Aktuelle Stunde zur Aufhebung des Waffenembargos gegen die Volksrepublik China

Herr Präsdent, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Diskussion über die Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber der Volksrepublik China ist ein schwieriger Vorgang. Es gibt hierbei kein schwarz oder weiß, kein richtig oder falsch. Wir Sozialdemokraten haben es uns dabei nicht leicht gemacht. Sie kennen unsere Haltung während der Beratungen im Ausschuss. Und Sie kennen unseren Plenarantrag. Bundesregierung und Bundestag haben in der Außenpolitik unterschiedliche Rollen und Kompetenzen. Das sollte man gegenseitig respektieren. Vor allem sollte man nicht-demokratischen Staaten diese parlamentarische Kontrollfunktion erläutern. Allerdings bezweifle ich, ob das Thema für die innenpolitische Debatte taugt. Einfache Bilder - wie die Opposition sie zeichnet - helfen hier nicht weiter. Der Bundeskanzler hat seine Gastgeber über die Position des Parlaments unterrichtet. Das war gut und richtig. Aber er musste natürlich auch beachten, dass zur gleichen Zeit in der Europäischen Union über die Lockerung oder sogar die Aufhebung des Waffenembargos diskutiert wurde und wird. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen: an dieser Debatte nehmen nicht nur Sozialdemokraten teil. Es gibt konservative und liberale Regierungschefs, die ebenfalls das Waffenembargo gegenüber der Volksrepublik China aufheben wollen. Wenn man also das Verbot von Waffenlieferungen aufrechterhalten will, dann muss man das auch seinen europäischen Parteifreunden sagen. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Position auch in den Hauptstädten vortragen, wo ihre Parteifreunde regieren. Und zur Redlichkeit gehört auch: selbst wenn die Europäische Union das Waffenembargo aufheben sollte, kann Deutschland keine Rüstungen an die Volksrepublik China liefern. Die strengen deutschen Exportrichtlinien stehen dem entgegen. Es waren SPD und Grüne, die die lasche Praxis der konservativ-liberalen Regierung Kohl beendet haben. Und ich kann mich an keine Auseinandersetzung in der damaligen CDU/CSU-FDP-Koalition erinnern, die mit unserer Positionsfindung vergleichbar wäre. Gleichzeitig ist heute die Bundesregierung diejenige Kraft, die den Verhaltenskodex der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union für Waffenausfuhren konkretisieren und verschärfen will. So soll der Tatbestand der Beeinträchtigung internationaler Menschenrechtskonventionen aufgenommen werden. Auch beim Verdacht, dass solche Güter in die Hände von terroristischen Organisationen oder an Einzelne gelangen könnten, dürfen keine Waffen aus EU-Staaten ausgeführt werden. Das sind klare Fortschritte und die Bundesregierung fördert diesen Prozess. Es wäre gut, wenn die neuen Verhaltensregeln auch einen verbindlichen Rechtsrahmen erhalten würden.

Der Konflikt um Taiwan ist bereits erwähnt worden. Darüber hinaus gibt es Aufrüstungsschübe in der gesamten asiatisch-pazifischen Region. Diese Entwicklung korrespondiert mit ungelösten Territorial- und Machtkonflikten. Während die weltweiten Rüstungsausgaben nach Angaben des Stockholmer SIPRI-Instituts von 1993 bis 2002 durchschnittlich um 3 Prozent zugenommen haben, waren dies für Ostasien 22 Prozent. Dabei waren im Jahr 2002 die Volksrepublik China, Japan und Südkorea allein für drei Viertel der regionalen Militärausgaben Ostasiens verantwortlich.  Es gibt in der Region eine Reihe von bilateralen Rüstungswettläufen. Das ist gefährlich. Die Region braucht dringend rüstungskontrollpolitische Vereinbarungen. Europa ist hierbei kein unmittelbarer Akteur. Aber es kann seine Erfahrungen anbieten. Die Europäische Union ist Partner in verschiedenen Dialogforen. Wir wissen, wie bedeutend regionale Integration und vertrauensbildende Maßnahmen für friedliche Konfliktregelungen sind. Lösungen können umso leichter gelingen, wenn die Konfliktbearbeitung von einer wirtschaftlichen Verflechtung der einzelnen Räume begleitet wird. Die Voraussetzungen hierfür sind günstig. Und - auch das ist zu betonen - erstmals ist die Volksrepublik China ein aktiver Partner bei multilateralen Verhandlungen. Die Regierung in Peking ist unverzichtbar bei der Lösung des Nordkorea-Konflikts. Und nachdem Peking den Integrationsprozess der ASEAN-Gemeinschaft in der Vergangenheit regelmäßig behindert hat, fördert es heute diesen Konsultationsrahmen. Der Bundeskanzler hat die chinesischen Gesprächspartner ermuntert, diese kooperative Politik fortzusetzen und zu intensivieren. Auch dies war hilfreich und sollte in der verkürzten Debatte nicht untergehen.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 15.12.2004
Thema: 
Debatte um die Aufhebung des Waffenembargos gegen die Volksrepublik China