Was gibt's Schöneres auf Erden als Politiker zu werden?

Hättet ihr gedacht, dass ein Bundestagsabgeordneter seine Besorgungen in Köln am liebsten mit dem Fahrrad erledigt, sehr gerne Fußball guckt, seinen Kindern das Mittagessen kocht, wenn er Zeit hat, und direkt weiß, was ein MP3-Player ist? Nein? Wir auch nicht, bis wir Dr. Rolf Mützenich kennen gelernt haben.

Den Rucksack über der Schulter und den Fahrradhelm unter den Arm geklemmt, kam er an unsere Schule und beantwortete geduldig alle unsere Fragen. Dabei wirkte er gar nicht "arrogant", sondern eigentlich "voll normal".

Freizeit? Ziemlich wenig!

Er ist verheiratet und hat zwei Söhne (11 und 14 Jahre alt). Seitdem er im Bundestag ist, hat er für seine Familie nicht mehr so viel Zeit wie früher.

Seine Familie ist stolz darauf, dass er diesen Job hat und seine Kinder interessieren sich auch schon ein bisschen für Politik. Aber es dreht sich zu Hause nicht alles um Politik. In seiner Familie gibt es wegen seinem Job aber auch organisatorische Probleme, weil er sich nur selten um die Kinder und den Haushalt kümmern kann. Seine Frau, die auch berufstätig ist, muss viele Dinge allein erledigen. Seine Kinder haben ihn schon in Berlin besucht, allerdings jeweils einzeln für drei bis vier Tage.

Für sich persönlich hat er kaum Freizeit, wenn er in Berlin ist sowieso nicht und zu Hause muss er viel lesen und seinen "Schriftkram" erledigen. Wenn er 'mal Zeit für sich hat, dann geht er seinen Hobbys nach: Fahrrad fahren, Fotografieren und Fußball spielen.

Größtes Problem - Arbeitslosigkeit

Dr. Rolf  Mützenich ist Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises 96 in Köln. In Köln gibt es vier Wahlkreise, in Deutschland insgesamt 299. Zum Wahlkreis 96 gehören die Stadtbezirke Chorweiler, Nippes und Ehrenfeld. Er ist seit 2002 im Bundestag. 2002 und auch bei der Bundestagswahl in diesem Jahr hat er in seinem Wahlkreis über 50 Prozent der Stimmen bekommen.

Sein Wahlkreisbüro ist in Köln -Bickendorf. Wenn man Probleme hat, kann man persönlich mit ihm reden. Er hat zwei Sprechzeiten im Monat. Die Telefonnummer des Wahlkreisbüros und auch seine private Telefonnummer sind im Telefonbuch zu finden.

In das Wahlkreisbüro kommen Leute, die bestimmte Fragen, Probleme oder Wünsche haben, z. B. Leute, die Probleme mit dem Arbeitsamt oder der Krankenkasse haben oder die fragen, ob er ihnen helfen kann, eine neue Wohnung zu finden. Das größte Problem im Wahlkreis 96 ist die Arbeitslosigkeit, besonders in Chorweiler, Lindweiler und Ossendorf. Da sind 15 Prozent der Leute ohne Arbeit. Ein weiteres großes Problem sind die Zuwanderer aus Russland und Kasachstan.

Im Wahlkreis müssen auch viele Gespräche mit verschiedenen Einrichtungen geführt werden. An dem Tag, als er bei uns war, also am 7. November 2005, hatte er nachmittags noch einen Termin mit dem Arbeitsamt Köln und abends mit der Kölner SPD.

Trotz Hauptschule - Superkarriere

Er hätte früher nicht gedacht, dass er einmal einen solch wichtigen Beruf ausüben würde. Er ging nämlich bis zur 10. Klasse auf die Hauptschule, zuerst auf die Hauptschule Neuhöferstraße in Deutz, dann auf die Hauptschule Albermannstraße in Kalk. Dort bekam er die Qualifikation und besuchte danach das Rheingymnasium in Mülheim. 1978 schloss er die Schule mit dem Abitur ab. Die Abiturnoten waren sehr unterschiedlich, z.B. Deutsch 2, aber Mathe 5.

An den Universitäten Bonn und Bremen studierte er von 1979-1990 Politikwissenschaft, Geschichte und Wirtschaftswissenschaft. Sein Professor bot ihm an, seine Diplomarbeit zu einer Doktorarbeit aus zubauen. Das machte er auch, weil dadurch seine Berufsaussichten besser wurden. Ein Jahr später hatte er schon seinen Doktortitel.

