Die Angst bleibt
Neue Ideen und mehr Engagement sind gefragt im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus. Ein Präventionsprogramm und ein Stück mehr Realismus könnten helfen, ein Jahrzehnt der Angst zu verhindern. Das Jahrzehnt ist vergangen, die Angst bleibt. Es reicht schon der Blick auf den vergangenen Monat, um jede Hoffnung zu dämpfen, die Gefahr des internationalen Terrorismus könnte in absehbarer Zeit nachlassen. Das nur durch den Mut eines Passagiers verhinderte Inferno in einem Flugzeug kurz vor Detroit, der Selbstmordanschlag mit 100 Toten bei einem Volleyballspiel in Pakistan, der knapp gescheiterte Angriff eines Islamisten auf den Dänen Kurt Westergaard, den Zeichner der Mohammed-Karikaturen, und die Drohungen von El Kaida gegen die Botschaften der USA und Großbritanniens im Jemen sprechen eine klare Sprache. Seit dem 11. September 2001 stellt der globale Terrorismus eine der größten inländischen und internationalen Herausforderungen für Deutschland dar. Neben Afghanistan und Pakistan macht vor allem der Jemen in jüngster Zeit immer häufiger Schlagzeilen als Operationsgebiet des Terrornetzwerks El Kaida.
Der Islam ist Teil Europas
Dabei steht der dschihadistische Islamismus, der vor wenigen Jahren noch als dritte große "totalitäre Herausforderung" nach Kommunismus und Nationalsozialismus beschworen wurde, vielerorts am Rande des Scheiterns. Die Mehrheit der Muslime, die nichts dafür können, dass auch im Namen ihres Gottes gebombt und gemordet wird, distanzieren sich von den Terrorakten und der destruktiven Rhetorik der fanatischen Hetzer. Zudem werden deutlich mehr Muslime zu Opfern der Dschihadisten. Während den Terroristen seit Jahren keine spektakulären Anschläge im Herzen des Westens mehr gelungen sind, sterben Schiiten im Irak durch die Hand ihrer sunnitischen Glaubensbrüder und pakistanische Dorfbewohner, die von einer Autobombe zerfetzt werden, weil sie sich nicht dem Tugendterror der Taliban fügen wollen. Mit jedem dieser Attentate führen die Dschihadisten ihre eigene Argumentation ad absurdum, sie kämpften gegen die Unterdrückung der Muslime durch den Westen.
Deutschland braucht im Kampf gegen den Terror keinen Strategiewechsel. Er muss wie bisher mit polizeilichen, geheimdienstlichen und rechtsstaatlichen Mitteln geführt werden. Notwendig ist darüber hinaus eine präventive Außenpolitik. Das betrifft vor allem den Umgang mit Failed States, in denen sich El Kaida und Verbündete einnisten. Die Ausbildung von Polizisten durch deutsche Beamte, wie sie in Afghanistan praktiziert wird, mag noch kein Erfolgsmodell sein, doch sie könnte zu einem international einsetzbaren Präventionsprogramm gegen den Terror reifen. Zudem müssen wir anerkennen, dass der Islam Teil unserer Gesellschaft wie auch Teil aller europäischen Gesellschaften geworden ist. Allein in Deutschland leben mehr als drei Millionen Menschen, die Anhänger einer islamischen Glaubensrichtung sind. Sie sind Bürger, häufig auch Staatsangehörige unseres Landes mit allen Rechten und Pflichten, die nicht aufgrund ihres Glauben unter Generalverdacht gestellt werden dürfen.
Absolute Sicherheit gibt es nicht
Dennoch: Der Westen wird mit der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus auch in Zukunft leben müssen. Absolute Sicherheit kann es nicht geben, ebenso wenig wie lückenlose und vollständige Überwachung. Wir müssen vor allem darauf achten, dass wir freiheitliche und pluralistische Gesellschaften bleiben und keinem Sicherheits- oder Überwachungswahn anheimfallen. Aber man kann dem dschihadistischen Terror am besten das Geschäft verderben, indem man sich in der Öffentlichkeit des Westens nicht von der eigenen Angst hinwegtragen lässt.