Für eine effektivere Kontrolle und Registrierung nichtstaatlicher militärische Sicherheitsunternehmen

Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes ist eine zunehmende Privatisierung des Krieges zu beobachten. Gewalt geht heute meist von privaten Akteuren und Gruppen unterhalb der Schwelle des Nationalstaates aus. Auch wenn die Entstaatlichung des Krieges im Bewusstsein vieler noch überwiegend mit der Herrschaft von Kriegsfürsten und Warlords in Afrika und Afghanistan verbunden ist, erlebt auch der "Westen" eine zunehmende Privatisierung seines Kriegshandwerks. 

Private Sicherheitsunternehmen sind heute Teil der modernen Kriegsführung und des Wiederaufbaus in Post-Konfliktgesellschaften. Nicht nur Regierungen und Firmen, sondern auch die Entwicklungszusammenarbeit und Nichtregierungsorganisationen nehmen vermehrt nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen in Anspruch. Diese haben seit dem Ende des Kalten Krieges einen wahren Boom erfahren und sind heute weltweit tätig. Etwa 300 solcher Firmen haben mehrere zehntausend Mitarbeiter im Irak, in Afghanistan, in Südamerika und in vielen Ländern Afrikas im Einsatz. Auf 250 Milliarden Euro schätzen Fachleute den Jahresumsatz solcher Firmen weltweit. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im logistischen Bereich, umfasst aber auch Bereiche wie den Personen- und Objekt- sowie den Konvoischutz, Ausbildung und Training von Sicherheitskräften, technische Dienste und die Informationsgewinnung. Kunden dieser nichtstaatlichen Sicherheitsunternehmen sind vor allem staatliche Institutionen, internationale Organisationen, aber auch Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsunternehmen. Angesichts international begrenzter staatlicher Ressourcen und der fortschreitenden Technologisierung und Spezialisierung militärischer Aufgaben ist künftig mit einem weiteren Anstieg der Nachfrage nach Leistungen privater militärischer Sicherheitsdienste zu rechnen.

In Deutschland sind nach Angaben der Bundesregierung rund 2.500 private Sicherheitsunternehmen tätig. Das Tätigkeitsfeld deutscher Sicherheitsfirmen umfasst bislang vor allem logistische Aufgaben, Dienstleistungen im technischen Bereich aber auch die Übernahme von sogenannten nichtmilitärischen Wachfunktionen. Die Abschaffung der Wehrpflicht und die damit verbundene Reduzierung der Bundeswehr wird voraussichtlich zu einer verstärkten Inanspruchnahme von privaten Dienstleistern, und damit auch von privaten militärischen Sicherheitsunternehmen, im In- und Ausland führen.

Die Beispiele Afghanistan und Irak

Afghanistan und Irak haben sich in den letzten Jahren zum Hauptarbeitsort für nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen entwickelt.  Und der Druck der Öffentlichkeit wächst, die regulären Truppen endlich nach Hause zu holen. Im August letzten Jahres hat US-Präsident Obama das Ende der Kampfhandlungen im Irak bekannt gegeben und angekündigt, dass bis  Ende 2011 alle amerikanischen Truppen das Land verlassen haben sollen. Und auch in Afghanistan soll noch dieses Jahr mit dem Abzug der amerikanischen und deutschen Streitkräfte begonnen werden.  Dabei sind  in beiden Ländern längst nicht nur Soldaten im Einsatz, sondern auch Tausende private Militärdienstleister. 

Das US-Außenministerium hat nach dem Abzug der Kampftruppen angekündigt, die Zahl seiner privaten Wachleute im Irak auf etwa 7.000 zu verdoppeln. Zwischen 25.000 und 50.000 Angehörige von privaten in- und ausländischen Sicherheitsfirmen sollen allein in Afghanistan tätig sein, von denen 19.000 allein für das US-Militär Aufträge übernommen haben. Der Trend zur Privatisierung ist also in vollem Gange, ungeachtet aller Kritik der Öffentlichkeit.

