit und darum, den Waffenhandel einzuschränken und die Hamas zu schwächen. All diese Ziele, die mit der Gaza-Abriegelung erreicht werden sollten, sind nicht erreicht worden. Herr Staatsminister, es ist die Aufgabe der Bundesregierung, dazu beizutragen - das können wir aufgrund unserer besonderen Beziehungen zu Israel -, dass dieses Problemfeld endlich von den politischen Akteuren in Israel erkannt wird. Ich würde mir wünschen, dass sowohl die Bundeskanzlerin als auch der Außenminister gegenüber der israelischen Regierung noch aktiver werden würden, als sie das bisher gewesen sind.
Es ist richtig, dass wir die Rolle der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und auch des Quartetts betont haben. Diese haben sich sehr stark aus der Verantwortung lösen müssen, weil es nicht genügend Fortschritte gegeben hat. Wenn das Quartett gerade aufgrund der Situation im Gazastreifen wieder eine Rolle spielt, dann stellt sich auch eine neue Herausforderung für die Europäische Union. Mit den neuen Strukturen in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik muss es gelingen, zwischen Israel und Palästina zu vermitteln und in Bezug auf den Gazastreifen zu politischen Fortschritten zu kommen. Wir können die humanitären Probleme zum jetzigen Zeitpunkt nicht lösen; wir sollten aber alles tun, damit die Situation der Menschen, die in diesem Konflikt von allen in Geiselhaft genommen werden, zumindest verbessert wird. Langfristig wird aber Hilfe nicht ausreichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Langfristig wird eine Lösung nur gelingen, wenn die Menschen im Gazastreifen wieder ein wirtschaftliches Fundament finden. Dazu muss die Privatwirtschaft wieder funktionsfähig werden.
(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin froh, dass es gelungen ist, in dem gemeinsamen Antrag zu betonen, dass es nicht reicht, was die israelische Regierung jetzt unternommen hat, wenn auch der eine oder andere internationale Beobachter eingeladen werden soll. Die Forderung der Vereinten Nationen und der Europäischen Union nach einer internationalen und transparenten Aufklärung, aus der auch Konsequenzen gezogen werden müssen, muss erfüllt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn internationales Recht verletzt worden ist; denn internationales Recht ist die Richtschnur für das Handeln Deutschlands und der Europäischen Union, aber auch für das Handeln des demokratischen Staates Israel. Auch er muss sich internationalem Recht unterwerfen.
(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Staatsminister, der deutsche Außenminister hat die Einladung des israelischen Kabinetts angenommen, in den Gazastreifen zu reisen. Es darf nicht bei einer Showveranstaltung bleiben. - Sie schütteln den Kopf. Ich kenne die neuesten Informationen nicht. Vielleicht sollte ich zurückhaltender formulieren. - Der Besuch darf keine Showveranstaltung werden. Ich hätte mir gewünscht, dass die israelische Regierung auch andere europäische Regierungen eingeladen hätte, und zwar sowohl solche, die innerhalb der Europäischen Union große Verantwortung tragen, als auch solche, die eine kritischere Haltung gegenüber Israel einnehmen, als wir - ich habe eben über unsere historische Verantwortung gesprochen - das tun. Auch das wird zu der geforderten Transparenz gehören. Das müssen wir im europäischen Rahmen deutlich machen.
(Beifall bei der SPD)
Der Gazastreifen ist das vorherrschende Problem, über das wir reden. Wir müssen aber auch daran erinnern, dass die US-amerikanische Regierung vielleicht nicht das letzte Mittel, aber eines der letzten Mittel einsetzt, um die Gespräche zwischen der Regierung Fajjad und Präsident Abbas auf der einen Seite und der israelischen Regierung auf der anderen Seite voranzubringen. Das ist gut. Ich sage aber auch ganz klar: Die Zeit läuft weg. Es stehen letztlich nur noch ganz wenige Wochen zur Verfügung. Wir müssen aufpassen, dass wir durch unsere Politik die Spaltung der palästinensischen Gesellschaft nicht noch verstärken.
Deswegen möchte ich auch von dieser Stelle aus noch einmal appellieren: Ich glaube, dass das Abkommen von Mekka, das ein wichtiger Punkt für die nationale Einheitsregierung in Palästina gewesen ist, durchaus wieder auf die Tagesordnung gehört. Wir müssen auch gegenüber den palästinensischen Fraktionen dafür werben, dass eine Regierung der nationalen Einheit die einzige Chance
(Beifall bei der SPD und der LINKEN)
für eine anhaltende und gerechte Friedenslösung in Palästina ist - und dann auch zum Nutzen Israels. Zum Schluss will ich noch Folgendes sagen. Wir haben während der Aktuellen Stunde über die Situation im Gazastreifen gesprochen, aber auch über die Rolle des politischen Islam. Ich glaube, wir müssen unsere Rolle gegenüber der Hamas überdenken und die Frage klären, wie wir damit umgehen. Wir führen im Grunde genommen auf Bitten der israelischen Regierung schon Gespräche mit der Hamas wegen des entführten Soldaten Schalit.
Aber wir müssen versuchen, uns aus diesen Widersprüchen zu befreien. Denn hinter der Hamas droht, so glaube ich, vielleicht noch eine viel größere Herausforderung, die wir im Gazastreifen immer wieder gesehen haben. Deswegen würde ich mir wünschen, dass wir darüber im Auswärtigen Ausschuss sprechen. Insbesondere bin ich froh, dass es gestern zu einem Treffen von Vertretern der türkischen und der israelischen Regierung gekommen ist; denn wir werden die türkische Regierung weiterhin für eine Vermittlung in diesem Konflikt brauchen. Ich würde mich freuen, wenn die Bundesregierung das unterstützen würde.
Ganz herzlichen Dank.