Bericht über Abrüstung und Rüstungskontrolle

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch ich freue mich über den gemeinsamen Antrag der vier Fraktionen. Ich würde gern das Augenmerk auf die Kolleginnen und Kollegen sowie die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes richten; denn sie haben einen wichtigen Bericht über Abrüstung und Rüstungskontrolle vorgelegt. Ich finde, sie verdienen nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Respekt für die Arbeit, die sie bei der Erstellung dieses Berichts geleistet haben. Ich freue mich, dass wir auf der Grundlage dieses Berichtes in den nächsten Wochen und Monaten weiter diskutieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Außenminister, Sie haben zu Recht gesagt, wir hätten mit dem heutigen Tag einen guten Zeitpunkt gewählt, weil wir uns offensichtlich in den nächsten Tagen einem Vertrag über die Begrenzung der strategischen Atomwaffen näherten. Das ist ein wichtiger Schritt. Aber nun kommt auf den amerikanischen und den russischen Präsidenten die große Aufgabe zu, im amerikanischen Senat und in der Duma um Zustimmung zu werben. Ich appelliere an den Deutschen Bundestag und die Bundesregierung, zum Beispiel bei Gesprächen mit Senatoren in Washington für diesen Vertrag zu werben, um deutlich zu machen, dass es im deutschen und im europäischen Interesse liegt, wenn die amerikanischen Kolleginnen und Kollegen diesen Vertrag schnellstmöglich ratifizieren. Wir vom Deutschen Bundestag werden das tun. Es wäre gut, wenn die Bundesregierung dem folgte.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe in der bisherigen Debatte ein bisschen den Beitrag Europas zu Abrüstung und Rüstungskontrolle vermisst. Ich finde, Europa kann eine Menge dazu liefern. Ich wünsche mir - wahrscheinlich stehen die Verhandlungen noch nicht vor dem Abschluss -, dass die 27 Mitglieder der Europäischen Union gemeinsam nach New York fahren und dort eine gemeinsame Verabredung zur Überprüfungskonferenz einbringen. Das wäre ein wichtiges Signal; denn unter diesen Staaten wären zwei Kernwaffenstaaten als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates. Das wäre ein entscheidender Beitrag Europas, die Überprüfungskonferenz zum Erfolg zu führen. Die Bundesregierung täte gut daran, bis zum Schluss intensiv daran zu arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir unterstützen Sie, Herr Bundesaußenminister, wenn Sie sagen, dass wir eine Universalisierung des NPT-Vertrages brauchen. In der Tat fehlen noch immer Staaten in diesem Vertrag. Wir müssen alles daransetzen, auf der NPT-Konferenz die letzten Widerstände zu brechen und diesen Vertrag zu einem Erfolg der internationalen Politik zu machen. Ich glaube, gerade die neue Beauftragte der Europäischen Union, Frau Ashton, sollte darüber nachdenken, ob sie der Abrüstung und Rüstungskontrolle mit einer eigenen Organisationseinheit im Europäischen Auswärtigen Dienst eine stärkere Bedeutung geben sollte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Lissabon-Vertrag enthält Hinweise, dass das eine oder andere im Bereich des Militärischen aufgegriffen worden ist. Mir behagte es aber viel mehr, wenn dies auch die Abrüstung und Rüstungskontrolle beträfe.

