Besorgnis über die Parlamentswahlen in Weißrussland

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das ist ausdrücklich keine Aktuelle Stunde, die sich gegen die Menschen in Weißrussland richtet;

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE])

im Gegenteil: Wir wollen von dieser Stelle aus deutlich machen, dass viele in Weißrussland - mutige junge Menschen, Frauen, Oppositionelle - in den letzten Jahren versucht haben, dem Regime zu widerstehen. Wir wollen alle Aufmerksamkeit genau auf diese Menschen richten, die so viel Mut aufgebracht haben, diesen Machenschaften des Regimes zu widerstehen. Deswegen, glaube ich, ist diese Aktuelle Stunde heute angebracht. Ich will auch sehr deutlich sagen: Weißrussland gehört zum europäischen Kulturraum. Es hat große Beiträge zur Ideengeschichte geliefert; das gilt auch für die Menschen selbst. Weißrussland - das müssen wir deutlich machen - wollen wir sozusagen in unserer europäischen Familie wissen, und deswegen machen wir uns große Sorgen.

In der Tat, Kollege Kurth: Der Weg zu demokratischen Verhältnissen, gerade auch nach diesen Erfahrungen einer gefälschten Parlamentswahl, wird wahrscheinlich lang sein, aber er ist nicht ohne Chance. Wir sollten den Menschen Mut machen, weiterhin alles dafür zu unternehmen, dass dieser demokratische Weg gelingt. Ich glaube, das können wir nur gemeinsam mit den Partnern in der Europäischen Union und mit Partnern, die an unserer Seite für demokratische Grundrechte eintreten. Mit dieser Aktuellen Stunde wollen wir aber auf die Machenschaften des Regimes und auf die gefälschten Wahlen hinweisen. Wir müssen daran erinnern, dass die Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren nicht nur gefälscht waren, sondern dass mutige Politiker, die zu diesen Wahlen angetreten sind, bis heute im Gefängnis sitzen.

Wir wollen auch heute von dieser Stelle aus an das Regime appellieren, sofort alle politischen Gefangenen bzw. alle, die aus politischen Gründen verurteilt worden sind, freizulassen. Ich erinnere zum Beispiel an den sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidaten Statkevich, dessen Familie in den letzten Wochen mehrmals bei uns, in den verschiedenen Fraktionen, war und auf die humanitären Bedingungen hingewiesen hat, unter denen Statkevich im Gefängnis sitzt. Er ist mit Inhaftierten zusammen, die an Tuberkulose leiden, und mit einem Gefangenen, der wegen Mordes verurteilt worden ist. Das sind Bedingungen, die nicht hinnehmbar sind. Wir vonseiten des Deutschen Bundestages fordern dieses Regime auf, Herrn Statkevich und andere, die mutig für ihre Rechte eingetreten sind, sofort freizulassen.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir sollten auch an die Verantwortlichen außerhalb Weißrusslands appellieren, die Einfluss auf dieses Regime haben. Das ist in der Tat Russland, die russische Regierung. Wir sollten gerade den Verantwortlichen in Moskau gegenüber deutlich machen, dass man, wenn man auf diejenigen setzt, die von der Geschichte längst überholt sind, schnell selbst überholt werden kann. Instabilität an den Grenzen zu Russland ist weder in unserem Interesse, noch kann es im Interesse Russlands und der russischen Regierung sein. Deswegen wäre es klug, wenn die russische Regierung in den nächsten Wochen einsähe, dass die Unterstützung des Regimes Lukaschenko nicht weiterhin tragbar ist. Wir sollten das vonseiten des deutschen Parlaments, aber auch vonseiten der deutschen Regierung vorantreiben.

Herr Kollege Kurth, Sie haben in diesem Zusammenhang auf die Eishockeyweltmeisterschaft hingewiesen. Wir sollten gerade den Funktionären gegenüber noch einmal deutlich machen, dass nicht nur nach den Präsidentschaftswahlen, sondern gerade nach den Parlamentswahlen ein neues Überlegen notwendig ist. Damit würden wir vielen Sportlern entgegenkommen; denn sie wollen sich vom Regime Lukaschenko, das von den Eishockeyweltmeisterschaften letztendlich auch profitiert, nicht missbrauchen lassen. Ich glaube, der Verband würde den Sportlern entgegenkommen, wenn er seine Position an dieser Stelle überdenkt.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Zum Schluss möchte ich sagen: Auch vonseiten der Bundesregierung wird, glaube ich, alles unternommen, um auf das Regime einzuwirken. Aber vielleicht - das ist meine Anregung - können wir noch etwas mehr tun. Wir sollten durchaus noch einmal erörtern, was im Rahmen von Visaerleichterungen möglich ist,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])

insbesondere im Hinblick auf Stipendien für junge Menschen, die auf der einen Seite bereit sind, für Weißrussland einzutreten, die aber auf der anderen Seite eine gute wollen. All das kann vorangebracht werden. Ich hoffe, dass die Aktuelle Stunde mit dazu beiträgt.

Vielen Dank.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 26.09.2012
Thema: 
Plenarrede anlässlich der Aktuellen Stunde