Warum ich dem Tornadoeinsatz zugestimmt habe

Bereits die Vorgeschichte der Afghanistan-Mandate war innerhalb der SPD-Fraktion heftig umstritten. So konnte Gerhard Schröder nur indem er die Vertrauensfrage stellte, eine Mehrheit für das ISAF-Mandat im Bundestag erreichen. Und: Sowohl ISAF wie auch OEF sind robuste Mandate nach Kapitel VII UN-Charta. Der Tornadoeinsatz stellt in diesem Sinne keine neue Qualität dar.

Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich im letzten Jahr verschlechtert. Dies gilt vor allem für den Süden und den Osten des Landes. Vor allem entlang der Grenze zu Pakistan gerät die Lage zunehmend außer Kontrolle. Zugleich gilt jedoch davor zu warnen, die erfolgreiche deutsche Arbeit im Norden Afghanistans gegenüber den Kämpfen im unruhigen Süden auszuspielen. Der Norden ist nicht deshalb so ruhig und stabil, weil dort die Deutschen eine zweifellos beachtenswerte Aufbau- und Stabilisierungsarbeit leisten, sondern die Bundeswehr ist in den Norden gegangen, weil dieser vergleichsweise friedlich ist.

Ich habe mir diese Entscheidung nicht leicht gemacht und bin mir sehr wohl bewusst, dass Afghanistan in erster Linie zivile Wiederaufbauhilfe braucht. Der Primat des zivilen Wiederaufbaus darf sich dabei nicht in Lippenbekenntnissen erschöpfen. Notwendig ist deshalb eine grundlegende Überprüfung der Afghanistan-Strategie, bei der die notwendige Bekämpfung der Taliban durch zivile und politische Initiativen ergänzt werden muss. Es ist nicht zuletzt ein Erfolg der Bundesregierung, dass der NATO-Gipfel in Riga sich für eine umfassende Afghanistan-Strategie und eine stärkere Betonung des zivilen Engagements ausgesprochen hat. Es ist nun Aufgabe dies während der EU-Ratspräsidentschaft weiter voranzutreiben. Wenn Afghanistan nicht scheitern soll, müssen wir über ganz andere Dinge reden als über sechs Tornados: Der zivile Aufbau muss konsequent unterstützt, der politische Prozess vorangetrieben werden. Mittelfristig muss der Drogenanbau bspw. durch Aufkauf der Ernte und alternative Nutzung bekämpft werden. Die nationale Polizei und Armee müssen aufgebaut werden und vieles Mehr. Dabei gilt: Auch noch so viele zivile Projekte, so nötig und begrüßenswert sie sind, werden das militärische Vorgehen gegen die Taliban nicht überflüssig machen können. M.a.W.: Es muss alles getan werden, um zu verhindern, dass das geschundene Land wieder in einen blutigen Bürgerkrieg zurückfällt und die gesamte Region destabilisiert wird. Dies erfordert Zeit, Geld und einen langen Atem. Der Beschluss der Bundesregierung, ihre Mittel für den zivilen Wiederaufbau in Afghanistan in diesem Jahr um ein Viertel auf 100 Mio. ? zu erhöhen geht deshalb in die richtige Richtung. Die Wiederaufbaupolitik muss zudem noch stärker an den Bedürfnissen des Landes ausgerichtet und intensiviert werden. Die Alternative, dass Land und seine Nachbarn sich selbst und den Taliban zu überlassen, wäre unverantwortlich und könnte die gesamte Region ins Chaos gleiten lassen.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Thema: 
Tornados für Afghanistan
Veröffentlicht: 
erscheint in spw 2/2007, Heft 154