Liefert den Rebellen keine Waffen!

Briten und Franzosen wollen die syrischen Rebellen im Kampf gegen das grausame Assad-Regime aufrüsten. Das ist der falsche Weg. Es gibt nicht zu wenig, sondern zu viele Waffen in Syrien. Deutschland muss hart bleiben und auf einer Verlängerung des EU-Embargos bestehen.

Die bisherige Bilanz des bewaffneten Konflikts in Syrien ist erschütternd: Mehr als 70.000 Menschen fielen dem grausamen Bürgerkrieg zum Opfer, unter ihnen wahrscheinlich 15.000 Kinder. Eine Million Menschen haben ihre Heimat verlassen müssen. Es gibt Hunderttausende, die körperlich und seelisch versehrt sind. Die Zerstörung des Landes nimmt immer größere Dimensionen an.

Syriens Präsident Baschar al-Assad ist der Hauptverantwortliche für diese dramatische Entwicklung, daher muss er abtreten. Doch was kommt nach ihm? Assad klammert sich an die Macht, anstatt den Weg für eine politische Lösung freizumachen. Die Rebellen in Syrien haben einen ganz schweren Stand. Militärisch gesehen stehen sie eindeutig schwächer da als die Regierung. Deshalb plädieren mittlerweile auch EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und Großbritannien für ein Ende des EU-Waffenembargos und für Waffenlieferungen an die säkulare Opposition.

Bei allem emotionalen Verständnis für diejenigen, die verzweifelt einen Weg suchen, die Truppen Assads in Syrien zu stoppen - Waffenlieferungen verschärfen mittelfristig die Situation in Syrien. Richtig ist: Die Rebellen haben ein Recht auf Widerstand, auch auf militärischen Widerstand. Und: Die EU-Mitgliedstaaten sind nicht neutral. Hilfe für die leidende Bevölkerung und für bestimmte Widerstandsgruppen ist geboten. Dazu gehören humanitäre Hilfe sowie politische und diplomatische Unterstützung bei der Suche nach einer politischen Lösung des Konflikts. Diese findet statt, wenn auch nicht in ausreichendem Maße. So gibt die Bundesregierung zwar Geld für die Flüchtlingslager in den Nachbarstaaten Syriens, tut aber zu wenig für eine abgestimmte Flüchtlingspolitik in der EU.

Naive Forderungen

Wer für Waffenlieferungen plädiert, glaubt an eine militärische Lösung und ignoriert die Probleme: Welche Rebellengruppen etwa will man aufrüsten, wie will man richtige von falschen Adressaten abgrenzen? Anfang 2012 gab es in Syrien etwa 200 unabhängige Kommando-Strukturen in der sogenannten Freien Syrischen Armee (FSA). Heute sind es etwa 1500 separate Einheiten, die sich teilweise gegenseitig bekämpfen. Einzelne Einheiten der FSA haben sogar ein Kopfgeld auf Mitglieder der politischen Führung der Opposition ausgesetzt.

In den letzten Monaten haben wir immer wieder erlebt, dass nicht einmal Konvois mit Hilfsgütern ihren Bestimmungsort erreichen. Häufig fallen sie in die falschen Hände. Wie stellt man daher sicher, dass mit Waffenlieferungen nicht das gleiche geschieht?

Die Forderung also, Waffen nur an die nicht-extremistische Opposition zu liefern, ist schlicht naiv. Hinzu kommt, dass mittlerweile Teile der FSA rücksichtslos auch gegenüber der Zivilbevölkerung handeln und sogar Uno-Blauhelme angreifen. Ferner ist davon auszugehen, dass Waffenlieferungen westlicher Staaten entsprechende Lieferungen von Iran und Russland verstärken.

Und schließlich bleibt die Frage zu beantworten, was mit den Waffen nach dem Ende des Konflikts passiert. Die Vereinten Nationen denken daher bereits über eine robuste Blauhelm-Mission für die Post-Assad-Ära nach. Je mehr Waffen jetzt ins Land kommen, umso mehr wird eine solche Uno-Mission dann gefährdet sein.

Niemand kann glaubhaft behaupten, er könne am Ende des Bürgerkrieges die gelieferten Waffen einfach wieder einsammeln. Will der Westen verhindern, dass die Extremisten in einem Post-Assad-Syrien die dominante Kraft werden, dann sollte er jetzt an deren Unterstützter herantreten.

Saudi-Arabien und Katar werden seit Jahren als strategische Partner des Westens behandelt, obwohl sie gleichzeitig die Hauptfinanziers des extremistischen Islamismus sind. Wollen wir die Lage in Syrien, an der Grenze zu Israel nach Assad stabilisieren, dann ist es höchste Zeit, Saudi-Arabien und Katar unmissverständlich klar zu machen, dass wir nicht mehr bereit sind, diese Unterstützung des extremistischen Islamismus hinzunehmen. Die von der Bundesregierung geplanten Waffenlieferungen an diese Länder sind längst nicht mehr zu rechtfertigen.

Der Blick nach Syrien zeigt: Es sind nicht zu wenige, sondern längst zu viele Waffen im Land. Wer genau hinschaut, der erkennt, dass die Länder, die nun am lautesten nach Waffenlieferungen für die FSA rufen, diese längst im Geheimen liefern. Die Bundesregierung darf hier nicht wackeln und muss darauf bestehen, dass die bisherige EU-Position aus guten Gründen beibehalten wird.
 

Autor: 
Ein Debattenbeitrag von Rolf Mützenich und Omid Nouripour
Thema: 
Europa und der Krieg in Syrien
Veröffentlicht: 
Spiegel online, 21.03.2013