Schon als Student jobbte Rolf Mützenich bei verschiedenen Bundestagsabgeordneten (damals war der Bundestag ja noch in Bonn), heute hat er selber Studenten in seinem Büro in Berlin angestellt. Nach seinem Studium arbeitete er in verschiedenen Ministerien in Düsseldorf, besonders im Sozial- und Gesundheitsministerium. In Düsseldorf sitzt die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Seit 2001 war er sogar der Leiter des Büros des Präsidenten des nordrhein-westfälischen Landtags. Der Landtagspräsident ist der Chef einer Behörde von ungefähr 300 Mitarbeitern. Zum Landtag hätte er auch zurückgehen können, wenn er am 18. September 2005 nicht wieder gewählt worden wäre.

Von den "Falken" bis zur SPD

Rolf Mützenich hat sich schon früh für Politik interessiert. In seiner Jugend war er bei dem Jugendverband "Die Falken". Die kümmerten sich um Jugendliche, die in ihrer Freizeit nichts zu tun hatten. Sie trafen sich oft zu Gruppenabenden. "Die Falken" kümmerten sich aber nicht nur um die Freizeit der Jugendlichen, sie waren auch politisch aktiv. Durch sie wurde Rolf Mützenich an die Politik herangeführt.

Mit 17 ging er dann zu den Jusos, das ist die Jugendorganisation der SPD. In den 70er Jahren gab es nicht so viele Gruppen oder Vereine  außerhalb der politischen Parteien (wie heute z.B."Greenpeace" oder "Amnesty International"), in die man gehen konnte, wenn man etwas verändern wollte. Deshalb schloss man sich einer Partei an, weil man dann eher die Möglichkeit hatte etwas zu erreichen. Eine Menge Probleme gab`s auch damals in der Politik, z. B. mit der "Ostpolitik", d. h. der Frage, ob man mit der DDR zusammen arbeiten sollte. Es war immer etwas los und da hat er einfach mitgemacht.

Der Weg zum Bundestagskandidaten

Rolf Mützenich konnte sich nie etwas anderes vorstellen als zur SPD zu gehen. Er findet auch heute noch, dass dort seine Gedanken am besten aufgehoben sind. Dass er gerade in die SPD eingetreten ist, hat, so meint er, wohl auch etwas mit seiner Familie zu tun. Sein Vater war Schlosser und seine Mutter Hausfrau, die jedoch noch nebenbei in einem Kiosk gearbeitet hat.

Die anderen Parteien respektiert er natürlich auch. Es gibt auch schon 'mal Konflikte mit anderen Politikern. "Ja klar gibt es auch Auseinandersetzungen, auch innerhalb meiner Partei. Aber es gibt nicht nur Streit, denn ich bin eigentlich ein friedlicher Mensch." Ob er jemanden mag oder nicht und mit ihm gut auskommt, hat nichts mit der Partei zu tun.

2002 ist er zum ersten Mal von der SPD als Bundestagskandidat imWahlkreis 96 aufgestellt worden. "Das hatte ich gar nicht geplant. Das war auch eher Zufall, dass ich in den Bundestag gekommen bin. Ich bin vor vier Jahren gefragt worden, ob ich mir nicht ganz kurzfristig überlegen könnte für die SPD in Köln zu kandidieren. Und da ich eine gute Ausbildung habe und für den Landtag und die Ministerien gearbeitet habe, glaubte man, dass ich da (im Bundestag) ganz gut zurecht kommen würde. Und ich habe auch früh in der Partei, in der SPD, mitgemacht. Und dann bin ich eher gefragt worden, als dass ich mich gedrängt habe an dieser Stelle zu kandidieren."

Man lernt jeden Tag etwas Neues

Er findet seinen Beruf als Bundestagsabgeordneter spannend, weil man jeden Tag neue Erfahrungen macht und viel dazu lernt. Es gefällt ihm weniger, dass er so viel zwischen Köln und Berlin hin- und herfahren muss. Ihm wäre es lieber, der Bundestag wäre in Bonn geblieben. Und er findet es gar nicht gut, dass Politiker häufig zuviel in Mikrofone sprechen, sich manchmal verstellen und "abgehoben" wirken.
 
Von Tür zu Tür dauert es etwa drei Stunden
 
Seit er 2002 von der Bevölkerung des Wahlkreises 96 zum Bundestagsabgeordneten gewählt wurde, fliegt er regelmäßig in den Sitzungswochennach Berlin. In der übrigen Zeit, auch manchmal am Wochenende, arbeitet er im Wahlkreis.

