Für eine restriktive und transparente Rüstungsexportpolitik

Es war eines der Lieblingsthemen des scheidenden Außenministers. Guido Westerwelle hat bis zuletzt versucht, sich als "Abrüstungsminister" zu inszenieren - allerdings ohne nachhaltige Erfolge vorweisen zu können. Erst wenige Tage vor der Bundestagswahl entdeckte er dann seine Sympathie für restriktive Rüstungsexportrichtlinien. Die Zahlen sprechen jedoch eine andere Sprache: Deutschland ist in der letzten Wahlperiode zum drittgrößten Waffenexporteure weltweit aufgestiegen und belegt nun schon im dritten Jahr in Folge Platz drei hinter den USA und Russland. Eine besonders beliebte Exportregion bleibt der Nahe Osten, wo sich die Rüstungsausgaben in den letzten zehn Jahren verdoppelt haben. Unter der Regierung von Angela Merkel genehmigte die Bundesrepublik so viele Anfragen für Rüstungsausfuhren nach Saudi-Arabien und in die Staaten der Golfregion wie nie zuvor. Im Jahr 2012 haben sich die Exporte in die Region mehr als verdoppelt, bester Kunde ist Saudi-Arabien, das allein 1,24 Milliarden Euro für Rüstungsgüter aus deutscher Produktion ausgab, neunmal soviel wie 2011. Die jüngst bekannt gewordenen geplanten Panzerlieferungen nach Katar, das mit 62 modernen Leopard-2-Kampfpanzer und 24 Panzerhaubitzen beliefert werden soll, sowie weitere Rüstungs-Verträge mit Saudi-Arabien (270 Leopard-2-Kampfpanzer, 50 Marder-Schützenpanzer und Patrouillenboote) Algerien (1.200 Fuchs-Radpanzer), Israel (mehrere Atom-U-Boote), Ägypten (zwei U-Boote) und Angola (Patrouillenboote) runden das negative Bild ab.

Man weiß nicht, ob man diese Haltung blauäugig oder zynisch nennen soll. Vermutlich ist es eine ungute Mischung aus beidem. Offensichtlich hat die Bundesregierung mit der deutschen Rüstungsindustrie einen stillschweigenden Deal geschlossen, nachdem die - nicht zuletzt als Folge der Eurokrise - sinkenden staatlichen Aufträge durch weniger Beschränkungen für Rüstungsexporte wieder wett gemacht werden können. Ansonsten schaltet die Bundesregierung, wenn es um mögliche Waffenlieferungen in die arabische Welt geht, gern auf Autopilot, verweist auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat und hüllt sich dementsprechend in Schweigen. 

Nun gebietet es die politische Ehrlichkeit zuzugeben, dass Deutschland bereits unter Rot-Grün und Schwarz-Rot hohe Kennziffern bei der Ausfuhr von Rüstungsgütern vorzuweisen hatte. Allerdings wurde die meisten Rüstungsgüter in NATO- und NATO-gleichgestellte Länder geliefert und nicht in Spannungsgebiete Damals gab es neben der öffentlichen Kritik auch sehr intensive Debatten in den Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, was wie im Falle von China auch parlamentarische Folgen hatte. Demgegenüber ist die Gleichmütigkeit, mit der die Spitzen der FDP- und CDU/CSU-Fraktionen die geplanten Panzerdeals mit Saudi-Arabien und Katar schweigend hinnahmen, ein parlamentarisches Armutszeugnis.

Unter schwarz-gelb sind Rüstungsexporte auch und gerade in Krisenregionen zum "Normalfall" geworden. Die seit 2000 bestehenden, von Rot-Grün beschlossenen »Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern« wurden von der Regierung Merkel systematisch umgangen. Dazu gehören Waffenlieferungen an vermeintliche »Stabilitätspartner«, respektive an Regierungen, die bereit sind, gegen unliebsame »Terroristengruppierungen« vorzugehen. Rüstungswettläufe wiederum befördern Spannungen in einer Region, die nicht an einem Mangel an Waffen leidet, sondern an einem Mangel an Vertrauen und politischer Kooperation.

Fest steht: Die Ausweitung von Rüstungsexporten aus wirtschaftlichen Gründen als Ersatz für eine vorausschauende Außenpolitik ist ein Irrweg. Die derzeitige Praxis bei Rüstungsexportgenehmigungen ist zudem intransparent und vordemokratisch. Wir brauchen ein verbindliches und transparenteres Rüstungsexportgesetz, in dem festgelegt wird, nach welchen Kriterien Länder deutsche Waffen erhalten dürfen. Ziel muss es sein, dass eine künftige Regierung - sei es mit oder ohne SPD-Beteiligung - die Praxis der Rüstungsexportgenehmigungen restriktiver und transparenter zu gestalten. Dies darf durch eine europäische Harmonisierung nicht unterlaufen werden.
 

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Thema: 
Debatte
Veröffentlicht: 
spw 5 / 2013, Heft 198, S. 11