Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat ungewöhnlich, dass wir in einer Aktuellen Stunde von Ihnen, Herr Minister, hören, dass Sie der Fraktion Die Linke dankbar dafür sind, dass Sie endlich einmal hier im Deutschen Bundestag über dieses Thema reden können. Das fällt auf Sie zurück.

Wir hätten es begrüßt, Sie hätten in den letzten Monaten eine Regierungserklärung angekündigt und auch abgegeben,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

anstatt als Antwort auf die Frage 25 in der Kleinen Anfrage die Öffentlichkeit und den Deutschen Bundestag darüber zu informieren, dass Sie bereit sind, der Bundeswehr Kampfdrohnen zur Verfügung zu stellen und letztlich auch ihren Einsatz zu gewährleisten. Ich halte das für eine grundsätzliche Debatte, die mehr als nur eine Aktuelle Stunde im Bundestag erfordert hätte. Es fällt auf Sie zurück, dass Sie im letzten Sommer gesagt haben: "Ich führe diese Debatte", aber sich dieser Debatte bisher entzogen haben.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Interessant war natürlich auch, dass Sie am Anfang sieben Punkte aufgezählt haben, wovon sich aber vier Punkte auf Drohnen zur Aufklärung bezogen haben. In der Tat muss man natürlich über die Frage der Aufklärung diskutieren. Aber was zurzeit in Deutschland die Öffentlichkeit beschäftigt, ist die Frage: Ist es völkerrechtlich, ist es ethisch, ist es rüstungskontrollpolitisch, ist es sicherheitspolitisch verantwortbar, in dieser Situation und nach den wenigen Jahren der Erfahrung anderer Bündnispartner Kampfdrohnen anzuschaffen, ohne eine sicherheitspolitische und völkerrechtliche Diskussion zu führen? Dieser Diskussion werden Sie sich auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht entziehen können.

Sie haben wissentlich, glaube ich, die kritischen Positionen hierzu in dieser Aktuellen Stunde hier im Deutschen Bundestag nicht aufgegriffen. Dabei geht es insbesondere darum, dass die Rüstungstechnologie der Drohnen mittlerweile so weit entwickelt ist, dass wir leider von einer Verselbstständigung dieses Systems ausgehen müssen, weil die Informationen ? das wissen Sie doch sogar besser als wir hier im Deutschen Bundestag ? so vielfältig und so immens sind, dass Entwickler und teilweise auch Militärs zu der Überzeugung kommen: Das können einzelne Soldatinnen und Soldaten gar nicht mehr verarbeiten. Bestimmte Bewegungsabläufe deuten darauf hin, dass Maschinen den Soldaten die Empfehlung geben, einzugreifen.

Über diese wirklich grundsätzlichen Erwägungen müssen wir diskutieren und uns fragen, ob dies ethisch überhaupt angemessen ist. Das fragen Sie auch die Kirchen. Ich bin der festen Überzeugung: Die gesamte Bundesregierung muss sich an dieser Frage beteiligen.

Ein anderer Aspekt. Die völkerrechtlichen Fragen sind nicht so einfach zu beantworten, wie Sie das hier getan haben. Es gibt unterschiedliche Auffassungen zum humanitären Völkerrecht, zur Genfer Konvention und auch zu anderen Dingen. Sie müssen den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland sagen, vor welcher Konsequenz wir stehen. Die Völkerrechtler kommen zum Beispiel zu der Auffassung, dass die Kommandozentralen, von denen aus möglicherweise Kampfdrohnen eingesetzt werden, in einem Konflikt legitime Ziele sein werden. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, das den Bundesbürgern zu sagen und auf diese Frage eine ehrliche Antwort zu geben. Ich finde, darüber gehen Sie leichtfertig hinweg.

Das, was Sie noch nicht angesprochen haben, ist die Frage der Verhältnismäßigkeit. Die Drohnen können eben nur, selbst wenn sie von einer Person gelenkt werden, Ja oder Nein sagen; sie können nicht abwägen. Insbesondere die Frage der Informationsbeschaffung, die Sie eben ganz bewusst übergangen haben, ist eine schwere ethische, aber letztlich auch sicherheitspolitische Herausforderung.

Ein weiterer Aspekt, von dem ich mir wünsche, dass ihn die Bundesregierung im Zusammenhang mit der internationalen Debatte aufgreifen sollte: Deutschland hat bei Rüstungskontrolle und Abrüstung immer ein Gesicht gehabt und dies in die internationale Diskussion eingebracht. Warum wäre es von Deutschland so abwegig, wenn es so viele Kritikpunkte und so viel Zurückhaltung gibt, mit Partnern darüber zu diskutieren und zu sagen: Wir wollen keine unbemannten Flugobjekte bewaffnen; denn das ist möglicherweise eine Grauzone.

Das wäre doch eine wichtige rüstungskontrollpolitische Debatte, die hier im Deutschen Bundestag von der Bundesregierung geführt werden könnte. Ich finde, diesen Dingen entziehen Sie sich ganz einfach dadurch, dass Sie sagen: Das Ganze ist nur ein Instrument. - Es ist eben nicht nur ein Instrument, sondern es wirft vielfältige Fragen auf, die unterschiedliche Themenbereiche in dieser Bundesregierung betreffen.

Zum Schluss. Ich habe Ihnen am Anfang gesagt, Sie hätten eine Regierungserklärung zu diesem Thema abgeben können. Wissen Sie, wen ich aus dem Bundeskabinett vermisse, der Verantwortung für Sicherheitspolitik, Völkerrecht, Rüstungskontrolle und, wie er selbst behauptet, ethische Fragen hat? Den Außenminister. Er könnte bei der Beantwortung der hier in Rede stehenden Fragen auch fachverantwortlich eine entscheidende Rolle spielen. Ich mache ihm nicht zum Vorwurf, dass er heute nicht da ist, wohl aber, dass er sich in den letzten Monaten dieser Diskussion entzogen hat. Das lassen wir ihm nicht durchgehen.

Vielen Dank.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 31.01.2013
Thema: 
Plenarrede anlässlich der Aktuellen Stunde