Zurück zur Vernunft!
Fassungslos und weitgehend ohnmächtig beobachtet ein Teil der internationalen Staatenwelt, wie sich im Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Iran die Fronten immer weiter verhärten. Donald Trump hat die ohnehin bereits massive Militärpräsenz der USA am Persischen Golf durch die Entsendung eines Flugzeugträgerverbandes und einer Bomberstaffel weiter verstärkt. Mittlerweile stellt sich die Frage, inwieweit Präsident Trump und der Oberste Führer Ali Khamenei noch Herren der Lage sind.
Dazu trägt auch die erratische Politik des amerikanischen Präsidenten bei, der seinen Willen zu direkten Verhandlungen mit der iranischen Führung bekundete, um dem Land kurz danach in einem Tweet, den der iranische Außenminister Sarif als „genozidale Stichelei“ bezeichnete, mit der totalen Vernichtung zu drohen. Zuletzt hat der Abschuss einer Katjuscha-Rakete auf die Grüne Zone in Bagdad noch einmal deutlich gemacht, wie explosiv die Lage ist. Und mit jeder weiteren Provokation zwischen Iran und USA wächst die Gefahr, dass es am Ende zu einem (unbeabsichtigten) Waffengang kommt, mit weitreichenden Folgen über die gesamte Krisenregion hinaus.
Gegen einen Krieg spricht allerdings die tiefgehende Skepsis des amerikanischen Präsidenten gegen Militäreinsätze, die er im Übrigen mit seinem ansonsten verhassten Vorgänger Barack Obama teilt. Eines der zentralen Wahlversprechen seiner „America First“-Wahlkampagne lautete, die US-Truppen nach Hause zu holen und die kostspieligen Verstrickungen in endlose Kriege wie Afghanistan zu beenden. Ein militärischer Konflikt mit dem Iran würde nicht nur ein zentrales Wahlkampfversprechen Trumps mitten im heraufziehenden Präsidentschaftswahlkampf brechen, es gibt dafür in den USA derzeit auch schlicht keine Zustimmung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein militärischer Konflikt grundsätzlich ausgeschlossen wäre, zumal Trumps Nationaler Sicherheitsberater, John Bolton die Konfrontation mit Teheran kräftig anheizt. Außenminister Pompeo zeichnet sich leider in dieser Frage ebenso als Scharfmacher aus. Trump versucht sich jedoch ganz offensichtlich gegen das Narrativ zu wehren, dass Bolton den ahnungslosen Commander-in-Chief in eine Eskalation treibe, ohne dass dieser es merke.
Gleichwohl ist eine ungewollte militärische Eskalation des Dauer-Konflikts mit dem Iran angesichts der angespannten Lage jederzeit möglich. Die von Trump verfolgte Politik des „maximalen Drucks“ gegenüber Teheran hat naturgemäß das Risiko einer Konfrontation erhöht. Der amerikanische Präsident ist offenbar der festen Überzeugung, dass nur er persönlich durch direkte Verhandlungen mit der iranischen Führung ein umfassenderes und besseres Abkommen erzielen kann, als den von ihm gekündigten Iran-Deal, den die EU-3 und sein Vorgänger in langwierigen Gesprächen mühsam ausgehandelt haben. Was ihn zu dieser Überzeugung bringt, bleibt allerdings sein Geheimnis. Denn Trumps hohe Meinung von seiner Verhandlungskunst kollidierte bereits im Falle seiner Nordkorea-Diplomatie schmerzhaft mit der Realität und es ist mittlerweile nicht unwahrscheinlich, dass auch die Handelsgespräche mit der VR China in einem ökonomischen und politischen Desaster enden werden.
Die Parallelen zwischen der Nordkorea-Politik und der derzeitigen Iran-Strategie sind nicht von der Hand zu weisen. Auch der nordkoreanische „kleine Raketenmann“, Kim Jong Un wurde zur Zielscheibe gewaltiger Drohungen, die zu massiven gegenseitigen Beleidigungen führten, um sodann in Liebesbekundungen und dem Schauspiel eines weltverändernden Gipfels zu münden, dessen Erwartungen sich allerdings nicht erfüllten, woran auch ein zweites Gipfeltreffen nichts ändern konnte.
