Aktuelle Stunde zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen 1 und 2 auf Drucksache 17/6438.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der Tat: Der Panzerdeal ist eine falsche Entscheidung, und das zum schlechtesten und ungeeignetsten Zeitpunkt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde, dass jetzt eine Debatte darüber geführt werden muss, ob die Außenpolitik der Bundesregierung tatsächlich, wie Außenminister Westerwelle vor zwei Jahren angekündigt hat, eine wertegebundene Außenpolitik ist oder ob es nur noch um das Geschäft geht.

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Materielle Werte!)

Ich befürchte, es geht zurzeit nur noch um das Geschäft. Wenn man sich zum Beispiel die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen vergegenwärtigt, stellt man fest, dass mehr über das Geschäft die Rede war als über die Menschenrechte. Bei dem aktuellen Panzerdeal ist, so glaube ich, das gleiche Leitmotiv zu erkennen.

Deswegen, Herr Kollege Stinner, danke ich Ihnen für Ihre mutige Forderung, dass das öffentlich wird und sich die Bundesregierung nicht länger hinter dem Verweis auf "geheim getroffene Entscheidungen" versteckt. Solche Informationen gehören in den Deutschen Bundestag. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie in der letzten Sitzungswoche unserem Antrag zugestimmt hätten, in dem nämlich genau das gefordert wurde. Deswegen biete ich Ihnen heute an: Wir bringen den Antrag im September wieder
ein - Stimmen Sie dann zu! -,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und dann werden wir die Entscheidung, die die Bundesregierung getroffen hat, hier im Deutschen Bundestag öffentlich diskutieren.

Ich dachte heute Morgen, ich sähe nicht richtig, als ich in der Süddeutschen Zeitung las, dass ein nicht genannter Vertreter der schwarz-gelben Koalition diese Entscheidung damit verteidigt hat, dass Saudi-Arabien der "letzte und wichtigste Stützpfeiler" in der Nahost- Region ist. Ich muss Sie ganz offen fragen: Würden Sie das dem tunesischen Außenminister, der gestern bei uns zu Besuch war, wirklich ins Gesicht sagen? Würden Sie das den jungen Menschen ins Gesicht sagen, die auf dem Tahrir-Platz für eine andere Gesellschaft, für ein anderes Regime gekämpft haben?

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ? Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die mussten für das Foto mit dem Außenminister herhalten! Unglaublich!)

Das sind die möglichen Verbündeten von Demokratien in Europa, denen wir uns zuwenden müssen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich habe vom ungeeignetsten Zeitpunkt gesprochen: Dort, in der arabischen Welt, versuchen Menschen trotz Unterdrückung immer noch, die Regime beiseitezuräumen. Das Verhalten der Bundesregierung ist ein Symbol für ihr falsches Verständnis davon, wie man mit dem arabischen Frühling umgehen sollte. Sie haben nicht begriffen, was auf der anderen Seite des Mittelmeeres passiert, und unterstützen es nicht. Sie gehen Kaffeetrinken. Sie suchen schöne Bilder für den Außenminister, aber machen in diesem Zusammenhang keine konkrete Politik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Wadephul, Sie können doch nicht hier behaupten, dass sich Israel in einer Situation, in der es auch um seine Existenz geht, tatsächlich auf Saudi-Arabien verlassen will. Sie können doch nicht ein so weit hergeholtes Argument dafür anführen, dass plötzlich 200 Panzer nach Saudi-Arabien geliefert werden. Dieses Regime - das wird sich die israelische Regierung sagen - ist nicht so stabil, wie es hier der eine oder andere behauptet hat. Das saudi-arabische Königshaus steht nicht nur vor einem Machtwechsel, sondern auch vor einer innenpolitischen Herausforderung. Diejenigen, die zuletzt möglicherweise entschieden haben, dass 200 Panzer nach Saudi-Arabien gehen, werden sich in 10 Jahren dafür verantworten müssen, wenn diese Panzer in Saudi-Arabien in anderen Händen sein werden. Ich finde, das lastet auf dieser Bundesregierung viel stärker als das eine oder andere, was hier gesagt worden ist. Sie müssen sich dieser Verantwortung stellen. Das haben Sie bisher weder in der Fragestunde noch in dieser Debatte hier im Deutschen
Bundestag getan.

Wir wissen - Herr Gabriel hat darauf hingewiesen -, was in den Richtlinien für den Waffenexport steht. Ich glaube, Sie können Folgendes nicht in Abrede stellen: Saudi-Arabien ist ein Spannungsgebiet, und das Land befördert Spannungen. Es gab unmittelbare Auseinandersetzungen an der jemenitischen Grenze; darüber haben wir im Auswärtigen Ausschuss schon öfter gesprochen. Huthi-Rebellen sind auf die andere Seite, nach Saudi-Arabien gekommen; dort ist es auch zu Schießereien gekommen. Möglicherweise werden dort demnächst Panzer eingesetzt. Dann werden Sie verantworten müssen, dass diese Panzer dorthin geliefert worden sind, Obwohl es sich um ein Spannungsgebiet handelt. Auch auf die Situation in Bahrain ist hingewiesen worden. Dort sind gepanzerte Fahrzeuge aus Saudi-Arabien eingesetzt worden, um die Demonstranten niederzuknüppeln.

Auch das muss hier gesagt werden; denn die Entscheidung - Sie müssen sie verantworten - steht auch in diesem Lichte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es dramatisch, dass der Bundesaußenminister vor zwei Jahren hier gesagt hat: "Ich bin der erste deutsche Außenminister, der Abrüstung wirklich ernst nimmt." Wo bleibt die Abrüstung, wenn wir 200 Panzer nach Saudi-Arabien liefern, in eine Region, wo kein Mangel an Rüstung besteht, aber ein Mangel an Kooperation, Diplomatie und gutem Willen? Sie haben die Achse der deutschen Außenpolitik in eine ungute Richtung verschoben.

Nehmen Sie diese Entscheidung wieder zurück!

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Veröffentlicht: 
Berlin, 06.07.2011
Thema: 
Zu den Panzlerlieferungen an Saudi-Arabien