Wladimir Putin geht leer aus

Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, Markus Löning, wertet Absage an Putin als eine "gute Nachricht"

Die Kritik war heftig. So heftig, dass sich das Kuratorium der Quadriga gezwungen sah, nun doch auf die Notbremse zu treten. In diesem Jahr wird es keinen Quadriga-Preis geben, wie das Kuratorium am Wochenende mitteilte: Weder für Mexikos Außenministerin Patricia Espinosa noch für die türkischstämmige Autorin und Lehrerin Betül Durmaz und den palästinensischen Premier Salam Fajad. Auch der russische Regierungschef Wladimir Putin geht damit leer aus nachdem er doch eigentlich für seine "Verdienste für die Verlässlichkeit und Stabilität der deutschrussischen Beziehungen" geehrt werden sollte.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), bezeichnete den plötzlichen Sinneswandel des Kuratoriums in der ARD als eine "gute Nachricht". Putin habe schon in seiner Zeit als Präsident die "Demokratie zurückgedreht" und "die Rechte der Bürger eingeschränkt". Dennoch hatte noch am Freitag ein Sprecher des Kuratoriums gesagt, die Preisvergabe an Putin werde gegen alle Widerstände durchgezogen. Da hatten schon mehrere der 19 Kuratoriumsmitglieder aus Protest gegen die PutinEhrung das Gremium verlassen. Der dänische Künstler Olafur Eliasson hatte sogar seine Quadriga aus dem Vorjahr zurückgegeben. Der frühere tschechische Präsident Václav Havel drohte damit, dem Schritt Eliassons zu folgen, sollte das Kuratorium an dem Preis für Putin festhalten. So viel Empörung konnte auch das Kuratorium nicht einfach ignorieren und setzte die Preisverleihung aus.

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hält die Querelen um Putin im Nachhinein einfach nur für "peinlich". Wenn es innerhalb des Kuratoriums schon vor Monaten kritische Stimmen gegeben habe, so müsse man sich fragen, warum die Problematik nicht rechtzeitig bedacht worden sei. Lediglich GrünenChef Cem Özdemir hatte von Anfang an eine Nominierung Putins abgelehnt. Als Konsequenz hat Özdemir das Kuratorium inzwischen verlassen, ebenso wie der Heidelberger Historiker Edgar Wolfrum und Wikipedia-Gründer Jimmy Wales. Auch Barbara Maria Monheim, Präsidentin einer europäischen Initiative zur Förderung junger Führungskräfte, der Bela Foundation, ist ausgetreten.

Es dürfte kein Zufall sein, dass die Nachricht von der Quadriga für Putin gerade jetzt lanciert wurde. In Hannover beginnen heute die deutschrussischen Regierungskonsultationen, bei denen auch die Frage von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in Russland thematisiert werden dürfte. Im Mittelpunkt stehen allerdings vor allem die Wirtschaftsbeziehungen und die innenpolitische Lage vor den Präsidentenwahlen in Russland im kommenden Jahr. Insgesamt neun Bundesminister begleiten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu dem bilateralen Treffen in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Die russische Delegation leitet Präsident Dmitri Medwedjew. Putin selbst nimmt an den Konsultationen nicht teil. Ein Sprecher Putins sagte der russischen Nachrichtenagentur Interfax, die Absage der Preisverleihung werde die deutschrussischen Beziehungen nicht beeinflussen. Die Atmosphäre des Treffens ist also nicht gefährdet. Wladislaw Below, DeutschlandExperte am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften, meinte allerdings, für Putin sei die Aberkennung der Quadriga ein "Affront", der sein Image beschädige. Der Verein Werkstatt Deutschland verleiht die Quadriga seit 2003 jedes Jahr am Tag der Deutschen Einheit. Ausgezeichnet werden "Vorbilder", die Aufklärung, Engagement und Gemeinwohl verpflichtet sind. Jedes Jahr werden vier Persönlichkeiten und Projekte geehrt, deren "Denken und Handeln auf Werte baut", heißt es in den Statuten des Vereins. Anfangs hatte der Stromkonzern Vattenfall die Quadriga als Hauptsponsor gefördert. Inzwischen stützt sich die Finanzierung offensichtlich auf mehrere kleinere Sponsoren, die im Freundeskreis der Quadriga zusammengeschlossen sind. Darunter ist auch Stefan Schreiter, Vorsitzender der Geschäftsführung Duales System Deutschland. Schon in der vergangenen Woche hatte er einen Preisträger Putin "kritisch" bewertet. Koordiniert wird die Preisvergabe von der Publizistin Marie-Luise Weinberger. Sie soll Putin als Preisträger schon vor zwei Jahren ins Gespräch gebracht und sich in diesem Jahr schließlich durchgesetzt haben.

Mitglied im Vorstand der Werkstatt Deutschland und selbst Quadriga-Preisträger ist Lothar de Maizière, erster frei gewählter und zugleich letzter Ministerpräsident der DDR. De Maizière leitet auch den deutschen Lenkungsausschuss des Petersburger Dialogs, der zeitgleich mit den deutschrussischen Regierungskonsultationen derzeit in Wolfsburg stattfindet. Das Gesprächsforum wurde 2001 ins Leben gerufen und soll den Kontakt zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder fördern. Auch dabei geht es um das Thema Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.

Allerdings kritisierte Marieluise Beck, Russland- und Osteuropaexpertin der GrünenBundestagsfraktion, dass bei diesen Treffen kritische Debatten weitgehend vermieden werden. Sie sei aber "erleichtert", dass im Vorfeld der Begegnungen der Streit über Putin und die Quadriga beigelegt wurde. Sie habe nicht verstehen können, warum ausgerechnet Putin, der Erfinder der "gelenkten Demokratie", als Zeichen für die deutschrussische Verbundenheit ausgezeichnet werden sollte. "Um ein Zeichen zu setzen, müsste die Quadriga an Medwedjew vergeben werden", sagte Beck der "Welt". Der russische Präsident habe in seinen Reden mehrfach den "Rechtsnihilismus" in seinem Land beklagt und Modernisierungen angemahnt. "
 

Autor: 
Von Claudia Ehrenstein
Veröffentlicht: 
Die Welt, 18.07.2011
Thema: 
Streit über die Ehrung für den russischen Regierungschef ist beigelegt: Kuratorium setzt die Verleihung der Quadriga in diesem Jahr aus.