Für eine starke Justiz

Der Pakt für den Rechtsstaat hat der Justiz und dem Rechtswesen im Allgemeinen starken Aufwind gegeben. Diesen Schwung wollen wir nutzen, um die notwendige Modernisierung in allen Bereichen voran zu treiben. Hierfür bedarf es einer umfassenderen Betrachtung des Status quo. Ein demokratischer Rechtsstaat, dem die Bürgerinnen und Bürger Vertrauen entgegenbringen, ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine von Menschen hart erarbeitete und verteidigte Errungenschaft. Gerade in Zeiten, in denen der Fokus besonders auf den staatlichen Institutionen liegt, zeigt sich, wie robust und effektiv diese sind – und wo Verbesserungsbedarf besteht. 2019 haben wir mit dem Pakt für den Rechtsstaat wichtige Maßnahmen beschlossen und damit Verbesserungen vorangetrieben. Innerhalb von vier Jahren wurden in den Ländern über 2.000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen. Gleiches gilt für die Stellen in der Bundesjustiz. Die große Personallücke, die sich über Jahre in der Justiz aufgetan hat, konnte damit verkleinert werden. Diesem ersten Schritt muss aber ein größerer folgen. Denn: Die Personallücke wurde zwar verkleinert, aber nicht geschlossen. Wir müssen genau evaluieren, wo noch Personalbedarf bei den Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten besteht, um gezielt für Entlastung zu sorgen. Gerade in den ostdeutschen Ländern steht eine große Pensionierungswelle an, die wir berücksichtigen müssen, ebenso wie die Tatsache, dass die Aufgaben der Justiz in den nächsten Jahren wachsen werden. In dieser Legislaturperiode haben wir deshalb eine Reihe notwendiger Gesetze – insbesondere Strafgesetze – beschlossen, die in der Stellenplanung ihren Niederschlag finden müssen. Auch beim nicht-richterlichen Justizpersonal erweist sich die Stellenbesetzung bislang noch als schwierig. Bund und Länder müssen diese dramatische Personalnot im „Maschinenraum der Justiz“ dringend thematisieren und mit einer besseren Bezahlung gegensteuern. Nicht zuletzt, um dieses Berufsbild auch für junge Menschen attraktiver zu machen. Wir wollen den Fokus des neuen Rechtsstaatspaktes aber auf die Verbesserung des Arbeitsumfeldes der Justiz und des Rechtswesens im Allgemeinen legen. Personalaufstockung kann nur dann zu einer höheren Effizienz der Justiz führen, wenn im Gleichschritt das Arbeitsumfeld angepasst und verbessert wird. Auch hier muss genau hingeschaut werden, beispielsweise ob genügend Büroräume oder auch Verhandlungssäle vorhanden sind. Nicht selten werden Büros doppelt oder sogar mehrfach besetzt oder kann Saalknappheit zu einem Terminstau führen. Entscheidend für die Zukunftsfähigkeit der Justiz ist die Digitalisierung der Verfahren und die Qualität der technischen Ausstattung. Grundlegend ist dabei nicht nur die Frage, welche Bereiche digitalisiert werden, sondern, welche analog bleiben müssen. Wichtig ist dabei, sowohl kleine, als auch große Aspekte im Blick zu behalten. Angefangen bei einer funktionierenden Serverstruktur, die eine flüssige Arbeit ermöglicht, hin zu durchweg digitalen Kommunikationswegen und der Möglichkeit Verhandlungen per Videoplattform durchzuführen. Das alles darf jedoch nicht zum Selbstzweck werden. Entscheidend ist, dass die hohe Sicherheit, Transparenz und Qualität der Justiz gewahrt bleiben. Aus diesem Grund sollten die digitalen Lösungen möglichst „aus einer Hand“ kommen. Hier gilt es, die Kräfte des Bundes und der Länder zu bündeln, wie dies bereits beim ersten Pakt für den Rechtsstaat der Fall war. Nicht zuletzt müssen wir aber auch „über den Tellerrand“ hinausschauen. Wenn es vernünftige Mittel und Wege gibt, die Anwaltschaft in den Pakt mit einzubeziehen, stehen wir dem offen gegenüber. Auch die Verfahrensregelungen in den Prozessordnungen werden wir auf ihre Zukunftsfähigkeit überprüfen. Mit dem ersten Pakt für den Rechtsstaat haben wir einen wichtigen ersten Schritt gemacht. Mit einer Neuauflage wollen wir in diese Richtung weitergehen.

Autor: 
Rolf Mützenich
Thema: 
Pakt für den Rechtsstaat
Veröffentlicht: 
Deutsche Richterzeitung, Heft 7-8/2021, S. 269.