Die Leiden des Donald Klein
Das lange Leiden hat ein Ende: Seit gestern ist der Pfälzer Angler Donald Klein wieder auf freiem Fuß. Bis dahin hat er fast 16 Monate lang zwischen Hoffnung und Verzweiflung im Gefängnis verbracht. Und miterlebt, wie sein Mithäftling Stephane Lherbier freigelassen wird, er aber bleiben muss.
Niemand außer Klein selbst weiß genau, wie es an jenem Sonntagvormittag in ihm ausgesehen hat. Der ausgemergelte Steinmetz aus Lambsheim bei Ludwigshafen traut seinen Augen nicht, als iranische Beamte am 25. Februar 2007 plötzlich in den Zellentrakt im Teheraner Evin-Gefängnis kommen und den Franzosen Lherbier auffordern, seine Taschen zu packen und zu gehen. Den 53-jährigen Deutschen aber, der bei dem erfahrenen Bootsmann Lherbier nur als harmloser Tourist eine Angel-Tour im Persischen Golf gebucht hatte, würdigen die Gefängnismitarbeiter keines Blickes. Kleins Verbitterung und Verzweiflung muss grenzenlos gewesen sein. Soll dieses Martyrium denn wirklich niemals enden? Was der Pfälzer nicht weiß: Hinter den Kulissen erhöht die Bundesregierung noch einmal den Druck auf das Teheraner Regime, bestellt den iranischen Botschafter ein und fordert Freiheit für Klein - es dauert nur noch wenige Tage, bis der Deutsche gestern endlich freikommt.
300 Euro kostet der folgenschwere Tages-Trip, den der Lambsheimer am 29. November 2005 von Dubai aus startet. Auf hoher See will der begeisterte Angler Schwert- und Papageienfische fangen, Skipper Lherbier verspricht ihm, er kenne da draußen die besten Stellen. Die beiden kehren nicht mehr nach Dubai zurück. Der Franzose steuert das Schiff "Blue Marlin", obwohl er es besser hätte wissen müssen, in die Nähe der Insel Abu Musa. Iranisches Sperrgebiet, auf das sowohl der Iran als auch die Vereinigten Arabischen Emirate Anspruch erheben. Klein angelt noch zwei Barrakudas, Lherbier filmt ihn dabei. Dann greifen die Iraner den Franzosen und den bis dahin völlig ahnungslosen Pfälzer auf. Sie werden verhaftet und ins südiranische Bandar Abbas gebracht, wo auch der Prozess gegen sie stattfindet. Im Verfahren wird es heißen, das europäische Duo habe Abu Musa gefilmt. Kleins Vergangenheit bei der Bundeswehr wirkt zusätzlich strafverschärfend, der Spionage-Verdacht wabert durch den Gerichtssaal. Das harte Urteil lautet: 18 Monate Haft wegen illegalen Grenzübertritts.
Freunde und Familie daheim im 6000-Seelen-Ort Lambsheim in der Pfalz reagieren fassungslos auf die furchtbare Nachricht aus Nahost. "Mein Mann ist unschuldig und wird politisch ausgenutzt", zürnt Karin Klein. In der Tat liegt die Vermutung nahe, dass Donald Klein vom Mullah-Regime als willkommenes Faustpfand im heraufziehenden Streit um das iranische Atomprogramm benutzt wird. Dafür spricht auch, dass Anfang dieses Jahres, als sich der psychische und körperliche Zustand des Deutschen schon rapide verschlechtert hat, iranische Offizielle in Gesprächen um Kleins Freilassung auf einmal den Namen Kazem Darabi fallen lassen. Der Iraner Darabi ist Drahtzieher des blutigen Attentats auf das Berliner Restaurant "Mykonos" 1992 und sitzt in Deutschland ein. Aber die Bundesregierung geht auf das Tauschangebot Terrorist gegen Tourist nicht ein, sie will sich nicht erpressbar machen.
Stattdessen schafft es das Auswärtige Amt, praktische Verbesserungen für den zu Unrecht inhaftierten Staatsbürger zu erreichen. Er darf täglich nach Hause telefonieren, bekommt Unterstützung durch einen Pfarrer und Botschaftsmitarbeiter. Im Sommer 2006 reist Karin Klein während eines Hafturlaubs ihres Mannes in den Iran. Politiker wie der Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn und der Kölner Sozialdemokrat Rolf Mützenich sprechen Klein bei Besuchen Mut zu.
Doch die Haft in Teheran setzt Klein trotz aller Erleichterungen extrem zu: Er magert von 85 auf 53 Kilogramm ab, klagt zunehmend über furchtbare Magenschmerzen - und in Telefonaten mit seiner Frau spricht er einige Male sogar von Selbstmord. Der "Stern" zitiert erschütternde Passagen aus seinem Tagebuch. Darin beschreibt er die Zustände in seiner Zelle, die er sich mit bis zu einem Dutzend Mitgefangenen teilen muss: "Mein Grab ist dreistöckig. Ich habe die mittlere Gruft. Ich liege auf einer Holzplatte, eine Decke als Matratze, eine Decke zum Zudecken und eine zusammengerollte Decke als Kopfkissen."
In seiner Verzweiflung attackiert er auch die Bundesregierung, die ihn in seiner schier aussichtslosen Situation im Stich lasse: "Nikki soll mir eine Überurne machen. (...) Auf dem Sockel soll in gotischer Schrift stehen: ,Zum Gedenken an Donald Klein, Bildhauer und Mensch, geopfert von der Bundesrepublik Deutschland unter der Kanzlerin Angela Merkel'." Verantwortlich für seine Lage macht der Pfälzer aber in harschen Worten vor allem seinen französischen Bootsführer: "Jesus sagt: Wer auch nur gedanklich seinem Nächsten Böses zufügen will, ist verdammt. Ich könnte liebend gern dem Franzosen bedenkenlos so manches ,zufügen', diesem A...loch."
In Deutschland laufen unterdessen die Bemühungen auf Hochtouren, die Leiden des Donald Klein so schnell wie möglich zu beenden. Gnadenersuch um Gnadenersuch und Haftverschonungsantrag um Haftverschonungsantrag reicht Anwalt Klaus Kübler aus Bensheim ein, nach Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amts wird "in jedem Gespräch mit iranischen Offiziellen das Thema Klein zur Sprache gebracht", sogar Bundespräsident Horst Köhler appelliert in einem Brief an das Teheraner Regime an dessen Menschlichkeit und bittet um Gnade für den Inhaftierten. Währenddessen hält Karin Klein, die in ihren Äußerungen zwischen Wut und Resignation pendelt, das Schicksal ihres Mannes in der deutschen Öffentlichkeit. Sie berichtet in "Stern TV" Moderator Günter Jauch und einem Millionenpublikum über die Qualen ihres Mannes, auch die zahlungskräftigen Magazine "Spiegel" und "Focus" bringen seitenlange Geschichten über den spektakulären Fall.
Die Medien werden auch - so viel steht schon jetzt fest - in den kommenden Tagen und Wochen Schlange stehen, wenn der Pfälzer nach fast 16 Monaten Haft in seine Heimat zurückkehrt. Die Erteilung des für die Ausreise nötigen "Exit-Visums" dürfte nur noch Formsache sein. Sein fast anderthalb Jahre lang leeres Büro wird sich wieder mit Leben füllen. Vielleicht wird Klein sogar irgendwann wieder seinem größten Hobby frönen, dem Hochseefischen an exotischen Zielen wie Mauritius, Kenia oder Mexiko. Aber die grausamen Monate im Teheraner Kerker werden ihn wohl für immer begleiten.