Ich möchte auf Rüstungskontrolle und Abrüstung als Instrumentarium der Politik aufmerksam machen. Dieses Instrument ist kein Selbstzweck - darauf wurde schon hingewiesen -, sondern dient der Kooperation und dem Dialog. Wir haben dieses Instrument richtigerweise und klugerweise auch während des Kalten Krieges eingesetzt; denn es war sozusagen der erste Gesprächskanal, der sich zwischen den Blöcken entwickelt hat. Die europäischen Staaten, aber auch andere, die vom Ende des Kalten Krieges profitiert haben, sollten andere Regionen ermutigen, das Instrument der Abrüstung und Rüstungskontrolle zu nutzen, um die notwendigen Dialogstrukturen in den Regionen wirksam zu machen. Was beobachten wir? Um uns herum gibt es in der Welt die größte Aufrüstung. Der SIPRI-Bericht hat darauf hingewiesen. Sie haben eben an den Doppelcharakter erinnert. Aber der entscheidende Aspekt wird sein, Abrüstung und Rüstungskontrolle sozusagen zur politischen Leitkultur in den Regionen weltweit zu machen. Ich finde, dazu hätten wir eine Menge beizutragen. Wir dürfen nicht nur Empfehlungen geben. Wenn wir über die Universalisierung von Abrüstungsverträgen sprechen, möchte ich daran erinnern, dass noch nicht alle Staaten den wichtigen Vertrag über das Verbot von Streubomben unterzeichnen haben. Dieser Vertrag ist ein ganz wichtiger Meilenstein, den wir in den letzten Jahren erreicht haben. Ich ermutige Sie, andere Staaten darauf hinzuweisen. Es darf nämlich keine Ausnahmetatbestände im Bereich von Abrüstung und Rüstungskontrolle geben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das gilt dann natürlich auch für andere Staaten, die sich zum Beispiel das Recht herausnehmen, im Bereich der Urananreicherung eigene Rechte für sich zu reklamieren. Auch das müssen wir hier ganz offen benennen. Dazu zählt zum Beispiel Brasilien.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es entsteht nach meinem Dafürhalten eine große Gefahr, wenn es nicht gelingt, diese Sonderrechte zu beseitigen. Ich finde, dafür müsste auch die Bundesregierung zusammen mit den europäischen Partnern eine Menge tun.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt nennen, über den wir zwar nicht so stark diskutiert haben, den ich aber für höchstgefährlich halte. Die Volksrepublik China hat dokumentiert, dass sie in der Lage und auch bereit ist, Satelliten abzuschießen. Sie denkt im Zusammenhang mit dem Weltraum auch die militärische Komponente. Das ist eine große Gefahr und große Herausforderung. Ich weiß, dass andere Staaten - die USA und Russland - den Weltraum natürlich auch bereits für das Militär entdeckt haben, aber dass allein dieses Dokument gezeigt worden ist, wonach auch die Volksrepublik China dazu bereit ist, gibt eine Menge zu denken. Ich glaube, wir sollten diese Besorgnis in Gesprächen auch mit der Volksrepublik China immer wieder deutlich machen.

(Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD])

Ich unterstütze das, was viele meiner Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben. Die NATO muss wieder ein Forum für den Dialog über Abrüstung und Rüstungskontrolle werden.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Das ist nicht die Erfindung dieser Bundesregierung, sondern aller Bundesregierungen. Wir haben immer dafür plädiert - und ich bin damals froh darüber gewesen, dass Frank-Walter Steinmeier und der norwegische Außenminister vorgeschlagen haben -, dieses Forum innerhalb der NATO zu entwickeln. Sie greifen das auf; ich finde das richtig. Ich glaube, innerhalb des Bündnisses gibt es dann auch eine Menge zu tun.
Herr Bundesaußenminister, ja, wir unterstützen Sie darin, die taktischen Atomwaffen aus Deutschland und auch aus den anderen Ländern zu bringen. Das muss man gemeinsam tun. Das kann dieses Parlament mit diesem wichtigen Antrag nicht allein, das kann man nur mit den Partnern insgesamt erreichen. Ich bitte Sie, dann gleichzeitig auch eine Gefahr mitzubenennen, die entsteht, wenn sich andere Staaten in Europa melden und sagen: Na ja, dann nehmen wir diese Waffen einmal in unsere Länder auf. Auch das müssen wir diskutieren. Ich hätte mir schon gewünscht, dass Sie zu den Plänen der US-Regierung, diese Waffen möglicherweise auch zu modernisieren, Stellung genommen hätten. Auch das ist nach meinem Dafürhalten eine Herausforderung für Ihre ambitionierte Politik, die taktischen Atomwaffen aus Deutschland und aus Europa zu bringen; denn die Herkulesaufgabe wird doch eigentlich erst dann bewältigt sein, wenn es uns gelingt, auch Russland zu überzeugen, die taktischen Atomwaffen einer Verhandlungslösung zuzuführen. Das ist doch das große Problem, und daran sollten wir gemeinsam arbeiten.