Das bekannteste und berüchtigte Unternehmen dieser Branche dürfte die US-Firma Xe sein, die unter ihrem früheren Namen Blackwater vor allem durch Fehlverhalten ihrer Mitarbeiter im Irak bekannt wurde. So erschossen fünf ihrer Angestellten im September 2007 17 Zivilisten im Irak und verletzten rund zwei Dutzend weitere. In Afghanistan sind zwei Ex-Mitarbeiter der Firma wegen Mordes an zwei Afghanen im Mai 2009 angeklagt. Im August 2010 musste Xe zudem 42 Millionen Dollar Strafe zahlen, weil es unter anderem die Vorschriften für Waffenausfuhren verletzt hat. Nichtsdestotrotz arbeiten die amerikanische Regierung und Militär weiterhin mit Xe Services zusammen und haben neue Verträge mit dem Unternehmen im Wert von insgesamt 220 Millionen Dollar abgeschlossen.

Problematisch bleibt, dass private militärische Sicherheitsunternehmen in einem Interessenkonflikt stehen: einerseits werden sie für ihren Erfolg bezahlt, andererseits sind Konfliktgebiete ihr Arbeitsfeld und ihre potentielle Einkommensquelle. Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen können deswegen durchaus Interesse an der Verlängerung von Konflikten haben, da hiervon auch ihre weitere vertragliche Verpflichtung abhängig ist. Es besteht somit die Gefahr, dass die Privatisierung militärischer Funktionen langfristig zu einem fundamentalen Wandel im Verhältnis zwischen Militär und Nationalstaat führen kann, der das Gewaltmonopol des Staates unterhöhlen oder gar in Frage stellen könnte.

In Afghanistan stehen die privaten Sicherheitsfirmenunternehmer zudem dem Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte, besonders der Polizei,  im Weg. Denn warum sollte sich ein junger Afghane zur Polizei melden, wenn er einen deutlich besser bezahlten Job bei einer Sicherheitsfirma kriegen kann. Dennoch sorgte der Erlass des afghanischen Präsidenten Karzai, der am 10. August 2010 die Auflösung aller nationalen wie auch ausländischen privaten Sicherheitsfirmen in Afghanistan bis zum Ende 2010 verfügte, für Aufsehen und Bestürzung. Aufgrund von Bedenken der NATO und dem Druck ausländischer Botschaften wurde diese Verfügung bereits Mitte Oktober 2010 wieder teilweise revidiert. So dürfen nun weiterhin ausländische Botschaften, Diplomatenfahrzeuge und Diplomatenwohnungen von privaten Sicherheitsfirmen geschützt werden, ebenso wie militärische Einrichtungen in Afghanistan.

Auch im Irak ist seit dem Sommer 2010 der stetige Aufwuchs von ausländischen privaten militärischen Sicherheitsfirmen zu beobachten. Nach dem Abzug der US-amerikanischen Kampftruppen - und der dadurch entstandenen Fähigkeitslücke für die Absicherung von US-Einrichtungen - sollen nunmehr allein für das US-State Department 6.000 ? 7.000 Angehörige privater Firmen die Bewachung von US-Einrichtungen im Irak übernehmen. Allein dieser Auftrag hat nach Angaben des US-State Departments einen Wert von ca. 100 Millionen US-Dollar.

Kontroll- und Regulierungsversuche

Die Beispiele Irak und Afghanistan zeigen nicht nur die Schwierigkeiten, nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen sinnvoll zu kontrollieren, sondern werfen auch eine ganze Reihe von Fragen auf: Wann dürfen private Sicherheitsleute eingesetzt werden? Was oder wen dürfen sie bewachen und eskortieren? In welchem Rahmen dürfen sie sich verteidigen? Wann spricht man von einer Kampfhandlung? Wer kontrolliert, ob sich die privaten Sicherheitsfirmen an internationales (und nationales) Recht halten? Wie können sie strafrechtlich verfolgt werden, wenn sie - wie dies in der Vergangenheit schon geschehen ist - gegen Gesetze verstoßen? 

