Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta

Die Bekämpfung der Piraterie eignet sich nicht für Schnellschüsse. In diesem, wie in anderen Fällen gibt es keinen Freibrief für voreiliges oder rechtloses Handeln. Wir Sozialdemokraten achten und befolgen das Völkerrecht. Wenn der Einsatz des Militärs beabsichtigt wird, müssen Sorgfalt und Augenmaß vor Übereile gehen.

Die Bundesregierung hat deshalb zu Recht alle völker- und verfassungsrechtlichen Fragen eingehend geprüft und daraus die angemessenen Schritte abgeleitet. Die Bundeswehr darf weder in ein militärisches Abenteuer noch in eine rechtliche Grauzone geschickt werden.
Mittlerweile sind alle erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Sicherheitsratsresolution 1846 der Vereinten Nationen vom 2. Dezember 2008 erlaubt die Bekämpfung der Piraterie in den somalischen Küstengewässern auch durch Regionalorganisationen. Für ein deutsches Engagement bietet deshalb die Mission ATALANTA der Europäischen Union den geeigneten Rahmen.

Die Versuche, unter dem Deckmantel der Pirateriebekämpfung bewährte Regelungen unserer Verfassung auszuhebeln, waren unverhältnismäßig und zeitraubend. Nicht ohne Grund wurden der Polizei und der Bundeswehr eindeutige und klar getrennte Aufgaben zugewiesen. Daran müssen wir festhalten.

Manche Bemerkungen der letzten Wochen waren  ebenso sachfremd wie irreführend. Auf Hoher See kann die Bundesmarine auch heute schon gegen Piraterie vorgehen. Das Seerechtsübereinkommen und das Völkergewohnheitsrecht erlauben derartige Reaktionen. Deshalb ist die Behauptung der Linksfraktion falsch, dass nur die Polizei die Gewalt auf See bekämpfen dürfe. Hilfe in der Not ist jederzeit möglich- auch durch die Deutsche Marine.
Allerdings hätte die Bundesmarine nicht in den somalischen Küstengewässern operieren oder vorbeugend aktiv werden können. Erst mit den Sicherheitsratsresolutionen 1816 und 1846 sind solche Operationen möglich. Der Umweg über das Grundgesetz war daher von Anfang an überflüssig und bedenklich.

Aufklärung, Schutz und Abschreckung sind zur Bekämpfung der Piraterie die richtigen Maßnahmen. Dass sich die Bundesmarine dabei vor allem auf die Sicherheit der humanitären Hilfe konzentrieren soll, findet die Unterstützung der SPD-Fraktion. Fast alle Transporte erfolgen auf dem Seeweg und mehr als ein Drittel der Menschen in Somalia sind auf diese Hilfen angewiesen. Deshalb ist es konsequent, besonders die Schiffe mit humanitären Gütern zu schützen. Das Überleben der Hungernden in Somalia hat absoluten Vorrang. Die Beteiligung der Deutschen Marine ist daher zuerst und vor allem eine humanitäre Operation.
Dass auch andere Schiffe geschützt werden müssen, steht außer Zweifel. Allerdings möchte ich auch daran erinnern, dass die Reedereien gleichermaßen Verantwortung tragen. Größere und besser ausgebildete Besatzungen, bauliche und andere Maßnahmen könnten dazu beitragen, die Gefahren einer Kaperung zu reduzieren. Die Veranstalter von Kreuzfahrten und Freizeitschiffer sollten sorgfältig abwägen, ob gegenwärtig Reisen auf den gefährdeten Wasserwegen verantwortbar sind. Die Schiffseigner müssen bedenken, dass sie nicht nur die Passagiere und sich selbst in Gefahr bringen, sondern auch diejenigen, die ihnen dann Hilfe leisten wollen oder müssen.

Die Ankündigung der Bundesregierung, sich gezielt für die Schaffung einer internationalen Gerichtsbarkeit gegen Piraterie einzusetzen, ist richtig. Wir unterstützen diesen Ansatz. Der Internationale Seegerichtshof in Hamburg wäre aus meiner Sicht ein geeigneter Rahmen. Ich bitte die Bundesregierung in den kommenden Monaten gerade in diesem Feld um Vorschläge und Initiativen.