Die jüngste Eskalation im Konflikt mit dem Iran ist zudem ein weiteres Paradebeispiel für Trumps Fähigkeit Probleme zu schaffen, die er dann zu lösen vorgibt. So verkündet der amerikanische Präsident völlig ironiefrei, dass er nicht zulassen werde, dass Teheran Atomwaffen bekomme, obwohl er es war, der am 8. Mai 2018 das Atomabkommen handstreichartig kündigte, ohne jegliche realistische Alternative zu haben. Mit Kim Jong Un wurde einer der schlimmsten nuklearen Regelbrecher von Trump aus seiner Isolation befreit und mit zwei Gipfeltreffen belohnt, ohne dafür sein illegales Nuklearprogramm aufgeben zu müssen. Dagegen pulverisierte der US-Präsident im Alleingang das Nuklearabkommen mit dem Iran, obwohl sich Teheran nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde erwiesenermaßen an dessen Pflichten und Regeln gehalten hat. Dabei trug dieses Abkommen maßgeblich dazu bei, die Gefahr zu bannen oder zumindest zu verzögern, die Trump nun eindämmen will, nämlich den Bau einer iranischen Atombombe.
Die EU muss deshalb alles versuchen, um das Abkommen zu retten. Es ist nach wie vor die beste und einzige Möglichkeit zu verhindern, dass Iran zur Atommacht wird. Es legt strenge Regeln fest, deren Einhaltung durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) überwacht wird. Darüber hinaus gehende Hoffnungen und Erwartungen haben sich leider zerschlagen. Zwar führte das Abkommen zu Hoffnungen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung im Iran, die aber seit der Wiederaufnahme der US-Sanktionen verflogen sind.
Die Erwartungen, die destabilisierende Außenpolitik Teherans in Syrien, im Jemen, im Libanon und im Irak durch das Abkommen zu mäßigen, waren von Beginn an unrealistisch. Wenn überhaupt, dann hätte das Abkommen unter besseren Bedingungen Vertrauen schaffen können zugunsten weiterer Schritte. Die direkten und indirekten Kriegsbeteiligungen folgen einer ganz anderen Logik in Teheran. Solange sich das Regime auf einer Achse des Bösen wähnt und glaubt, den inneren und äußeren Bedrohungen nur durch den Aufbau von Schattenarmeen schiitischer Milizen Herr werden zu können, wird sich an dieser Politik nichts ändern. Um das Regime im Innern weniger angreifbar zu machen, werden Unruhen an anderen Stellen angeheizt, eine Methode, die auch schon andere angewandt haben.
Auch wenn die Vertragspartner Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China beteuern, an dem Abkommen festhalten zu wollen, können sie nicht verhindern, dass sich die meisten ihrer Unternehmen aus Sorge vor US-Sanktionen aus dem Iran-Geschäft zurückziehen. Die Möglichkeiten der EU sind begrenzt. Sie haben zwar einen Zahlungsmechanismus (INSTEX) installiert, der amerikanische Sanktionen umgehen soll, aber sie kann europäische Unternehmen nicht dazu zwingen, Geschäfte mit Iran zu machen, wenn der Preis dafür ihr Ausschluss vom amerikanischen Markt ist. Dass die Europäer nicht innerhalb der von Teheran gesetzten 60-Tage-Frist in der Lage sein werden, den Weg für den Öl-Handel und Bankgeschäfte zu ebnen, liegt auf der Hand. Ohnedies ist Teheran nicht in der Position, Ultimaten zu stellen.
De facto führt die US-Regierung einen Wirtschaftskrieg gegen Teheran und die Staaten, die sich nicht bedingungslos der US-Linie anschließen mit dem Ziel, das Land in die Knie zu zwingen. Damit der Ölpreis dabei nicht durch die Decke geht, soll der amerikanische Bündnispartner Saudi-Arabien durch Erhöhung seiner Fördermenge den Ausfall des iranischen Öls auf dem Weltmarkt kompensieren. Mit anderen Worten: Um Teheran einzuhegen, wird die genauso gefährliche und verbrecherische saudische Kleptokratie bedingungslos unterstützt – nicht zuletzt durch amerikanische Waffenlieferungen.
