Privat im Krieg

Das Auswärtige Amt in Berlin bekundete den Angehörigen "tiefes Mitgefühl". Ein deutscher Wachmann ist am Freitag bei einem Angriff von Taliban auf eine amerikanische Hilfsorganisation in Kundus getötet worden. Es handle sich um einen 32-Jährigen aus Schleswig-Holstein, sagte der Amtssprecher. Weitere Informationen gab er nicht.

Ein Deutscher als Objektschützer in Afghanistan - da denkt man schnell an Söldner. Zuletzt gab es Ende Mai große Aufregung, als ein privates Sicherheitsunternehmen im Münsterland ankündigte, ehemalige Bundeswehrsoldaten nach Somalia schicken zu wollen. Das Projekt war wohl mehr ein PR-Gag. Gleichwohl ist es kein Geheimnis, dass die Zunahme gewaltsamer Konflikte - nicht zuletzt die Piraterie am Horn von Afrika - das private Sicherheitsgewerbe boomen lässt.

"Wir werden erleben, dass das Söldnerwesen weiter zunimmt", sagt der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich. "Der Staat muss aufpassen, dass er da nicht unterlaufen wird." Erst im April 2009 forderte der Bundestag die Bundesregierung auf, nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen besser zu kontrollieren. Erstunterzeichner des Antrags war: der heutige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

Doch die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. Nach Auffassung der Regierung reichten die bestehenden völkerrechtlichen Normen aus, "um die sich im Zusammenhang mit der Tätigkeit privater Sicherheitsunternehmen stellenden Fragen zu regeln", ließ die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Cornelia Pieper, den Abgeordneten Mützenich vor kurzem wissen. Und Staatssekretär Bernhard Heitzer vom Wirtschaftsministerium erklärte, der Regierung seien nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen nicht bekannt.

Für Mützenich zeugten diese Antworten in ihrer Lustlosigkeit vom fehlenden Problembewusstsein.

Niemand weiß Genaues über dieses Gewerbe. Experten schätzen, dass bis zu 4000 Deutsche in den Personaldateien von Sicherheitsfirmen stehen, meist ehemalige Soldaten. Die Bundeswehr fragt nicht nach, was ihre gut ausgebildeten Elitesoldaten machen, wenn sie - meistens topfit - ihren Dienst in der Armee quittieren. Einen Anhaltspunkt gibt es: Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurden zwischen 2006 und 2008 insgesamt 4165 Aus-, Fort- und Weiterbildungen für Wach- und Sicherheitsberufe bewilligt. Auslandseinsätze für private Sicherheitsdienste sind nicht verboten. Selbst die Beteiligung an Kämpfen ist erlaubt. Bestraft wird nach deutschem Recht lediglich derjenige, der einen Deutschen für den Wehrdienst einer ausländischen Macht anwirbt. Auch schwere Verbrechen wie Mord oder Völkermord, begangen in einem Söldnereinsatz, müssten von der deutschen Justiz verfolgt werden - wenn sie denn bekannt werden.

Die Bundesregierung verweist auf das sogenannte Montreux-Dokument, das vor zwei Jahren in der Stadt am Genfer See von 17 Staaten, darunter Deutschland, verabschiedet wurde. Darin werden private Sicherheitsfirmen auf die Einhaltung internationaler Rechtsnormen verpflichtet. Das Problem dabei: Das Papier ist nicht rechtsverbindlich.

Auch der am Freitag getötete Deutsche soll früher bei der Bundeswehr gewesen sein. Bei dem Gefecht zwischen Taliban-Angreifern und Wachpersonal starben vier weitere Menschen. Die Bundeswehr war nach offiziellen Angaben nicht beteiligt.
 

Autor: 
Von Peter Blechschmidt
Veröffentlicht: 
Süddeutsche Zeitung, 03.07.2010
Thema: 
Tod eines Deutschen in Kundus entfacht Debatte um Söldner