Bis dahin sollte es ein abgestuftes Verfahren bei der Strafverfolgung geben. Wenn deutsche Staatsbürger getötet oder verletzt oder unter deutscher Flagge fahrende Schiffe angegriffen wurden, muss die Strafverfolgung in Deutschland stattfinden. In allen anderen Fällen sollten der Piraterie verdächtigte Personen an den Staat übergeben werden, der ein Interesse angemeldet hat und dessen Strafverfolgung unseren rechtsstaatlichen Maßstäben und Grundsätzen entspricht.
 
Piraterie ist heute in weiten Teilen Afrikas und Asiens ein schwerwiegendes Problem. Verarmte Bauern, Fischer, Kriminelle und Kämpfer aus den Bürgerkriegen bilden einen gewaltbereiten Kern. In Somalia hat sich dabei ein regelrechtes Geschäftsfeld entwickelt, das mit weltweiten Netzwerken verbunden ist. Die Zahl der Überfälle hat mittlerweile erschreckende Ausmaße angenommen. Nicht nur ausländische Schiffe sind Ziel der Attacken. Ebenso leidet die Bevölkerung Somalias unter den Angriffen und der Unordnung.
 
Durch die EU-Mission ATALANTA kann der Schutz vor Piraten verbessert werden. Doch nur Entwicklungsfortschritte an Land sind langfristig erfolgversprechend. Die Voraussetzungen dafür sind aber alles andere als günstig.

Somalia ist ein klassisches Beispiel für die Folgen eines langjährigen Bürgerkrieges verbunden mit tiefgreifenden Entwicklungsproblemen, umstrittener kolonialer Grenzziehung, der Einflussnahme angrenzender Staaten und einem nicht vorhandenen Gewaltmonopol. Die gegenwärtige innenpolitische Krise macht die Situation noch schlimmer und unübersichtlicher.
 
Das Land steht aber auch stellvertretend für das Versagen der Weltgemeinschaft in Afrika. Wie vollmundig waren noch die Ankündigungen Anfang der neunziger Jahre? Deshalb ist es notwendig, dass sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zwar weiterhin auch mit Fragen der Gewalt auf See am Horn von Afrika befasst. Die neue Sicherheitsresolution 1851 fordert zu Recht eine bessere Koordination der beteiligten Staaten. Wichtig sind dann aber auch koordinierte und effektive diplomatische Maßnahmen, um auf die Konfliktparteien insgesamt einzuwirken. Was wir an Land brauchen sind abgestimmte und langfristige Programme, die zur Lösung der unhaltbaren politischen Zustände in Somalia beitragen können.

Ein Beispiel für die wirksame Bekämpfung der Piraterie findet sich in Asien: Als Überfälle vor den Küsten Indonesiens vor einigen Jahren rasant zunahmen, konnte die Gewalt auf See durch wirtschaftlichen Wiederaufbau, gute Regierungsführung, einem Friedensabkommen für Aceh und der Zusammenarbeit der Nachbarstaaten beim Küstenschutz zurückgedrängt werden.
 
Eine vergleichbare Strategie muss auch am Horn von Afrika verfolgt werden. Das wäre der beste und langfristig erfolgversprechendste Schutz vor den Auswirkungen der Piraterie. Derzeit ist dieser Weg nur schwer begehbar. Zu tief ist die innenpolitische Zerrüttung und zu groß sind die Gegensätze der Nachbarstaaten. Die Bundesregierungen haben zusammen mit anderen Ländern dort immer wieder versucht die politischen Verhältnisse zugunsten von Zusammenarbeit und Ausgleich zu beeinflussen. Leider waren die Anstrengungen nicht erfolgreich. Dennoch möchte ich uns gemeinsam ermutigen auch in Zukunft nichts unversucht zu lassen. 

Die Bundesregierung hat einen ausgewogenen, angemessenen und gut begründeten Antrag vorgelegt. Deutschland sollte sich an der Mission ATALANTA beteiligen, weil die Verbesserung der humanitären Situation in Somalia, die Sicherung der Seewege und der Respekt gegenüber einer Anfrage der Vereinten Nationen auch in unserem Interesse sind. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 19.12.2008
Thema: 
Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika