Loyal
Wolfgang Nolting ließ sich keine Gefühlsregung anmerken, als er in dieser Woche die Debatte des Bundestags über den Libanon-Einsatz verfolgte. Da hörte der Inspekteur der Marine Sätze wie: "Auch einige derjenigen, die mit Ja stimmen werden, werden letzte Zweifel behalten" (Rolf Mützenich, SPD); "Die Tabus sind schon lange gebrochen", und "Die Linke will nicht, daß die Bundeswehr zu einem Instrument weltweiter und uneingeschränkter Interventionspolitik wird" (Lothar Bisky, Linke); "Vor allem muß ausgeschlossen sein, daß deutsche Soldaten zwischen die Fronten von Hizbullah und Israelis geraten. Ich meine, das ist dadurch gewährleistet, daß die Bundeswehr nicht am Boden, sondern nur - das Wort nur" meine ich natürlich in Anführungszeichen - zur seeseitigen Absicherung zum Einsatz kommt" (Kerstin Müller, Grüne); und: "Das ganze Parlament steht bei diesem schwierigen Einsatz hinter unseren Soldatinnen und Soldaten, ausdrücklich auch wir, die wir in der Minderheit sind" (GuidoWesterwelle, FDP).
Als er am Donnerstag die Besatzungen der acht Schiffe der Deutschen Marine (und der drei dänischen Schiffe) verabschiedete, die nun die Aufgabe übernehmen sollen, die 225 Kilometer Seegrenze des Libanon zu sichern, da zitierte Nolting eine andere Formulierung aus der Debatte, sie stammt von Bundeskanzlerin Merkel. Nolting sagte: "Heute werden Sie zu einer wahrhaft historischen Mission entsandt." Der Vizeadmiral fügte hinzu, er sehe ihr mit "Ruhe, professioneller Gelassenheit und hoffnungsvollen Erwartungen entgegen". Und er sagte den Soldaten - eigene Erfahrungen reflektierend - sie hätten in den vergangenen Wochen erlebt, "welche mitunter großen Belastungen, welches Abwarten müssen mit der Planung einer solchen Mission verbunden sind". Das sei "kennzeichnend für unsere Parlaments- und Einsatzmarine", und es sei "auch gut so".
Nolting sprach in Wilhelmshaven, seiner Vaterstadt, die im 19. Jahrhundert zum preußischen Seestützpunkt ausgebaut wurde und seither von der Marine geprägt ist. Hier wurde er 1948 geboren, hier machte er sein Abitur, hier trat er mit 18 in die Marine ein. In diesem Jahr ist er an der Spitze der Marine angekommen. Der Inspekteur der Marine hat eine Mittlerfunktion zwischen der Teilstreitkraft, für deren Einsatzbereitschaft er verantwortlich ist, und dem Ministerium, wo die Inspekteure im militärischen Führungsrat unter Leitung des Generalinspekteurs sitzen. Dem äußerlichen Idealklischee des Seebären, das sein Vorgänger Lutz Feldt mit seinem wohlgestutzten weißen Vollbart verkörperte, entspricht Nolting nicht. Er ist nach militärischer Ausbildung Kampfschwimmer, wechselte dann klassisch zwischen Führungsverwendungen (vor allem bei den Minensuchern) und Ministeriumsverwendungen. Zuletzt führten ihn die Aufgaben als Amtschef Marineamt und als Befehlshaber der Rotte offenbar gradlinig auf seine Position als Inspekteur.
Als er sie übernahm, richtete er beachtlich klare Worte an die Politik: "Was wir Soldaten uns wünschen, ist Wahrhaftigkeit, Gewißheit und Orientierung", sagte er da. Und: "Wir werden uns auch in Zukunft darüber im klaren bleiben müssen, daß sachkundiger und wahrhaftiger Rat des Soldaten zur Entscheidung nicht immer zur Akzeptanz des Rates beim Entscheidungsträger führen wird. Das ist dann der Punkt, an dem Loyalität gefordert ist." Ob oder wo er Zweifel andem jetzigen Libanon-Engagement hat, hat Nolting konsequenterweise nicht zu erkennen gegeben.