Debatte zur Abrüstung und Rüstungskontrolle
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Auch ich möchte am Anfang den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Auswärtigen Amtes ganz herzlich danken, und zwar auch deswegen, weil wir sie zeitlich ein bisschen überfordert haben. Wir wollten diese Debatte etwas früher durchführen. Botschafter Gottwald ist schon genannt worden, aber auch den ehemaligen Botschafter Gröning sollten wir hier lobend erwähnen; denn meines Erachtens ist hier von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Menge bewegt worden. Wir sollten uns vonseiten des Deutschen Bundestages überlegen, ob wir diese Debatte nicht immer am Anfang eines Jahres führen wollen; denn damit könnten wir der Abrüstung und der Rüstungskontrolle größere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
An Appellen zu Abrüstung und Rüstungskontrolle herrscht kein Mangel. Das haben wir in den letzten Jahren immer wieder gelesen. Ich sage es ganz offen: Für mich ist es ein bisschen ein Problem, dass alle diese Politiker und Generäle außer Dienst sind. Sie hätten eine Menge bewegen können, als sie damals im aktiven Dienst waren.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)
Deswegen, Herr Minister, interessieren mich eigentlich mehr diejenigen, die jetzt in Verantwortung sind. Insofern bin ich sehr dankbar, dass Sie von Anfang an, zum Beispiel am 26. Juni 2005, damals gemeinsam mit Kurt Beck, Abrüstung und Rüstungskontrolle bei der SPD wieder zum Thema gemacht haben,
(Beifall bei der SPD)
dass Sie im letzten Jahr auf der Münchner Sicherheitskonferenz als erster Politiker wieder über Abrüstung gesprochen haben und dass Sie versucht haben, den AKSE-Vertrag zu retten. Das sind doch genügend Beispiele für die Leistungen des Auswärtigen Amtes, aber auch des Ministers, diesem Thema wieder genügend Aufmerksamkeit gewidmet zu haben.
(Beifall bei der SPD)
Herr Kollege Steinmeier, ich freue mich darauf, was Sie alles bei diesem Thema bewegen werden, wenn Sie erst mal Kanzler sind.
(Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei und Zurufe von der CDU/CSU und der FDP - Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Wann wird das denn sein?)
Meine Damen und Herren, Abrüstung und Rüstungskontrolle sind gut und wichtig. Aber ebenso muss das Denken über die Rolle und den Status von Waffen verändert werden. Anfang des Jahres haben ehemalige britische Generäle darauf hingewiesen, dass Großbritannien auf die Kernwaffen verzichten könne. Das war ein wichtiges Signal, ohne Zweifel. Aber wir sollten ebenfalls zur Kenntnis nehmen, dass der konservative Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Unterhaus darauf geantwortet hat, nur die Nuklearkapazität garantiere Großbritannien einen Platz als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat. Welch verheerendes Zeichen an den Iran, an Pakistan, an Indien ist es,
(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
wenn wir aus Kernwaffenbesitz politischen Status in der Welt und eine entsprechende Stellung im politischen Machtgefüge ableiten!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE] und Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das sind genau die falschen Schritte. Wir sollten uns auch bei der Fortschreibung der europäischen Sicherheitsstrategie überlegen, nicht nur über die Nichtverbreitung von Kernwaffen zu diskutieren, sondern gleichzeitig auch an die Abrüstungs-verpflichtungen der Länder zu erinnern, die in Europa über Kernwaffen verfügen. Auch das gehört zur Glaubwürdigkeit europäischer Sicherheitspolitik.
(Beifall bei der SPD)
Abrüstung und Rüstungskontrolle ist mehr als Waffen zählen; das ist gar keine Frage. In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, dass dadurch nicht nur die Kosten im Verteidigungsetat reduziert werden, sondern auch das Sicherheitsdilemma zwischen den Staaten verringert wird, und auch das ist ganz wichtig. Wir haben in unserer Nachbarschaft im Zusammenhang mit dem Vertrag von Dayton erlebt, dass Abrüstung und Rüstungskontrolle ein wichtiges Instrument zur Befriedung von Bürgerkriegsgesellschaften ist. Ich finde, es lohnt sich, auch darüber zu diskutieren, wenn es um Entwicklungspolitik und viele andere Dinge geht. Abrüstung und Rüstungskontrolle ist aber auch für andere Regionen ein Thema. Ich erinnere daran, dass die südostasiatischen Staaten in den 90er-Jahren eine kernwaffenfreie Zone beschlossen haben. Das war bei uns nur ein Randthema. Vietnam, Laos und Kambodscha sind damals über die kernwaffenfreie Zone - das war quasi der Türöffner - zu dem regionalen Sicherheitssystem hinzugekommen. Deswegen begrüße ich nachdrücklich, dass der Golfkooperationsrat für den Persischen Golf eine kernwaffenfreie Zone vorgeschlagen hat.
(Beifall bei der SPD)
Das ist eine Möglichkeit, das Thema Abrüstung und Rüstungskontrolle angesichts der verheerenden Sicherheitssituation in diese Region einzubringen und dem Iran Angebote zu machen, den Weg der Abrüstung und Rüstungskontrolle zu gehen.