Die Iranpolitik der Trump-Regierung ist zwar erratisch und unabgestimmt, sie steht aber durchaus in einer langen Tradition US-amerikanischer Politik gegenüber dem verhassten Mullah-Regime, die sich mit den Zielen Eindämmung und regime change zusammenfassen lässt. Darin finden sich auch Elemente einer noch älteren und weitgehend in Vergessenheit geratenen Richtung amerikanischer Außenpolitik, benannt nach dem 7. Präsidenten Andrew Jackson. „Jacksonians“, wie Trump und Bolton, sehen die USA als „tough guy“, der seine Interessen am besten alleine und ohne Rücksicht auf Verluste verfolgt. Bündnisse stören dabei nur und Gegnern und Herausforderern muss mit aller Macht und Entschlossenheit entgegengetreten werden.
Bereits in den 1980er Jahren hat man den Irak Saddam Husseins gegen Teheran in Stellung gebracht und aufgerüstet, man hat gegen das Land immer wieder Sanktionen verhängt und in seiner Nachbarschaft Krieg geführt – vom Irak über Afghanistan bis nach Syrien. Mit dem Ergebnis, dass Teheran trotzdem (oder gerade deshalb) heute die einflussreichste Regionalmacht im Nahen Osten ist. Vier Jahrzehnte verbissen sich US-amerikanische Regierungen geradezu zwanghaft in eine gescheiterte Nahostpolitik und erreichten damit das genaue Gegenteil dessen, was man beabsichtigte.
Die EU muss sich dieser konfrontativen und risikoreichen US-Politik entgegenstellen. Sie gefährdet zentrale Sicherheitsinteressen Deutschlands und Europas im Nahen Osten, wäre ein schwerer Rückschlag im Kampf gegen die Verbreitung von Atomwaffen und kann zu einer weiteren Destabilisierung der Region führen. Dies bedeutet auch, Washington deutlich zu machen, dass Militärschläge gegen Iran keine europäische Unterstützung erhielten. Zumindest hat Trump mit seiner Politik erreicht, dass die EU in dieser wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Frage einig war und ihre Position gegenüber der US-Administration sehr deutlich gemacht hat. Es kommt nicht häufig vor, dass – wie Spanien – ein Bündnispartner mit Bezug auf die Entscheidung der EU seine Fregatte aus dem US-amerikanischen Flottenverband abzieht, der sich auf dem Weg in den Persischen Golf befindet.
Gleichzeitig müssen die Europäer dem Iran verdeutlichen, dass militärische Provokationen nicht zu akzeptieren sind und ihm eindringlich vermitteln, dass ein substanzieller Verstoß gegen Bestimmungen des Atomabkommens zwingend das Ende der Vereinbarung zur Folge hätte. Man sollte gegenüber Teheran dieselbe Strategie anwenden, die 2015 zum Atomabkommen führte: eine wohldosierte Mischung aus Diplomatie, Druck und Sanktionen. Die USA unter Trump haben sich offensichtlich von dieser Art der Diplomatie verabschiedet und eine Rückkehr scheint derzeit äußerst unwahrscheinlich. Denn dazu müsste Trump den Sinn von multilateralen Abkommen begreifen und verstehen, dass man Freunde braucht, um Gegner wie den Iran wirksam und dauerhaft einzudämmen. Es geht nun unmittelbar darum, das Abkommen zu retten und einen Krieg in der Region zu verhindern. Mittelfristig sollten wir darauf hinarbeiten, dass eine neue US-Regierung nach den Präsidentschaftswahlen im November nächsten Jahres in das Atomabkommen zurückkehren kann. Bis dahin müssen wir im Kongress und der amerikanischen Öffentlichkeit für den Erfolg des Atomabkommens weiter werben.