Die Chance zur nuklearen Abrüstung nutzen
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, heute ist ein guter Tag, und zwar nicht nur, weil wir heute einmal vormittags im Deutschen Bundestag über die nukleare Abrüstung sprechen, sondern auch, weil zeitgleich in Rom die amerikanischen und die russischen Verhandlungspartner zum ersten Mal zusammenkommen, um über Abrüstung im Bereich der strategischen Atomwaffen zu sprechen.
(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Genau!)
Herr Trittin, ich finde schon, dass man deutlich sagen muss, dass Deutschland ein großes Interesse an der Abrüstung der strategischen Atomwaffen hat. Deutschland ist ein verantwortlich handelndes Land innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Deswegen haben wir dieses Thema auch in den Koalitionsantrag aufgenommen.
Unsere Sicherheit wird gestärkt, wenn es gelingt, das einzuhalten, was sich Präsident Obama und Präsident Medwedew versprochen haben, nämlich bei den strategischen Atomwaffen deutlich abzurüsten. Deswegen begrüßen wir das gerade am heutigen Tag.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Kollege Hoyer hat vollkommen recht: Die nukleare Abschreckung war während des Ost-West-Konflikts eine Last. Einige behaupten ja immer noch, wir hätten es der nuklearen Abschreckung zu verdanken, dass wir sozusagen über die Runden gekommen sind. Wenn man die Dokumente, die die Archive freigegeben haben, heute liest, wird einem jetzt noch mulmig zumute. Dann denkt man darüber nach, was alles hätte passieren können. Dabei geht es nicht nur um die Kuba-Krise, sondern auch um NATO-Manöver, um Fehler auf der sowjetischen Seite und viele andere Dinge. Präsident Obama ist ein Realist, wenn er Visionen hat.
Ich sage das ganz bewusst als Sozialdemokrat; denn er hat einen guten Fürsprecher, Helmut Schmidt, der, wie Sie wissen, den einen oder anderen Visionär zumindest während seiner Kanzlerschaft anders bezeichnet hat. Gerade deswegen ist seine Fürsprache bedeutsam. Wir unterstützen Präsident Obama in seiner realistischen Strategie, damit die Kernwaffen von dieser Erde verschwinden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist gut und richtig, dass der Außenminister zweierlei tut: Bei seinen nächsten Gesprächen in den USA wird er mit seiner amerikanischen Kollegin über die in Deutschland lagernden Atomwaffen sprechen. Er wird aber auch sagen, dass die substrategischen Atomwaffen aus Europa verschwinden müssen. Das ist ein realistischer Ansatz. Darum geht es. Ihre Anträge dienen im Grunde nur der Nabelschau. Sie suggerieren den Leuten draußen, dass wir sicherer wären, wenn die Atomwaffen weg wären. Damit widerlegen Sie aber Ihre eigene Argumentation im Hinblick auf die nukleare Abschreckung und die Verfügungsgewalt über zahllose Atomwaffen.
Es war richtig, dass der Außenminister gesagt hat, dass er diese beiden Aspekte zusammenbringen will. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, genau diesen Aspekt haben Sie in Ihrem Antrag nicht berücksichtigt. Sie gehen nur auf die Atomwaffen ein, die sich auf deutschem Territorium befinden. Ich finde, das ist zu wenig. Wenn man eine seriöse Sicherheitspolitik betreiben will, wenn man für nukleare Abrüstung und Abrüstung insgesamt eintritt, muss man diese Dinge gemeinsam ansprechen. Deswegen sage ich Ihnen ganz ehrlich: Sie machen nur Spektakel. Ich bin froh, dass Frank-Walter Steinmeier keine Fisimatenten
- Entschuldigung: keinen Unfug; als Rheinländer sagt man das so - macht, sondern genau den von mir bezeichneten Aspekt in die Gespräche einbringt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU ? Dr. Werner Hoyer [FDP]: Dann können Sie ja beiden Anträgen zustimmen!)
Kollege Hoyer, ich würde Sie gerne einmal fragen - diese Frage habe ich mir schon während Ihrer Rede überlegt -, mit wem Sie das, was in Ihrem Antrag steht und was Sie eben hier vorgetragen haben, eigentlich erreichen wollen. Mit Ihrem Wunschpartner, der nebenan sitzt?
(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Na klar!)
Verstehen Sie das unter Seriosität bei diesen Themen im kommenden Wahlkampf? Ich finde, dass der außenpolitische Aspekt dazugehört. Sie müssen sagen, mit welchem Partner Sie das nach dem 27. September umsetzen wollen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich schätze die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU - persönlich auf jeden Fall -, aber ich kann Ihnen Geschichten erzählen, die zeigen, wie schwer es in den letzten Jahren gewesen ist, das eine oder andere auf den Weg zu bringen.
(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Dönekes! Erzählen Sie doch mal! - Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das beruht auf Gegenseitigkeit!)
Deswegen bin froh, dass wir es geschafft haben, den Antrag von CDU/CSU und SPD heute auf den Weg zu bringen. Ich war enttäuscht - ich versuche, eine ehrliche Debatte zu führen -, als die Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten einen zwar lesenswerten Beitrag zur Sicherheitskonferenz in München geschrieben hat, es aber nicht geschafft hat, das umzusetzen, was wir innerhalb der Europäischen Union brauchen, nämlich eine ernsthafte Debatte mit den europäischen Partnern, mit Großbritannien und mit Frankreich, über die Atomwaffen zu führen. Ich hätte diesen Artikel sofort unterschrieben, wenn die Bundeskanzlerin es geschafft hätte, vom französischen Präsidenten, der ja sehr eigenwillig ist - das gebe ich gern zu - und vielleicht gar nicht so einfach in eine bestimmte Richtung gelenkt werden kann, die Aussage zu erhalten, dass er zumindest auf die Modernisierung der französischen Atomwaffen verzichtet.
Auch dafür tritt der deutsche Außenminister ein. Ich glaube, dass er in nächster Zukunft mit seinem britischen Kollegen über wichtige Bereiche sprechen wird, bei denen es um nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle geht. Wir brauchen wieder eine politische Kultur der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle. Wir brauchen den Einsatz für die konventionelle Abrüstung; dies ist eben angesprochen worden. Wir haben das in unser Grundsatzprogramm und auch in unser Wahlprogramm aufgenommen. Die Menschen können darüber befinden, ob es für Deutschland der richtige Weg ist, diese beiden Aspekte - die hier lagernden Atomwaffen und die weltweite Abrüstung - zusammenzuführen. Dafür treten wir ein. Daher sollten Sie unserem Antrag zustimmen.
Vielen Dank.