Wir haben gehört - diese Forderung unterstützen wir nachdrücklich -, dass die Überprüfungskonferenz 2010 ein Erfolg werden muss. Sie muss gerettet werden. Es ist gut, dass die Europäische Union damals mit einer gemeinsamen Initiative nach New York gegangen ist. Ich würde mich freuen, wenn vonseiten des Auswärtigen Amtes auch jetzt eine Menge dafür getan würde. Ich würde es auch begrüßen, wenn die verantwortlichen Staaten beim NATO-Gipfel im April dieses Jahres im Zusammenhang mit der NATO-Doktrin auch über den nuklearen Ersteinsatz sprechen würden; denn auch das gehört zur Glaubwürdigkeit. Ich glaube, dies ist das richtige Forum dafür.
(Beifall bei der SPD ? Paul Schäfer [Köln] [DIE LINKE]: Da sind wir einmal gespannt!)
Ich glaube, wir stehen vor neuen Möglichkeiten der Rüstungskontrolle. Die Außenministerin der USA, Hillary Clinton, hat in einer Anhörung des Senats sehr deutlich gemacht, in welche Richtung sie gehen will. Sie will den START-Vertrag entweder verlängern, ihn neu verhandeln oder den Verhandlungen mit Russland Zeit geben. Sie hat den Atomteststoppvertrag angesprochen, was ein sehr wichtiges Signal an Indien ist.
Ich bin der Meinung ? ich habe das hier schon bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich gemacht ?, dass die Gefechtsfeldwaffen, die in Deutschland lagern, vollkommen überflüssig sind. Sie spielen für Deutschland in sicherheitspolitischer Hinsicht keine Rolle. Wir müssen aber gleichzeitig darauf hinweisen, dass die anderen taktischen Atomwaffen, die Tausende von Waffen, die in Russland lagern, genauso verschrottet werden müssen.
Beide Aspekte müssen aus Gründen der Glaubwürdigkeit zusammen betrachtet werden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU])
Ich möchte betonen, dass auch ich der festen Überzeugung bin, dass mit Präsident Obama die Möglichkeiten der Diplomatie eine größere Bedeutung erhalten werden. Wir brauchen mehr Diplomatie und weniger Raketen. Ich glaube, dass dies das Motto der nächsten Jahre sein wird. Das bedeutet aber auch - das hat hier noch keine Rolle gespielt -, dass man auf die Raketenabwehr hinweisen muss. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Aspekt ist. Ich bin mir nicht sicher, ob die Obama-Administration auf die amerikanische Raketenabwehr verzichten wird. Das wird sich in den nächsten Monaten zeigen.
Aber warum starten wir in Europa nicht eine Initiative für einen neuen ABM-Vertrag? Warum fordern wir einen solchen Vertrag nicht von den USA, von Russland und allen Staaten, die sich möglicherweise eine Raketenabwehr zulegen? Wenn es gelingen würde, die Offensivkapazitäten mit einem neuen START-Abkommen herunterzufahren, dann würde es sich doch lohnen, auch über eine Begrenzung bei der Raketenabwehr zu diskutieren. Der ABM-Vertrag hat in den 80er- und 90er-Jahren, also vor seiner Kündigung, bewiesen, dass er zur Stabilität beitragen kann. Ich glaube, ein neuer ABM-Vertrag würde auch Europa mehr Sicherheit bieten, zumindest für mehr Gelassenheit bei diesem Thema sorgen. Ich finde, dies ist ein dankbares Thema, und es wäre gut, wenn sich insbesondere die europäischen Staaten, die sich zur Stationierung einer Raketenabwehr bereiterklärt haben, zusammen mit den skandinavischen Partnern oder Deutschland dieses Themas annehmen würden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Der letzte Punkt. Sie haben zu Recht die konventionelle Rüstungskontrolle angesprochen. Ich bin dankbar, dass Sie die betroffenen Staaten dieses Jahr wieder einladen werden, um über die Zukunft des AKSE-Vertrages zu sprechen. Aufgrund der Ankündigungen von Medwedew und des Signals, das jetzt die russische Seite bezüglich Kaliningrad gegeben hat, können wir vielleicht auf einer neuen Grundlage wieder mit den Russen diskutieren. Das wäre, glaube ich, ein wichtiges Zeichen. Wenn Sie den AKSE-Vertrag ratifizieren lassen wollen, senden Sie ihn an das Parlament! Wir als SPD-Fraktion sind bereit - das sagen wir schon seit Jahren -, entsprechend abzustimmen. Wenn Sie aber der Meinung sind, dass wir einen neuen Vertrag über konventionelle Abrüstung und Streitkräfte brauchen, sind wir bereit, auch daran mitzuarbeiten.
Es ist darauf hingewiesen worden, dass Nichtregierungsorganisationen eine wichtige Funktion bei der Rüstungskontrolle hatten. Aber ich will auch daran erinnern, dass Regierungen weiter Verantwortung tragen. Das Abkommen zur Ächtung von Streumunition ist nur deswegen in Oslo unterzeichnet worden, weil drei wichtige Sozialdemokraten ? aus Norwegen, aus Großbritannien und aus Deutschland ? dies vorangebracht haben. Daran sollten wir in den nächsten Jahren weiterarbeiten. Ich glaube, es gibt eine vielversprechende Zukunft für eine gute Abrüstungskultur.
Vielen Dank.