Neben zunehmender Kritik an den Auswüchsen und Missständen gab es in den letzten Jahren auch eine Reihe von Kontroll- und Regulierungsversuchen. So hat der Europarat im Juni 2009 auf der Grundlage eines umfangreichen Berichts eine Reihe von Forderungen aufgestellt, um auch auf nationaler Ebene Regulierungen dieser Firmen zu erreichen. Weltweit gibt es allerdings nur wenige Länder, in denen bislang spezielle Gesetze zur Überwachung, Regulierung und Begrenzung der Tätigkeit von privaten militärischen Sicherheitsfirmen geschaffen wurden.

Nichtstaatliche Sicherheitsunternehmen bewegen sich dennoch nicht im rechtsfreien Raum. Nationale und internationale Normen zum Schutz der Zivilbevölkerung gelten, trotz der genannten Durchsetzungsschwierigkeiten, auch für private Sicherheitsunternehmen. Die UN-Mitgliedstaaten sind zudem durch humanitäres Völkerrecht und die Menschenrechtspakte verpflichtet, einen effektiven Schutz der in diesen Instrumenten normierten Rechte zu gewährleisten. Dies bedeutet zum einen, dass bei bewaffneten Konflikten die Aufgaben, welche nur durch Mitglieder der Streitkräfte eines Staates erfüllt werden können, wie zum Beispiel die Bewachung von Gefangenen, nicht an private Sicherheitsunternehmen vergeben werden dürfen. Zum anderen muss der Staat einen Rechtsrahmen schaffen, in dem die Rechte und Pflichten nichtstaatlicher militärischer Sicherheitsunternehmen klar geregelt sind.

Die Mitarbeiter der neueren privaten Militärfirmen entsprechen weder dem klassischen Bild des Söldners als angeheuertem Ausländer, den Gewinnstreben antreibt, noch dem des typischen unbewaffneten Zivilisten. Ihre völkerrechtliche Einordnung nach den Zusatzprotokollen zur Genfer Konvention, besonders ihr Kombattantenstatus, ist daher strittig. Auch die 1989 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Konvention gegen die Rekrutierung, Verwendung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern ist nur begrenzt auf diese Firmen anwendbar. Sie geht von einer Unterscheidung aus, die auf der einen Seite den guten freiwilligen Kämpfer kennt, der für seine Sache kämpft, und auf der anderen Seite den unehrenhaften Söldner, der aus materiellen Gründen kämpft. Beide Typisierungen treffen auf die Angestellten dieser Firmen kaum zu, so dass aus völkerrechtlicher Sicht Regulierungslücken bestehen. Ein erster Versuch auf zwischenstaatlicher Basis, die Rechtsstellung nichtstaatlicher Sicherheits- und Militärfirmen zu konkretisieren, ist das im September 2008 von 17 Ländern verabschiedete Montreux-Dokument, bei dem es sich allerdings nicht um einen verbindlichen völkerrechtlichen Vertrag handelt. Zu den Unterzeichnenden gehört neben den Vereinig¬ten Staaten, Britannien und Afghanistan unter anderem auch Deutschland. 

Erste Versuche, dies auf internationaler Ebene zu erreichen, laufen somit bereits. Auch die Sicherheitsunternehmen haben reagiert und freiwillige Verhaltenskodizes aufgestellt. Bis zu einer sicheren Rechtslage ist es aber noch ein weiter Weg.

