Atomwaffen in Deutschland - nein danke?

Mit dem umfassendsten Abrüstungsvertrag seit zwei Jahrzehnten wollen Russland und die USA einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt machen. Doch in der Bundesregierung herrscht keinesfalls Einigkeit darüber, ob die nuklearen Sprengköpfe auch aus Deutschland abgezogen werden sollten.

Wie viele atomare US-Sprengköpfe noch in Deutschland lagern, weiß kaum jemand genau. Offizielle Informationen darüber sind absolute Mangelware, selbst die Verteidigungsexperten des Bundestages tappen im Dunkeln. Berlin und Washington mauern nach Kräften, strikteste Geheimhaltung ist die Devise.

Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse kann man aber davon ausgehen, dass, nachdem die USA vor fünf Jahren rund 130 atomare Sprengköpfe von ihrer Luftwaffenbasis in Ramstein abgezogen haben, nun noch knapp 20 Atomwaffen beim Jagdbombergeschwader 33 der Bundeswehr im rheinland-pfälzischen Büchel lagern.

Der Außenminister ist für atomare Entwaffnung...

Außenminister Guido Westerwelle will auch die am liebsten noch schnell los werden: "Die Bundesregierung hat das Ziel, dass die in Deutschland noch stationierten, letzten taktischen Nuklearwaffen abgezogen werden." So steht es im Koalitionsvertrag, so wollen es erklärtermaßen alle Fraktionen im deutschen Bundestag. "Sie machen taktisch und strategisch keinen Sinn. Es wäre gut, wenn auf diese Waffen auf deutschem Boden verzichtet würde", so Rolf Mützenich, außenpolitischer Sprecher der SPD.

 ... das Verteidigungsministerium offenbar nicht

Also: Atomwaffen - nein danke? So weit, so einig, sollte man denken. Auffällig ist hingegen die Zurückhaltung von Kanzleramt und Verteidigungsministerium, beide in Unionshand. Noch vor kurzem war die Union gegen einen Abzug, im Weißbuch für Sicherheitspolitik, dass der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ausarbeiten ließ, lässt sich das nachlesen: "Für die überschaubare Zukunft wird eine glaubhafte Abschreckungsfähigkeit des Bündnisses neben konventioneller weiterhin auch nuklearer Mittel bedürfen."

 Noch vor eineinhalb Jahren erklärte deshalb der damalige außenpolitische Sprecher und jetzige Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU): "Die Welt ist leider noch nicht so friedlich, dass man auf nukleare Abschreckung vollständig verzichten kann." Aktuell ist man im Verteidigungsministerium und im Kanzleramt über die nukleare Teilhabe besorgt, die regelt, dass NATO-Staaten ohne eigene Atomwaffen - die Befehlshoheit der in Deutschland lagernden liegt beim US-Präsidenten - an der Planung deren Einsatzes beteiligt werden.

Ohne Atomwaffen keine Mitsprache

Keine Atomwaffen in Deutschland hieße: keine Mitspracherechte mehr bei der Nuklearstrategie der NATO, die zurzeit überarbeitet wird. Das ist keine akzeptable Lösung für den verteidigungspolitischen Sprecher der Union, Ernst-Reinhardt Beck, der das in den anstehenden Verhandlungen geklärt wissen will. Außerdem drängt er darauf, die in Deutschland lagernden Nuklearwaffen nicht isoliert von denen Russlands zu sehen: "In unserem genauso wie im europäischen Interesse wäre es, die Frage des Verbleibs der amerikanischen Nuklearwaffen in einen Rüstungskontroll- oder noch besser Abrüstungsvertrag einzubringen, der diese Waffensystemkategorie für Europa völlig beseitigt."

Die Sprecher schweigen lieber

Zwar hat sich die Unionsfraktion mittlerweile prinzipiell dazu durchgerungen, für einen Abzug zu sein, die Kanzlerin selbst überlässt das Feld aber gern dem Außenminister. Auf ihr Schweigen angesprochen erklärte Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans lapidar: "Die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister sind sich einig, dass derartige Fragen immer in enger Abstimmung mit allen Verbündeten getroffen werden müssen." Sein Sprecherkollege im Verteidigungsministerium, Steffen Moritz, gibt sich sogar völlig schmallippig. Auf die Bedenken wegen der nuklearen Teilhabe in seinem Haus angesprochen, erklärt er Folgendes: "Ich habe den Ausführungen von Herrn Steegmans nichts hinzuzufügen."

Keine kurzfristigen Entscheidungen

Den politischen Willen zum Abzug der US-Atomwaffen hat die Koalition ausgesprochen, die Begeisterung des Außenministers scheinen jedoch nicht alle so zu teilen. In den kommenden Wochen stehen nun drei internationale Konferenzen zu dem Thema an, die richtungsweisend sein können. Dass die Atomwaffen aber nicht heute oder morgen abgezogen werden, weiß auch der Außenminister: "Abrüstungspolitik braucht einen sehr langen Atem", stellt Westerwelle fest. US-Verteidigungsminister Gates hat schließlich öffentlich laut darüber nachgedacht, das deutsche Arsenal zu modernisieren, um es mittelfristig einsatzbereit zu halten.

 

Autor: 
Von Christoph Grabenheinrich
Veröffentlicht: 
tagesschau.de, 07.04.2010
Thema: 
Abrüstungsdiskussion in Deutschland