Indien und USA werben für Atompakt
Indien und die USA wollen heute eine letzte wichtige Hürde für ihr umstrittenes Atomabkommen nehmen. In Wien müssen sie alle 45 Mitglieder der Nuclear Suppliers Group (NSG), die wichtige Lieferländer von Nukleartechnologie vereint, überzeugen, dem Deal zuzustimmen. Während sich Exporteure wie die USA, Frankreich oder Russland von dem Abkommen neue Absatzchancen erhoffen, fürchten einige kleinere Länder wie die Schweiz, die Niederlande oder Irland einen neuen atomaren Rüstungswettlauf.
Washington und Delhi hatten das Abkommen, das die Lieferung ziviler Nukleartechnologie nach Indien vorsieht, bereits 2006 ausgehandelt. Es soll ein Lieferembargo beenden, das nach Indiens Atomwaffentest 1974 verhängt worden war. Delhi weigert sich bis heute, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Die Schweiz warnt deshalb, dass die von den USA gewünschte Ausnahmeregelung zugunsten Indiens schwerwiegende Auswirkungen auf das atomare Nonproliferationssystem haben würde. Bern will dem Abkommen deshalb nur zustimmen, wenn Indien in ein System eingebunden wird, das eine umfassende internationale Kontrolle seiner zivilen Atomaktivitäten erlaubt und die Weitergabe von Nuklearmaterial verbietet.
Heikel sind die Wiener Verhandlungen für die Bundesregierung, die derzeit den Vorsitz der NSG führt. Sowohl die FDP als auch die Grünen forderten Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf, den Vertrag abzulehnen. Kritik kommt aber auch aus der SPD: "Für mich überwiegen die Nachteile", sagte der abrüstungspolitische Sprecher der Partei, Rolf Müntzenich, dem Handelsblatt. "Ich verstehe zudem den Zeitdruck nicht, dem sich auch die Bundesregierung beugt." Da eine Zustimmung des derzeitigen US-Kongresses zu dem Atomdeal ohnehin unwahrscheinlich sei, solle die NSG vor einer Entscheidung die Wahlen in den USA abwarten, rät Müntzenich.
Die US-Regierung führt dagegen an, dass die werdende Weltmacht Indien mit dem Abkommen stärker an den Westen gebunden werden kann. Zudem eröffne die Lieferung ziviler Atomtechnik Indien die Möglichkeit, seinen Energiehunger klimaschonend zu stillen. Und Delhi habe zugesagt, einen Teil der indischen Atommeiler der Kontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) zu unterwerfen, die das Abkommen deshalb auch begrüßt.
Für Indiens Premier Manmohan Singh steht viel auf dem Spiel: Er hat für den Deal vor kurzem einen Koalitionsbruch mit den Kommunisten riskiert, über den seine Regierung fast gestürzt wäre. Neben den USA unterstützen auch die anderen anerkannten Atommächte Russland, Frankreich und Großbritannien den Deal. Selbst Indiens Rivale China hat versprochen, ihn nicht zu verhindern. Deshalb sorgt der Widerstand von Kleinstaaten ohne geopolitisches Gewicht für Unmut in Indien und Washington. "Diese Länder spielen in der internationalen Sicherheitsarchitektur keine Rolle, maßen sich jetzt aber in einer zentralen geostrategischen Frage des 21. Jahrhunderts ein Veto an", sagt ein westlicher Diplomat in Delhi. "Scheitert das Abkommen an ihnen, werden die Inder sie dafür in irgendeiner Form bezahlen lassen."