(Beifall des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU])

Damit komme ich zu einer weiteren Herausforderung in diesem Zusammenhang. Die Raketenabwehr lastet sozusagen - das haben wir bei den Gesprächen zwischen den USA und Russland doch gemerkt - wie ein Stein auf der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Deswegen unterstützen wir nicht nur das, was Sie gesagt haben, nämlich die partnerschaftliche Öffnung hinsichtlich der Raketenabwehr, sondern ich glaube, ein wichtiger Bestandteil muss sein, die Raketenabwehr zu einem Teil von Abrüstung und Rüstungskontrolle zu machen.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gemeinsam!)

Wir werden keinen ABM-Vertrag mehr erreichen, aber ich finde, wir werden immerhin einen Dialog über die Raketenabwehr eröffnen müssen, weil das, was wir als defensiv betrachten, andere Staaten möglicherweise als zusätzliche, begleitende Offensivoption ansehen.

(Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD])

Ich glaube, das ist die große Gefahr, der wir auch durch Abrüstung und Rüstungskontrolle begegnen müssen.

Ich komme zum Schluss. Der Iran hat hier in der Diskussion immer wieder eine Rolle gespielt. Das, was dort im Iran im Hinblick auf eine möglicherweise militärische Nutzung der Atomenergie geschieht, ist in der Tat eine große Gefahr. Ich glaube, wir haben im Deutschen Bundestag oft auch gemeinsam dafür appelliert, dass es eine politische Lösung geben muss. Frau Hoff, ich danke Ihnen dafür, dass Sie dies noch einmal ausdrücklich betont haben.

Ich will nur noch einmal daran erinnern: Wir dürfen nicht alles, was in den letzten Tagen auch aus dem Iran zu hören war, einfach beiseiteschieben. Ich finde schon, dass wir das, was Teheran auf den Tisch gelegt hat, noch einmal ernsthaft prüfen sollten.

(Beifall des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE])

Vielleicht sollte eine Eins-zu-eins-Begleitung dieses Konzepts erfolgen. Es wäre fatal, wenn sich bei uns der Eindruck vermitteln würde, dass es hinsichtlich einer Verhandlungslösung jetzt sozusagen reicht. Wir brauchen die Verhandlungslösung in Zukunft. Wir brauchen eine politische Lösung und nicht nur eine Drohkulisse. Deswegen glaube ich, Abrüstung und Rüstungskontrolle können uns bei der Lösung dieses Konfliktes helfen.

Die Errichtung atomwaffenfreier Zonen ist angesprochen worden. Wenn wir darüber sprechen, wie man es schaffen kann, dass die Welt in Zukunft ohne Atomwaffen auskommt, dann müssen wir - das will ich deutlich machen - auch einen entsprechenden Appell an Israel richten. Das zu sagen, gehört nach meinem Dafürhalten zu einer ehrlichen Debatte dazu.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich glaube, wir sollten den Mut aufbringen, auch dies zu diskutieren. Die US Administration hat es getan. Europa könnte das auch tun. Diese Abrüstungsdebatte ist gut. Die deutsche Außenpolitik darf sich allerdings nicht in Abrüstung und Rüstungskontrolle erschöpfen. Ich würde mir wünschen, wenn mehr kommt. Wir haben Ihnen Angebote gemacht. Wir werden auch in Zukunft weiter über den richtigen Weg streiten.

Vielen Dank und alles Gute.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 26.03.2010
Thema: 
Plenarrede zum Jahresabrüstungsbericht