Koalition steht zu Steinmeier
Politiker von Union und SPD haben Forderungen der FDP nach einem Rücktritt von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zurückgewiesen. Die FDP betreibe "Polemik statt Aufklärung", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Olaf Scholz. Steinmeier "soll nicht zurücktreten", erklärte auch der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden.
Zuvor hatte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel vor dem Hintergrund der Verschleppung des Deutschen Khaled el-Masri durch den US-Geheimdienst CIA Steinmeiers Rücktritt verlangt. "Normalerweise wäre es für einen deutschen Außenminister ein Rücktritts- oder Entlassungsgrund, wenn man die Öffentlichkeit so hinters Licht führt, wie es Herr Steinmeier getan hat", sagte Niebel. Steinmeier habe bei seinem Antrittsbesuch in Washington zu Beginn der vorigen Woche geschwiegen, obwohl er im Juni 2004 als damaliger Kanzleramtsminister von dem Fall el-Masri erfahren hatte. "Ein Minister, der die Öffentlichkeit bewußt täuscht, ist nicht tragbar", sagte Niebel.
Auch Innenpolitiker der SPD verlangten gestern, das Verhalten der damaligen rot-grünen Bundesregierung öffentlich zu klären. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte, Details der Affäre seien möglicherweise geheimhaltungsbedürftig, aber "der Kern - etwa der Entführungsfall el-Masri - muß in den wesentlichen Grundzügen öffentlich debattiert werden können". Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich sagte: "Wir verlieren langsam unsere politische Unschuld. Ich habe keine Lust, dazu zu schweigen." Kanzlerin Merkel hatte hingegen am Montag angekündigt, Steinmeier werde lediglich dem zur Vertraulichkeit verpflichteten Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages (PKG), dem sogenannten"Geheimdienstausschuß", einen Bericht vorlegen.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) war Ende Mai 2004 vom damaligen US-Botschafter in Berlin, Daniel Coats, über die irrtümlicheVerschleppung el-Masris informiert worden. Zu diesem Zeitpunkt war der gebürtige Libanese bereits freigelassen worden. Coats hatte Schily um strikte Vertraulichkeit gebeten, woran sich dieser nach eigenen Worten auch hielt. Der Anwalt el-Masris hatte im Juni 2004 das Kanzleramt und das Außenministerium über den Vorgang unterrichtet. Die Staatsanwaltschaft München, die in dem Fall ermittelt, bekam nach eigenen Angaben von der Regierung aber keine inhaltlichen Informationen. Steinmeier wies hingegen den Vorwurf zurück, das damals von ihm geleitete Kanzleramt habe nicht angemessen reagiert.
Der Außenminister ließ bei seinem Besuch in Washington vorige Woche offen, seit wann er von dem Vorgang erfuhr. Mitreisende Journalisten konnten aber durchaus den Eindruck gewinnen, Steinmeier sei lediglich durch entsprechende Zeitungsartikel informiert worden. El-Masri war Ende 2003 vom US-Geheimdienst CIA aus Mazedonien nach Afghanistan entführt und dort nach eigener Darstellung unter belastenden Bedingungen wegen Terrorverdachts vernommen worden. Nach fünf Monaten kam er frei. Erst Anfang 2005 und damit ein halbes Jahr, nachdem sie selbst die Informationen bekommen hatte, unterrichtete die rot-grüne Bundesregierung das PKG über den Fall.
El-Masris Anwalt Manfred Gnjidic erwägt, Bundeskanzlerin Merkel als Zeugin für einen Prozeß gegen die CIA vorzuladen. Nach einem Treffen mit US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte die Kanzlerin am Montag gesagt, die US-Regierung habe die Entführung el-Masris als Fehler anerkannt. Dieser Aussage ließ Rice anschließend energisch widersprechen. Sie habe keinen konkreten Fehler eingeräumt. "Die Aussage von Frau Merkel war für uns einer der wichtigsten Schritte in den letzten Monaten", sagte der Anwalt. "Sie ist der erste Schritt zur Wahrheit, daß die USA unseren Mandanten tatsächlich und ohne jedes Recht entführt haben und dies ein Fehler war." Darum wäre Merkel "eine gute Zeugin". In der gestrigen Sitzung des Koalitionsausschusses wurde der Fall el-Masri nach Angaben von CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nicht behandelt. SPD und Union seien übereingekommen, Fragen des Regierungshandelns nicht in Parteigremien zu beraten.