Geduld haben

Seit Jahren versuchen die EU 3 (Deutschland, Frankreich und Großbritannien) und neuerdings die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates und Deutschland die iranische Nuklearkrise diplomatisch zu lösen. Die Ergebnisse sind zwiespältig.

Negativ zu vermerken bleibt, dass Iran noch immer nicht zu einer umfassenden Kooperation mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in Wien bereit ist. Nach wie vor gibt es Unklarheiten über den genauen Stand des iranischen Atomprogramms. Die wüsten Drohungen des iranischen Präsidenten Machmud Ahmandinedschad gegenüber Israel und seine wiederholte Leugnung des Holocaust sind inakzeptabel und haben die Verhandlungen ebenfalls schwer belastet.

Positiv zu vermerken bleibt, dass wir heute dennoch insgesamt mehr über das Programm wissen, ebenso über die unterschiedlichen Interessen der Fraktionen und Gruppen innerhalb des Regimes, das längst nicht so homogen ist, wie es scheint. Es ist zudem - bis jetzt - gelungen die USA weitgehend mit ins Boot zu holen, obwohl dort eine stringente Iranpolitik bis heute fehlt. Russland wie auch China unterstützen die diplomatischen Bemühungen, da auch sie kein Interesse an einem atomar bewaffneten Iran haben können. Auch in den Anrainerstaaten des Persischen Golfs wächst die Sorge über eine nuklear bewaffnete regionale Vormacht Iran.

Festzuhalten bleibt, dass der Iran als der eigentliche Gewinner aus dem "Krieg gegen den Terrorismus" hervorgegangen ist. Unmittelbare Bedrohungen seitens der Taliban oder des Regimes von Saddam Hussein sind nicht mehr existent. Der unmittelbare Einfluss auf schiitische Gruppen im Irak oder im Libanon ist gewachsen. Iran sieht sich als regionale Vormacht mit weit reichenden strategischen Interessen.

Hinzu kommt ein ausgeprägtes Nationalbewusstsein. Man ist nicht gewillt die Einschränkung von Rechten hinzunehmen, die anderen Staaten - wie Indien, Pakistan und Nordkorea in der Vergangenheit gewährt wurden oder noch werden.  Hierzu gehört vor allem das verbriefte Recht zur Beherrschung des gesamten Brennstoffkreislaufs. Nicht nur die Regierung und das konservative Parlament, sondern nahezu alle relevanten Gruppierungen im Iran sehen deshalb das Atomprogramm auch als persisch-nationales Prestigeprojekt.

Nach Ablauf des Ultimatums wird nun in der internationalen Politik konkret über Sanktionen diskutiert, die das iranische Atom- und Trägerprogramm behindern sollen. Es geht dabei vor allem um Maßnahmen, die direkt auf den Handlungsspielraum der Führung in Teheran zielen, ohne der iranischen Bevölkerung zu schaden. Hierzu gehören zum Beispiel: ein Waffenembargo, Reisebeschränkungen für iranische Offizielle, das Einfrieren iranischer Regierungsguthaben bei ausländischen Banken, Importbeschränkungen für iranische Produkte, striktere Einschränkungen für Industrieeinfuhren und eine Begrenzung der iranischen Ölausfuhren.

Die diskutierten Sanktionen hätten für den Iran sicherlich unterschiedliche Wirkungen. Das gilt aber auch für die Staaten, die sie verhängen. Wichtiger noch als die einzelnen Maßnahmen ist aber, dass die relevanten Staaten gemeinsam agieren und zusammen bleiben, damit die Sanktionen auch wirken. Eine "Koalition der Sanktionswilligen" - wie von Seiten der USA angedroht - ist keine Alternative.

Wir brauchen deshalb beides: Konsensuale Sanktionen und diplomatischen Druck. Was wir nicht brauchen sind einseitige und übereilte Sanktionen, die nur dazu dienen, die gemeinsame Front der Sicherheitsratsmitglieder aufzubrechen.

Parallel gehört es zu einer klugen Außenpolitik, Gesprächskanäle offen zu halten. Eindämmungspolitik allein wird zu keiner Verhaltensänderung führen. Zwischen "Appeasement-Politik" und Krieg gibt es immer noch ein breites Spektrum von politischen und diplomatischen Möglichkeiten und Abstufungen. Denn eine Strategie muss, wenn sie wirksam sein soll, immer wieder auch an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden.

Diplomatie ist ein mühsames und oft frustrierendes Geschäft. Davon können die Iran-Unterhändler aller Seiten ein Lied singen. Dennoch gibt es dazu keine Alternative. Es droht die Gefahr, dass über die Frage der Sanktionen die gemeinsame Position der internationalen Gemeinschaft aufgebrochen wird. Daran kann nur einer ein Interesse haben: der Iran.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Thema: 
Müssen jetzt Sanktionen gegen den Iran verhängt werden?
Veröffentlicht: 
in: Jüdische Allgemeine, 07.09.2006