Polen und Tschechen für Raketenabwehr - Russland droht

Polen und die Tschechische Republik befürworten die Pläne der Vereinigten Staaten, in Osteuropa ein Raketenabwehrsystem zu stationieren. "Wir waren uns einig, dass unsere Antwort auf das Angebot höchstwahrscheinlich positiv ausfallen wird", sagte der tschechische Ministerpräsident Topolanek am Montag nach einem Treffen mit dem polnischen Ministerpräsidenten Kaczynski in Warschau. Das militärische Vorhaben richtet sich nach Angaben aus Washington gegen mögliche Raketenangriffe sogenannter Schurkenstaaten.

Russland sieht dadurch jedoch das Rüstungsgleichgewicht zwischen den Atom-Großmächten gefährdet. "Wenn die Regierungen von Polen und Tschechien eine solche Entscheidung treffen, so werden die russischen strategischen Raketentruppen diese Objekte als Ziel haben", sagte der Befehlshaber der strategischen Raketentruppen, Nikolaj Solowzow, auf einer Pressekonferenz am Montag in Moskau auf die Frage von Journalisten nach einer russischen Reaktion aufdas mögliche Raketenabwehrsystem.

"Ein völliges Missverständnis"

Solowzow gab zudem bekannt, dass Moskau in diesem Jahr Interkontinentalraketen der neuen Generation vom Typ Topol-M in Dienst nehmen wird. Ein Teil wird in Silos im Bezirk Saratow stationiert. Mehrere bewegliche Abschussrampen für Topol-M werden im Regierungsbezirk Iwanow operieren. Die Interkontinentalrakete vom Typ Bulawa, die von Unterseebooten aus abgefeuert werden soll, konnte bislang noch nicht erfolgreich getestet werden. Nach Angaben der Russen sollen diese Raketen in der Lage sein, Raketenabwehrsysteme zu überwinden.

Der polnische Ministerpräsident versuchte in Warschau russische Befürchtungen zu entkräften. "Der Raketenschild ist gegen kein ,normales' Land gerichtet", sagte Kaczynski zu dieser Kritik. "Zu behaupten, dass er auf eine Veränderung des militärischen Gleichgewichts abziele, ist ein völliges Missverständnis." Topolanekbezeichnete Vorwürfe als naiv, die Vereinigten Staaten hätten sich über ihre Pläne nicht mit Russland beraten.

Kritik an Steinmeier

In Deutschland kritisierten unterdessen Außenpolitiker der Union die Äußerungen von Außenminister Steinmeier (SPD) zum Raketenabwehrsystem. Steinmeier hatte in einem Zeitungsgespräch Verständnis für die russische Kritik an diesem Programm erkennen lassen.

Steinmeier wollte sich nicht äußern zu der Frage, ob er ein solches Abwehrsystem für sinnvoll halte; dies müssen "andere beurteilen". Er sagte während seines Aufenthalts in Baku, weltweit werde nachgedacht darüber, "ob man solche Systeme braucht oder nicht". Auch in Europa gebe es solche Überlegungen, die aber von "einer Entscheidung noch weit entfernt" sind.

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU, von Klaeden, sagte am Montag dieser Zeitung: "Die Stoßrichtung der Kritik muss sich nicht gegen Amerika richten. Vielmehr muss man Präsident Putin deutlich machen, dass seine Signale an Iran falsch sind." Denn die amerikanischen Pläne, die Radarstellungen in den Nato-Ländern Polen und Tschechische Republik vorsehen, seien nicht gegen Russland gerichtet. Auch der CSU-Außenpolitiker zu Guttenberg äußerte, das geplante System solle in erster Linie dem Schutz des amerikanischen Territoriums dienen. "So können beispielsweise die militärischen und nuklearen Aktivitäten des Iran als plausible Begründung für den Aufbau eines amerikanischen Raketenabwehrschirmes in Europa betrachtet werden."

Polen allein "auf dem Eis"

Der abrüstungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mützenich, lobte hingegen Steinmeiers Appell für ein umsichtiges Vorgehen und einen intensiven Dialog. Russland müsse stärker in die amerikanischen Pläne einbezogen werden. Der SPD-Politiker ließ grundsätzliche Zweifel an dem Projekt erkennen. "Es muss auf jeden Fall verhindert werden, dass es in Europa zu neuen Rüstungsschüben kommt, die sich jetzt bereits abzeichnen." Die Drohung Russlands, das INF-Abkommen von 1987 zu kündigen und neue Mittelstreckenraketen zu stationieren, "zeigt den Ernst der Lage".

Einig zeigten sich sämtliche Teilnehmer der Debatte darin, dass über die amerikanischen Pläne im Nato-Rat und im Nato-Russland-Rat gesprochen werden müsse. Klaeden sagte: "Dabei sollte auch sondiert werden, in welcher Weise ein gemeinsamer Raketenabwehrschirm von Nato und Russland realisiert werden könnte." Doch sei es nicht nachvollziehbar, dass sich Russland durch ein solches Raketenabwehrsystem bedroht fühle. Die Drohungen Moskaus mit einer einseitigen Aufkündigung des Vertrags über die Vernichtung aller nuklearen Kurz- und Mittelstreckenraketen seien "fehl am Platze". Auf dem Treffen der EU-Verteidigungsminister kommende Woche in Wiesbaden steht das Thema nicht auf der Tagesordnung, doch könnte es mit Nato-Generalsekretär de Hoop Scheffer besprochen werden, der als Gast erwartet wird.

In Polen schloss sich am Wochenende auch die größte Oppositionspartei, die liberale "Bürgerplattform" dem Chor der Skeptiker an. Dessen Vorsitzender Tusk sagte, "im Augenblick" neige er zu einem "Nein". Die Zeitung "Gazeta Wyborcza" schrieb, in Tusks Umgebung halte man es für riskant, sich dem amerikanischen Projekt anzuschließen. Seine Berater fürchteten, dass im kommenden Jahr in den Vereinigten Staaten die Demokraten die Präsidentenwahl gewinnen und das Projekt fallen lassen könnten. Dann würde Polen allein "auf dem Eis" bleiben und hätte nichts von der Sache, als ein belastetes Verhältnis zu Russland.

Autor: 
Von N.N.
Veröffentlicht: 
FAZ, 20.02.2007
Thema: 
"Wir werden diese Länder ins Visier nehmen" / Union kritisiert Steinmeier