Chances for Rapprochement: What Role for Multilateral Initiatives?

Seit der Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages 2010 ist die Vision eines kernwaffenfreien Nahen und Mittleren Ostens zurück auf der internationalen Agenda. Dort wurde vereinbart, dass 2012 eine internationale Konferenz unter Federführung der Vereinten Nationen stattfinden solle, die sich mit den Möglichkeiten befasst, eine von Massenvernichtungswaffen freie Zone im Nahen und Mittleren Osten einzurichten.

Kernwaffenfreie Zonen sind eine wichtige Ergänzung und wertvolle Unterstützung des globalen nuklearen Nichtverbreitungssystems. Derzeit existieren weltweit fünf kernwaffenfreie Zonen (Antarktis, Mittel- und Lateinamerika, Südpazifik, Südostasien, Afrika). Deren Mitglieder dürfen weder im Geltungsbereich noch anderswo Kernwaffen entwickeln, bauen, erwerben oder kontrollieren. Sie verzichten ferner auf die Stationierung, den Transport oder den Test von Nuklearwaffen einschließlich entsprechender Trägersysteme. Souveräne Entscheidungen bleiben davon unberührt. Über die Einhaltung der Bestimmungen wacht ein Verifikationsapparat. Die Einbindung der fünf offiziellen Kernwaffenstaaten ist ein wesentlicher Bestandteil aller bisher vereinbarter Kernwaffenfreier Zonen. Diese verpflichten sich, den Status der Zone zu achten und weder Atomwaffen in diesem Gebiet zu bringen noch mit dem Einsatz von Atomwaffen zu drohen (negative Sicherheitsgarantien). Allerdings haben nicht alle Atomwaffenstaaten vorbehaltlos die Zusatzprotokolle gezeichnet.

Es gibt zahlreiche potentielle Konflikte im Nahen und Mittleren Osten, deren gewaltsamen Ausbruch es in jedem Fall zu verhindern gilt. Ein fundamental wichtiger Schritt zur Entspannung der Situation ist die vertragliche Regelung von Waffenverbreitung und -besitz. Denn in der Region herrscht vielerlei Mangel, jedoch kein Mangel an Waffen. Neben den israelischen Kernwaffen geben auch auf die Atomprogramme anderer Länder Grund zur Sorge. Der Krieg zwischen Iran und Irak hat gezeigt, welche verheerende Wirkung auch der Einsatz nicht-atomarer Massenvernichtungswaffen hat - dort setzte der Irak Chemiewaffen ein.

Auch wenn in der Vergangenheit Bemühungen um eine Massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten gescheitert sind, gibt es nach wie vor wichtige Argumente für die Einrichtung einer solchen Zone. Dazu gehört unter anderem, dass damit ein Anreiz zur Abrüstung für Israel geschaffen wird. Dies könne wiederum zu einem Ausgleich der problematischen militärischen Asymmetrie in der Region beitragen. Zudem kann eine Massenvernichtungswaffenfreie Zone zu einer verstärkten regionalen Kooperation beitragen und den Einfluss externer Mächte verringern. Zentral ist zunächst vor allem, Rüstungskontrollen zu ermöglichen und die Länder der Region an den Atomwaffensperrvertrag heranzuführen. Alle Staaten müssen für Transparenz hinsichtlich ihrer Rüstungsprogramme sorgen.

Die mangelhafte institutionelle Basis für Verhandlungen erschwert bisher jedoch eine gemeinsame Lösung. Es existierten schlichtweg keine Foren für Verhandlungen. Dies muss sich dringend ändern. Hier ist die anvisierte Konferenz in Helsinki Ende diesen oder nächsten Jahres ein wichtiger Schritt. Sie kann durchaus zu einer Annäherung zwischen Israel und Iran beitragen.

Was die Vision einer nuklearwaffenfreien Zone im Nahen Osten betrifft, so muss man feststellen, dass es ohne dramatische politische Richtungswechsel in der US-Nahostdiplomatie und in den Hauptstädten der Region äußerst unwahrscheinlich ist, dass die geplante Konferenz die Realisierung einer nuklearwaffenfreien Zone  voranbringen könnte. Es dürfte angesichts der israelischen Angriffsdrohungen und der iranischen Atomkrise schwierig genug werden, auch nur den nuklearen Status quo in dieser instabilen Region aufrechtzuerhalten. Es wäre deshalb hilfreich, die Erwartungen nicht zu hoch zu schrauben. Die Konferenz sollte nicht nur als Projekt, sondern als politischen Prozess betrachtet werden, der weit über das Jahr 2012 hinaus reicht. Die Initiative des Golfkooperationsrates für eine Nuklearwaffenfreie Zone im Persischen Golf von 2005 sollte meines Erachtens ebenfalls neu geprüft werden.

Die Umwälzungen des Arabischen Frühlings sollten nicht als Hindernis, sondern vielmehr auch als Chance für eine Region ohne Massenvernichtungswaffen gesehen werden. Durch Parlamentswahlen und aufblühende Zivilgesellschaften können die arabischen Völker in einigen Ländern nun endlich Einfluss auf die Politik ihrer Staaten nehmen und wirkungsvoll für ihr Interesse an einem regionalen Frieden eintreten.

Trotz aller früheren und gegenwärtigen Schwierigkeiten bin ich davon überzeugt, dass mittel- bis langfristig eine Massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten möglich ist. Die Zonen in Lateinamerika und Südostasien zeigen, dass es durchaus regionale Lösungen zur Bearbeitung des Sicherheitsdilemmas gibt.

Die Rolle der Europäischen Union ist in Bezug auf Rüstungskontrolle und Abrüstung in der Region bisher deutlich zu passiv gewesen. Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU muss sich Europa stärker für einen friedlichen Nahen und Mittleren Osten einsetzen und darf nicht jegliche Verantwortung an die USA abgeben. Die Lieferung von Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien wäre deswegen ein fatales Signal und ist abzulehnen.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
New York City, 11.07.2012
Thema: 
Inputreferat anläßlich einer Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung in New York