Vorschläge der SPD-Bundestagsfraktion

Die Privatisierung des Sicherheitsbereiches höhlt zunehmend einen Kernbereich des Staates - sein Gewaltmonopol - aus. Darüber hinaus besteht die Gefahr der Entstehung rechtsfreier Räume abseits der Normen des Völkerrechts Private Firmen verfügen außer freiwilligen Verwaltenskodizes in der Regel über keine öffentliche Kontrolle der rechtlichen Verantwortlichkeit von Angestellten von Militärfirmen in Krisen- und Kriegsgebieten, während Soldaten regulärer Streitkräfte einem strengen militärischen Rechtskodex unterworfen sind, der Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht bestraft.
Diesen Gefahren gilt es durch geeignete Maßnahmen rechtzeitig entgegen zu wirken. Die Bundesregierung hat bei der Beantwortung entsprechender Fragen aus dem Parlament bis zum Sommer 2010 die Auffassung vertreten, dass nach den bisherigen Erkenntnissen die bestehenden Vorschriften im EG-Sanktionsrecht, Gewerberecht und Außenwirtschaftsrecht ausreichen, um "Sicherheitsunternehmen mit militärischen Absichten wirksam zu begegnen". Auf Nachfragen hat die Bundesregierung schließlich eingeräumt, dass ein weiterer Handlungsbedarf geprüft werden solle. Ressortübergreifend soll über den Handlungs- und Regelungsbedarf im nationalen und internationalen Bereich eine Verständigung erzielt werden.

Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen zu registrieren und zu kontrollieren ist das Ziel eines Antrags der SPD-Fraktion (Drucksache 17/4198). Darin wird u.a. gefordert auf nationaler Ebene eine Registrierungspflicht für private Sicherheitsfirmen und Militärdienstleister, die in Deutschland ihren Sitz haben, ein Lizenzierungssystem für militärische Dienstleistungen von Unternehmen sowie einen Genehmigungsvorbehalt für die Weitergabe von technischem und militärischem Know-how privater militärischer Sicherheitsunternehmen einzuführen.

Weiterhin soll dem Bundestag ein jährlicher Bericht sowohl über die in der Bundesrepublik ansässigen als auch über ausländische private militärische Sicherheitsunternehmen vorgelegt werden, deren Dienstleistungen die Regierung oder ihr nachgeordnete Behörden im Ausland in Anspruch nehmen. Vor dem Hintergrund der geplanten Bundeswehrreform und der damit einhergehenden Reduzierung des Streitkräfteumfangs muss das Parlament darüber informiert werden, in welcher Form und in welchem Umfang die Regierung das Engagement privater Sicherheitsunternehmen im In- und Ausland beabsichtigt.

Auf internationaler Ebene fordern wir die Bundesregierung dazu auf, die internationale Konvention gegen die Rekrutierung, Verwendung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern von 1989 zu ratifizieren und bei den Vereinten Nationen darauf hinzuwirken, die der VN-Konvention zu Grunde liegenden Begrifflichkeiten zu spezifizieren, um eine konkrete, zeitgemäße, auch auf private militärische Sicherheitsunternehmen anwendbare Norm zu schaffen. Darüber hinaus sollten die bestehenden Völkerrechtsinstrumente zum Söldnertum durch weitere eigenständige völkerrechtliche und nationale Regelungen ergänzt werden, insbesondere durch eine internationale Registrierung der privaten militärischen Unternehmen, eine internationale Einrichtung zur Kontrolle der privaten militärischen Unternehmen und der von ihnen abgeschlossenen Verträge, die beim UN-Sonderberichterstatter über das Söldnertum angesiedelt sein sollte sowie die Einführung von Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den privaten militärischen Sicherheitsunternehmen und deren Auftraggebern.

Es besteht in jedem Fall Handlungsbedarf. Neue Staaten aufbauen zu wollen, indem ihre innere wie äußere Sicherheit zum Teil entstaatlicht wird, erscheint zunehmend als ein Widerspruch in sich. In Zeiten, in denen international über eine verstärkte Kontrolle der Finanzwirtschaft nachgedacht wird, sollte dies für die private Kriegswirtschaft erst recht gelten. Denn Kriege -- ob staatlicher oder entstaatlichter Natur -- sind zu wichtig, um sie der privatwirtschaftlichen Logik von nichtstaatlichen militärischen Sicherheitsunternehmen zu überlassen.

Autor: 
Von Rolf Mützenich
Thema: 
Das Phänomen der privaten Sicherheitsfirmen
Veröffentlicht: 
In: Internationaler Infodienst, Nr. 105, Januar 2011, S. 15-18.