In der Regierungserklärung zu Afghanistan lobt Westerwelle die Sozialdemokraten
Ganz am Ende seiner allerersten Regierungserklärung - der Kollege Verteidigungsminister hört schon gar nicht mehr hin - sagt Dirk Niebel einen interessanten Satz. "Auch in Afghanistan gilt das Primat der Politik", lautet er. Es geht am Freitag im Bundestag morgens ums Zivile, um den Aufbau. Dafür ist der FDP-Mann Niebel zuständig als Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Und es geht nachmittags ums Militärische. Da war, zumindest in den vergangenen Wochen, die Zuständigkeit nicht so klar. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) übernahm es, den Beginn des Abzuges der Bundeswehr für Ende 2011 in Aussicht zu stellen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) sah sich in der Pflicht, die Bedingungen in den Vordergrund zu stellen.
Bevor hier später am Tag ein wenig Klarheit entsteht, schwärmt Niebel: "Wer heute in den Hindukusch kommt, der sieht: die Kinder lassen wieder Drachen steigen." Zwar gebe es viele Probleme, Schwarz-Weiß-Malerei aber spiele den Extremisten in die Hände. Niebel macht geltend, dass sieben Millionen afghanische Kinder und Jugendliche zur Schule gehen, 40 Prozent davon Mädchen. Die Zahl der Entwicklungshelfer in Afghanistan verdoppele sein Ministerium auf 2500, kündigt er an.
Niebel lobt auch das Konzept der "vernetzte Sicherheit", durch das sich Entwicklungshelfer in die gefährliche Nähe der Bundeswehr gezwungen sehen. "Ihre Sturheit bei der Doktrin der vernetzten Sicherheit ist unverständlich", beklagt deshalb der Vize-Chef der SPD Fraktion, Gernot Erler. Es wird dies der letzte ernsthafte Schlagabtausch in Fragen Afghanistans bleiben zwischen SPD und FDP an diesem Tag. So nett sind Sozialdemokraten und Liberale zueinander, dass es fast klingt nach einer Koalition des Herzens. Die schönste Kostprobe gibt FDP-Chef Westerwelle, während er sich an den Grünen abarbeitet, denen er empfiehlt, "sich eine Scheibe abzuschneiden" von der SPD. "Diese sozialdemokratische Partei ringt mit sich, sie diskutiert, sie wägt die Argumente ab und sie erklärt öffentlich auf den Antrag der Bundesregierung hin, dass die Absicht hat, die Soldatinnen und Soldaten auch nicht alleine zu lassen und ihnen die Rücken zu stärken", schwärmt er. Ganz anders die Grünen, deren Außenminister Joschka Fischer so viele Bundeswehr-Soldaten ins Ausland geschickt habe wie kein anderer. "Nur, dass Sie davon nichts mehr wissen wollen, kaum sitzen Sie in der Opposition", schurigelt Westerwelle die Grünen.
Die SPD macht das Lob nicht verlegen. Sie gibt es einfach zurück an Westerwelle: "Sie haben wichtige Feststellungen heute hier, ich hoffe für die gesamte Bundesregierung, getroffen", sagt der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich. Er meint das Bekenntnis zum Abzugsbeginn Ende 2011, falls die Lage es zulässt. Schade sei nur, sagt Mützenich, dass Westerwelle sich nicht durchzusetzen wisse gegen Guttenberg. In der Diskussion über den Abzugsbeginn wird eben gern über Bande gespielt. Im seinem offiziell gar nicht vorhandenen Konflikt mit dem Guttenberg ist die Unterstützung der SPD Westerwelle eine willkommene Waffe. Sie für eine große Mehrheit zur Mandatsverlängerung gewonnen zu haben, schreibt der Außenminister sich gut.
Guttenberg hat es folglich nicht leicht, als er ans Pult tritt. Davon, dass ihm Daten "wurscht" seien, wiederholt er lieber nichts. Brav bekennt er: "Ich teile die Zuversicht, dass wir in diesem Jahr mit einem ersten Abzug beginnen können." Kommenden Freitag stimmt der Bundestag über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes ab. Am Primat der Politik wird bis dahin niemand rütteln.