Von Poll, wo er wohnt, fährt er mit dem Fahrrad zur Haltestelle Trimbornstraße in Kalk. Dort nimmt er die S-Bahn bis zum Flughafen Köln-Bonn. Der Flug nach Berlin dauert etwa fünfzig Minuten. Von Tür (Haustür) zu Tür (Eingang Bundestag) dauert es etwa drei Stunden.

Er  hat  auch ein  Büro in  Berlin, im Paul-Löbe-Haus. Dort hat er noch zwei Mitarbeiter (in Köln einen), die die Post machen, helfen Briefe zu beantworten, den Terminkalender führen und z.B. die Flug-Tickets  bestellen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter schreibt auch ab und zu eine Rede oder einen Zeitschriftenartikel.

Zu Rolf Mützenichs Aufgaben in Berlin gehören z. B. Fraktionssitzungen (Treffen von Abgeordneten, die der gleichen Partei angehören), Plenumsveranstaltungen im Plenarsaal des Deutschen Bundestages, Gespräche mit ausländischen Politikern oder Journalisten, Ausschusssitzungen usw.

Am 12. April 2005 sah sein Terminplan so aus: Um 9 Uhr war er in einer Arbeitsgruppe, die sich mit seinem ersten Spezialgebiet "Außenpolitik" beschäftigt, um 11 Uhr kam eine Abgeordnete aus Australien zu Besuch ,danach (13 Uhr) traf er jemanden, mit dem er über sein zweites Spezialgebiet "Abrüstungsfragen" gesprochen hat, dann (15 Uhr) gab es eine Fraktionssitzung mit Münte, um 18 Uhr wurde der 60. Geburtstag einer Kollegin gefeiert und ab 18.30 Uhr kamen alle SPD-Kollegen aus Nordrhein-Westfalen zusammen (Sitzung der Landesgruppe) um zu überlegen, was man für NRW im Bundestag tun kann. So viele Termine zu haben ist anstrengend und manchmal auch nervig, meint Herr Mützenich.

Es gibt noch mehr Arbeit

Herr Mützenich ist  in  verschiedenen Vereinen ehrenamtlich tätig, d.h. er bekommt dort kein Geld für seine Arbeit. Besonders setzt er sich für ausländische Jugendliche ein. Er ist z. B.Mitglied im "Arbeitskreis für das ausländische Kind". Das ist einVerein in Köln, der Kindergärten hat, auch z. B. in Mülheim, in die besonders türkische und russische Kinder gehen. Er ist auch Mitglied imVerein "Kindernöte". Der betreut Kinder in Köln, die oft auf der Straße leben.

"Diäten", die nicht schlank machen

Abgeordnete bekommen ein Gehalt für ihre Arbeit, die "Diäten", und einen festen Betrag, die "Kostenpauschale", von der sie alles bezahlen müssen, was mit ihrer Arbeit zusammen hängt. Herr Mützenich bezahlt davon z. B. seine kleine Wohnung in Berlin, die Miete für sein Wahlkreisbüro in Köln und Taxifahrten in fremden Städten. Er wird in seinem Wahlkreis oft eingeladen von Sportvereinen, Schützenvereinen usw. Da nimmt er auch meistens ein Geschenk mit hin, z.B. einen Pokal. Den bezahlt er dann auch von der Kostenpauschale. In einem Monat gibt es mehr, im anderen weniger Termine und somit Geschenke, so dass dasGeld insgesamt immer reicht.

Herr Mützenich war ganz anders als die meisten von uns erwartet hatten. Er war nicht alt, langweilig oder arrogant und er wirkte auch nicht unehrlich. Alle fanden ihn nett und sympathisch, manche sogar "cool", weil er ganz "normal" war, obwohl er einen so wichtigen Beruf hat. Erbekommt zwar eine Menge Geld für seine Arbeit, dafür muss er aber auch sehr viel tun.

Die Interviewpartner von Herrn Mützenich am 7. November 2005 (der Differenzierungskurs der Klassen 8 im Fach Sozialwissenschaften der Elly-Heuss-Knapp-Realschule in Köln-Mülheim)

Autor: 
Klasse 8 SW der Elly-Heuss-Knapp-Realschule in Köln
Veröffentlicht: 
Preisgekrönter Beitrag des Schülerwettbewerbs zur politischen Bildung 2005
Thema: 
Leben und arbeiten zwischen Wahlkreis und Bundestag - Portrait des Bundestagsabgeordneten Dr. Rolf Mützenich