Erst Obama, jetzt Trump - Problem roter Linien in Syrien

Donald Trump hat sich bisher stets bemüht, sich von seinem Vorgänger Barack Obama abzusetzen.

Aber genauso wie Obama 2012 hat der amtierende US-Präsident nach der Giftgas-Katastrophe in Syrien jetzt davon gesprochen, dass eine "rote Linie" überschritten sei. Wie Obama könnte jetzt auch er nach Meinung von Experten genau damit in Schwierigkeiten geraten. "Nun muss Trump etwas liefern - und ehrlich gesagt ist es völlig unklar, was dies sein könnte", sagt etwa Guido Steinberg, Nahost-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Andere äußern sich weniger freundlich. Von einer "erbärmlichen" Politik des US-Präsidenten sprach der SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich. Er sei entsetzt, dass Trump auch für Syrien jede Woche eine andere Botschaft aussende. "Er hat für jede Community einen passenden Tweet", kritisiert auch Josef Braml, US-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Das gelte eben auch für Syrien. Bei anderen Politikern möge dies nur ärgerlich sein. Aber wenn der Präsident der militärischen Supermacht verbal rote Linien ziehe, habe dies weitreichende Bedeutung.

Was eigentlich die US-Syrienpolitik

"Trump hat in den vergangenen Tagen mehrere Drohungen ausgesprochen - gegen Nordkorea, gegen Iran, in der Ukraine-Krise und eben nun Syrien", sagt SWP-Experte Steinberg. Und gerade in der Syrien-Politik gebe es seit Amtsantritt widersprüchliche Signale, weshalb wahrscheinlich sei, dass es in Washington noch kein klares Konzept gebe. Gerade erst habe die US-Regierung anders als die Europäer davon Abstand genommen, den Abtritt von Syriens Machthaber Bashar al-Assad als Bedingung für eine politische Lösung zu sehen. Steinberg hält es für einen Fehler, dass die USA nun Syrien wirklich zu einer Priorität erklärten - "so schrecklich die Lage und auch der Giftgasangriff auch ist". Denn eigentlich müsste aus seiner Sicht Nordkorea an oberster Stelle stehen, weil dort ein schwer ausrechenbares Regime die Hand auch an Atomwaffen habe.

EU-Diplomaten sehen einen echten Zielkonflikt in der amerikanischen Syrienpolitik, weil Trump gleichzeitig die Zerstörung der islamistischen Extremistenmiliz IS angekündigt hat. Dieses Ziel lasse sich aber eigentlich nur zusammen mit Russland erreichen - das wiederum Machthaber Assad militärisch stützt. Außerdem habe gerade Trump den Amerikanern im Wahlkampf versprochen, sich aus vielen außenpolitischen Konfliktherden heraushalten zu wollen, sagt Braml. Eine klare Linie sei also nicht erkennbar.

Was kann Trump überhaupt tun?

Steinberg verweist darauf, dass sich die Lage in Syrien heute gegenüber Obamas Roter-Linie-Drohung 2012 völlig unterscheide - und Trump viel weniger Spielraum zu einer Reaktion als sein Vorgänger habe. "Damals gab es die Russen noch nicht in Syrien", sagte er. Attacken gegen syrische Stellungen oder gar russische Flugzeuge verböten sich heute. Die Gefahr einer direkten Konfrontation mit russischen Militärs sei viel zu groß. "Niemand hat derzeit ein Interesse an einem Konflikt mit Russland."

SPD-Außenpolitiker Mützenich sagt: "Ich habe deshalb Zweifel, dass es eine rote Linie Trumps überhaupt gibt." Er warnt davor, sich durch innenpolitische Empörung über die Giftgastoten in Syrien so unter Druck setzen zu lassen, dass man glaubt, in dieser verfahrenen Situation Härte vortäuschen zu müssen. Statt militärischer Drohungen auszusprechen sollte Trump bei seinem Treffen mit Chinas Präsident Xi Jinping darauf dringen, eine UN-Sicherheitsresolution zu Syrien nicht mehr zu blockieren. "Es muss klar sein, dass Russland, Iran und Assad hier isoliert sind."

Was passiert, wenn eine Supermacht nur redet?

Unterschiedliche Auffassungen gibt es über die generelle Wirkung der Drohung von US-Präsidenten mit roten Linien. Obama war nach seiner ersten Warnung vorgeworfen worden, dass das Morden in Syrien trotzdem weiterging - und sich verschärft, ohne dass die USA entscheidend eingriffen. Dies habe die Intervention Russlands erst provoziert. SWP-Experte Steinberg macht aber eine andere Rechnung auf. Man könne durchaus argumentieren, dass Obama mit der Warnung einer entschlossenen militärischen Antwort etwas erreicht habe: die Zerstörung der Chemiewaffenbestände Syriens. "Das war am Ende in dieser Situation vielleicht sogar wichtiger als Militärschläge."

Aber über die Logik Trumps rätseln alle befragten Experten. "Wenn nach einer solchen Drohung nichts passiert, schwächt das die Rolle der USA in der Region noch mehr", warnt Mützenich, der in einem so komplizierten Konflikt ohnehin von "Wenn-Dann"-Drohungen abrät. Vor allem leere Drohungen sendeten verwirrende Signale an die regionalen Akteure und Verbündeten. Und das wiederum fördere nicht die Suche nach einer Lösung - und schon gar nicht die Aussicht auf ein Ende der Kämpfe in Syrien.

Autor: 
Von Andreas Rinke
Veröffentlicht: 
www.onvista.de, 06.04.2017
Thema: 
Zur Situation in Syrien