Im Schatten des Antisemitismus
Eines ist offensichtlich: Der Vorwurf, eine antisemitische Partei zu sein, hat die Linke tief getroffen. Dies ließ sich an den Reaktionen auf eben diesen Vorwurf ablesen. Er ergibt sich aus einer Studie der Sozialwissenschaftler Samuel Salzborn und Sebastian Voigt, die die "Frankfurter Rundschau" am Donnerstag publik machte. Darin kommen sie zu dem Ergebnis, dass Israel- und judenfeindliche Positionen "innerparteilich immer dominanter" würden. So hatte die Staatsanwaltschaft Duisburg nach der Veröffentlichung eines antisemitischen Textes im Internet jüngst ein Ermittlungsverfahren gegen die Linkspartei eingeleitet. Zugleich erregen Bundestagsabgeordnete wie Inge Höger stets aufs Neue Aufsehen mit einseitig pro-palästinensischen Stellungnahmen. Höger, die aus Diepholz in Niedersachsen stammt, hat sich erst kürzlich bei einer umstrittenen Konferenz von Hamas-Sympathisanten in Wuppertal mit einem Tuch präsentiert, auf dem eine Karte des Nahen Ostens abgebildet war. Nur Israel fehlte.
Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte am Donnerstag dennoch: "Die in der Studie aufgestellten Behauptungen sind schlicht Blödsinn. Kritik an der Politik der israelischen Regierung sind kein Antisemitismus." Auch wenn klar sei, "dass man in Deutschland gerade vor dem Hintergrund der Geschichte sehr genau formulieren muss" und Boykott-Aufrufe gegen in Israel produzierte Waren "nicht in Frage" kämen. Er fügte hinzu: "Im Übrigen führe ich sehr intensive Gespräche innerhalb und außerhalb der Linken mit dem Ziel, baldmöglichst einen gerechten Frieden in Nahost zu erreichen mit einem Staat Israel in sicheren Grenzen und einem lebensfähigen palästinensischen Staat." Dass seine Bemühungen öffentlich nicht wahrgenommen würden, bedeute keineswegs, dass er schweige. Dem Vernehmen nach traf Gysi unlängst mit dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, zusammen. Linksparteichef Klaus Ernst sekundierte ihm am Donnerstag: "Wir brauchen keine Belehrungen von außen. Gegen Antisemitismus zeigen wir klare Kante."
In der Fraktionsführung werden antisemitische Tendenzen in den eigenen Reihen nicht geleugnet. Freilich seien diese in erster Linie im Westen des Landes zu verorten und nicht etwa auf eine einseitig pro-palästinensische DDR-Tradition zurückzuführen. Tatsächlich stammen Höger und der in Duisburg auffällig gewordene Hermann Dierkes - er ist Vorsitzender der dortigen Ratsfraktion - aus den alten Ländern. Dem stünden, so heißt es weiter, im Osten Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich , Gysi selbst und Thüringens Linksfraktionschef Bodo Ramelow entgegen; Letzter ist im Westen groß geworden, lebt aber schon lange im Osten. Überdies sei die DDR in ihrer Endphase durchaus um eine Normalisierung des Verhältnisses zu Israel bemüht gewesen, so dass von einer ungebrochen antisemitischen Kontinuität keine Rede sein könne.Klischees und Realität stimmten also nicht überein. Der um Fairness bemühte außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat da einen etwas anderen Eindruck. Seine Wahrnehmung im Parlament: "Für diejenigen, die ein unverkrampftes Verhältnis zu Israel und zu den jüdischen Organisationen wollen, ist es nicht immer leicht in der Linkspartei." Sein Unions-Kollege Philipp Mißfelder fordert: "Die Linkspartei sollte endlich ihr Verhältnis zu Israel klären. Leider sind die Grenzen zwischen Antiamerikanismus, Antizionismus und Antisemitismus schwindend. Alle drei Tendenzen findet man in mehr oder weniger ausgeprägter Form bei der Linken."
Wie sehr diese durch die Studie getroffen ist, zeigt auch die Reaktion derer, die sich gar nicht angesprochen fühlen müssten. So verlautete am Donnerstag aus dem Büro von Petra Pau: kein Kommentar.