"Zur Rückkehr zur Diplomatie gibt es keine Alternative"
Mit der faktischen Annexion der Krim stellt Russland die Grundlagen der europäischen Sicherheitsordnung in Frage. Im Gegensatz zu denen, die schon immer alles gewusst und vorhergesehen haben, hätte ich persönlich diesen Rückfall in Chauvinismus und das Denken in Einflusszonen in Europa 25 Jahre nach Ende des Kalten Krieges nicht mehr für möglich gehalten.
All denjenigen, die die Krim-Krise als Beweis dafür sehen, dass das Konzept der sozialdemokratischen Entspannungspolitik nun endgültig gescheitert sei, kann man nur erwidern: Durch die russische Aggression ist nicht die Entspannungspolitik desavouiert, sondern sie beweist im Gegenteil deren unveränderte Notwendigkeit. Gerade in Zeiten neuer Spannungen brauchen wir eine neue Entspannungspolitik. Doch dazu gehören zwei. Und ja, Empathie für Russland ist wichtig. Sie bedeutet jedoch nicht, dass man das Vorgehen Moskaus billigt.
Deswegen gilt es bei allem Verständnis für die russischen Einkreisungs- und Bedrohungsängste ein paar Dinge unmissverständlich klar zu stellen: Die Annexion der Krim durch Russland ist völkerrechtswidrig. Daran gibt es nichts zu deuteln. Moskau verstößt gegen die UN-Charta, die KSZE-Schlussakte von Helsinki und ein gutes Dutzend weiterer bi- und multilateraler völkerrechtlicher Verträge, u.a. die Budapester Erklärung von 1994, in der sich die Ukraine, die USA, Großbritannien und Russland am Rande einer KSZE-Konferenz dazu verpflichteten, Unabhängigkeit, Souveränität, territoriale Integrität und Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen der Ukraine zu garantieren. Im Gegenzug verzichtete diese die Ukraine auf die auf ihrem Staatsgebiet lagernden 1.600 sowjetischen Atomsprengköpfe und trat dem Atomwaffensperrvertrag bei.
Mit der Einverleibung der Krim hat Putin Fakten geschaffen. Zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkrieges hat eine Großmacht Europas Grenzen durch Gewalt verändert. Man muss der russischen Seite nun klar machen, dass es zur Rückkehr zur Diplomatie keine Alternative gibt. Wir brauchen dringend eine starke Beobachtermission der OSZE im Osten und Süden der Ukraine und das Unterlassen von Provokationen. Die OSZE muss gestärkt werden und Abrüstung und Rüstungskontrolle gehören dringend wieder auf die europäische Tagesordnung. Und wir sollten über der Ukraine nicht vergessen, dass wir bei der iranischen Atomkrise und dem syrischen Bürgerkrieg weiterhin mit Russland zusammenarbeiten müssen. Mit seinem Vorgehen schadet Russland nicht nur der europäischen Friedensordnung, sondern am meisten sich selbst. Nicht zuletzt befördert Putin das, was er unter allen Umständen verhindern wollte: Eine Ukraine, die den Weg in die EU sucht.