Verkörperung des besseren Amerika

Wenn Barack Obama an diesem Donnerstag beim World Leadership Summit in der Kölner Lanxess-Arena auftritt, spricht einiges dafür, dass er wie ein Popstar gefeiert werden wird. Der erste schwarze US-Präsident verkörpert die deutsche Sehnsucht nach dem „anderen“ und „besseren“ Amerika. Obama war vom ersten Tag an eine Ikone. Er hatte (und hat) Charisma, Charme und Stil. Die Unterschiede zwischen ihm und seinem Nachfolger könnten nicht größer sein. Obama stand für Multilateralismus, Allianzen, Freihandel, Klimaschutz, Abrüstung und Versöhnung; Donald Trump steht für „America First“, Protektionismus, die Leugnung des Klimawandels, Aufrüstung, Hassreden und Spaltung. Trump ist geradezu der „Anti-Obama“ – im Vergleich zu ihm wirkt selbst George W. Bush wie eine Lichtgestalt.

Als Obama am 20. Januar 2009 seinen Amtseid ablegte, war dies mit vielen Hoffnungen verbunden. Nach Bush junior, der sein Land 2003 in den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg geführt hatte, war die US-amerikanische Gesellschaft tief gespalten. Obamas Wahl führte zu einem kollektiven Aufatmen und verdeutlichte auch die Stärke und die Selbstheilungskräfte des politischen Systems der Vereinigten Staaten. Ein Befund, der auch Hoffnung für die Präsidentschaftswahlen 2020 macht.

Die ersten beiden Jahre von Obamas Amtszeit waren denn auch vielversprechend. In programmatischen Reden warb der neue Präsident in Prag (5. April 2009) für eine atomwaffenfreie Welt, in Kairo (4. Juni 2009) für Frieden und Versöhnung zwischen den USA und der islamischen Welt. Er ordnete den Abzug der US-Truppen aus dem Irak an und ermöglichte das innenpolitisch umstrittene Atomabkommen mit dem Iran. Auch an Russland sandte er Entspannungssignale. Er verzichtete auf den geplanten globalen Raketenschutzschild und schloss 2010 mit Präsident Dmitri Medwedew den New-Start-Vertrag ab, der die Zahl der strategischen nuklearen Gefechtsköpfe auf 1550 begrenzte. Er ist nach der inzwischen erfolgten Kündigung des INF-Vertrages und des iranischen Atomabkommens durch Trump im Übrigen der letzte Abrüstungsvertrag. 2021 läuft er aus, und seine Verlängerung ist derzeit alles andere als gewiss.

Im Oktober 2009 erhielt Obama „für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken“, den Friedensnobelpreis, eine Art Vorschusslorbeer, der sich im Nachhinein als vorschnell erwies.

Der erste schwarze US-Präsident hat in seiner Amtszeit viel erreicht, konnte einige Erwartungen aber nicht erfüllen. Mit der umstrittenen Gesundheitsreform Obamacare ermöglichte er Millionen Amerikanern den Zugang zu einer Krankenversicherung. Die teure Bankenrettung und die von den Demokraten durchgepaukte Gesundheitsreform führten aber zu einem weiteren radikalen Rechtsruck der Republikanischen Partei. Die Tea-Party-Bewegung kostete die Demokraten schon 2010 die Mehrheit. Danach konnte Obama keine größere innenpolitische Reform mehr durchbringen.

Auch außenpolitisch ist seine Bilanz durchwachsen. In Teilen justierte Obama die Außenpolitik der Vereinigten Staaten auf fundamentale Art und Weise neu, setzte auf Diplomatie, suchte den Ausgleich mit jahrzehntelangen Feinden wie Kuba, Vietnam und Iran.

Kurz vor Ende seiner Amtszeit ratifizierten die USA das Klima-Abkommen von Paris und verpflichteten sich damit auf das Zwei-Grad-Ziel. Mit dem 2016 geschlossenen Transpazifischen Handelsabkommen (TTP) versuchte Obama, das aufstrebende China in eine multilaterale Ordnung einzubinden. Präsident Trump beerdigte zum Entsetzen vieler und zur Freude Pekings diese internationalen Projekte.

Dass Obamas Außenpolitik trotzdem als einer der Schwachpunkte seiner Amtszeit gelten muss, liegt vor allem an seiner Nahostpolitik. So hatte die Obama-Administration lange Zeit Schwierigkeiten, eine zukunftsgerichtete Haltung zur „Arabellion“ zu finden, und auch am Friedensprozess zwischen Israel und Palästina verlor sie das Interesse. In Libyen verpasste es der US-Präsident, für eine Nachkriegsordnung zu sorgen.

Als größter Makel seiner Präsidentschaft gilt das Desaster in Syrien. Zu lange vertraute Obama darauf, dass sich das Problem Baschar al-Assad von alleine lösen würde. Er hielt sich nicht an die von ihm gesetzten roten Linien und schuf ein machtpolitisches Vakuum, in das Iran und die Türkei vorstießen sowie seit Sommer 2015 auch Putins Russland, das Obama unmittelbar nach der Krim-Annexion noch als „Regionalmacht“ gedemütigt hatte.

Barack Obama hat das Amt geprägt wie kein anderer Präsident seit John F. Kennedy. Der geschickte Einsatz der sozialen Medien half ihm dabei, ebenso wie die intellektuelle Brillanz, mit der er Politik zu vermitteln vermochte. Er selbst bezeichnete es als seine größte Niederlage, dass es ihm nicht gelungen sei, die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft zu überwinden. Was die Europäer wirklich an Obama hatten, wurde ihnen wohl spätestens bewusst, als Trump die Präsidentschaftswahl gewann und die internationale Politik sowie das transatlantische Verhältnis mit völlig neuen Herausforderungen konfrontierte.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Thema: 
Barack Obama hat das Amt geprägt wie kein anderer Präsident seit John F. Kennedy. Heute tritt er in Köln auf.
Veröffentlicht: 
Kölner Stadt-Anzeiger, 04.04.2019