Das Werk mutiger Menschen

Unmittelbar vor dem 50-jährigen Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland begehen wir heute in Köln einen besonderen Tag: Vor 60 Jahren wurde die erste israelische Mission auf deutschem Boden eröffnet. Nur acht Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Schoah, der Katastrophe der Juden in Europa, stimmten die Regierungen der beiden Länder - des Landes der Täter, Deutschland, und des Landes der Opfer, Israel - darin überein, dass es der Zusammenarbeit bedarf, um eine gemeinsame Zukunft zum Wohle beider Völker zu schaffen. Das Luxemburger Abkommen aus dem Jahr 1952 gilt in der jüngeren Geschichte der Menschheit als moralischer Meilenstein. Aus deutscher Sicht bestand die Bedeutung dieses moralischen Schrittes darin, dass Deutschland die Verantwortung für die Ausgrenzung, die Vertreibung und die Ermordung der europäischen und nordafrikanischen Juden übernahm, indem es sich zur Entschädigung der Opfer und ihrer Familien verpflichtete und anerkannte, dass der neu gegründete Staat Israel als Souverän die Opfer vertritt. Aus israelischer Sicht bestand die Bedeutung dieses Schrittes darin, dass eine geistige Stärke demonstriert wurde, die die Aufnahme eines Dialogs zwischen dem Staat, der aus der Asche der Ermordeten erstand, und dem Staat, der aus den Ruinen der Mörder erstand, ermöglichte.

So machte sich im Jahr 1953 in einem kleinen Gebäude der jüdischen Gemeinde Kölns eine Schar entschlossener und von Zuversicht erfüllter israelischer Diplomaten unter der Leitung Felix Shinnars an eine Aufgabe, die wahrlich nicht einfach war: die Wiederaufnahme und Aufrechterhaltung eines produktiven Dialogs mit der deutschen Regierung. In der israelischen Gesellschaft galt dies als Tabu. Unter großem Protest der israelischen Öffentlichkeit, aber in der Einsicht, dass das Unterfangen im Interesse beider jungen Staaten lag, brachten die israelischen Diplomaten und ihre deutschen Gesprächspartner die bilateralen Beziehungen auf den guten Weg, auf dem sie sich heute befinden. Mit dem ersten Besuch eines deutschen Bundeskanzlers im Jahr 1973 haben Willy Brandt ebenso wie Bundespräsident Johannes Rau mit seiner Rede vor der Knesset im Jahr 2000 hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet.

Die Geschichte der Juden und der zionistischen Bewegung in der Stadt Köln ist reich an Höhen und Tiefen. Köln ist ein Hort jüdischer Kultur und eine Geburtsstätte der zionistischen Bewegung, aber auch ein Ort von Verfolgung, Vertreibung und Zerstörung; angefangen von den Juden, die nach der Vertreibung aus Eretz Israel bereits im vierten Jahrhundert in Köln eine erste, in der christlichen Gesellschaft involvierte Gemeinde gründeten, über die Vertreibungen in der Zeit der Kreuzzüge, bis zur Vertreibung und Ermordung in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Angesichts dieser Geschichte war es eine weitreichende Aufgabe, der sich die zionistische Bewegung stellte: die Errichtung einer jüdischen Heimstatt im Land Israel.

Was damals in Köln vor sechzig Jahren begann, ist heute tief und reich an Dimensionen. Der umfangreiche Dialog und die besonderen Beziehungen zwischen den beiden Staaten berühren alle Bereiche der Gesellschaft und der Identität der beiden Völker: Wirtschaft, Kultur, Gesellschaft, regionale Themen und vor allem Wertvorstellungen, die beide Völker miteinander teilen.

So dient zum Beispiel die Städtepartnerschaft zwischen Köln und Tel Aviv schon seit mehr als 40 Jahren als Vorbild und schafft Raum für Begegnung zwischen Israelis und Deutschen, die eine gemeinsame Zukunft gestalten wollen - auf Grundlage essenzieller Werte und zugleich die gemeinsamen Herausforderungen im Blick.

Die heutige Veranstaltung hier in der Ottostraße 85, dem Sitz der ersten israelischen Mission in Deutschland, hat für uns eine große Bedeutung. Im Licht der langen und komplexen Geschichte der Juden in der Stadt Köln hätte kein symbolträchtigerer Ort gewählt werden können, um Israel nach dem großen Bruch auf deutschem Boden zu repräsentieren.

Wir wurden beide in den 50er Jahren geboren. Die Schoah warf ihren schweren Schatten auf unser beider Kindheit, und der Schrecken der Vergangenheit beeinflusste, wenn auch in unterschiedlicher Weise, unsere persönlichen und beruflichen Wege. Nicht umsonst fühlen wir uns beide einer gemeinsamen Zukunft der beiden Völker verpflichtet, nicht umsonst wollen wir beide eine Zukunft frei von Hass und Rassismus.

Die gemeinsame Vergangenheit ist der wesentliche und prägende, aber nicht der einzige Bestandteil der besonderen deutsch-israelischen Beziehungen. Nur die Verknüpfung von beidem, Vergangenheit und Gegenwart, wird uns allen eine bessere Zukunft eröffnen, weil die Schoah unsere Schicksale für immer verbunden hat.

Mit unserer Entscheidung, gemeinsam diesen Artikel zu schreiben, geht das Versprechen einher, das Erbe zu verwirklichen, das uns der Gründervater des jüdischen Staates, David Ben Gurion, und der Gründervater der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer, ebenso wie Bundeskanzler Willy Brandt und Bundespräsident Johannes Rau hinterließen: die beiden Völker einander anzunähern und ihre Beziehung zu festigen.

Autor: 
Von Yakov Hadas-Handelsman und Rolf Mützenich
Thema: 
Im Jahr 1953 nahm Israel den Dialog mit der deutschen Regierung wieder auf - In Köln wurde vor 60 Jahren die erste diplomatische Mission eröffnet.
Veröffentlicht: 
Kölner Stadt-Anzeiger, 15.10.2013